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No. 79. PAPIER-ZEITUNG. 2259 Holzmehl zeigt sehr deutlich, von wie grossem Einfluss die Art der mechanischen Einwirkung auf den Werth des Erzeugnisses ist. Holzmehl, welches durch Mahlen trockenen Holzes gewonnen ist, zeigt unterm Mikroskop äusserst selten schöne Faserabspaltungen, es besteht vielmehr aus zumeist groben bis staubfeinen Brocken oder Holztrümmern, die nicht geeignet erscheinen, ein gutes Papier blatt zu bilden. Nach diesen mikroskopischen Ergebnissen sind unsere papierbildenden Pflanzenfasern meistens spaltbar, und zwar: 1. Bastfasern sind vollkommen, axial und in feinste Fibrillen spaltbar. 2. Baumwollfasern zeigen eine unvollkommene oder erschwerte Spaltbarkeit in spiraliger Richtung und feine Fibrillen. 3. Holzzellstoff zeigt ebenfalls erschwerte Spaltbarkeit in wenig gedrehter Richtung und kurze gröbere Fibrillen, die sich weiter in schleimige Flocken lösen. 4. Rohholzfaser, nass geschliffen und gemahlen (raffinirt), zeigt leichte Abspaltung starrer Faserstücke in meist axialer Richtung. 5. Rohholzfaser, trocken gemahlen (raffinirt), zeigt sehr geringe Neigung zur Spaltbarkeit. 6. Strohfaser ist unspaltbar. Die chemische Vorbehandlung und die Art des mechanischen Angriffs unterstützen oder verringern das Spalten und beeinflussen die Zerstörungserscheinungen. Somit bleibt auch nach vorstehender Studie richtig, dass die Lumpen, wie E. M. in Nr. 39 behauptete, die geeignetsten Papier bildner sind. Bei deren sachgemässer Behandlung erhalten wir Papier, welches Festigkeit und Beständigkeit auf Jahrhunderte sichert. Wenn man entgegenhält, dass Leinen- und Hanflumpen mit derZeit ganz ausbleiben werden, weil die Spinnstuben eingegangen sind, so scheint dies unzutreffend, weil die Verarbeitung von Hanf und Flachs heute den Spinnereien und Webereien obliegt. Trotz der heutigen Vergeudung der werthvollen Lumpen, trotz Einführung von Baumwollen- und Wollenkleidung werden sich für die wenigen besten Dokumenten-, Schreib- und Druck papiere, welche grössere Zeitläufe überdauern sollen, die dazu erforderlichen Lumpen stets finden. Der weitaus grösste Theil des Papier-Bedarfs ist jedoch nicht für lange Dauer bestimmt, und solches Papier kann aus Holz erzeugt werden. Es ist Aufgabe der fortschreitenden Technik, die chemische und mechanische Behandlung des Holzes derart zu verbessern, dass wir den daraus erzielten Stoffen die denkbar vortheil- haftesten Eigenschaften zur Umwandlung in Papier verleihen. Die Erkenntniss dessen, was unsere heutige Papier-Fabrikation leistet, kann nur aus gründlichem, mikroskopischem Studium frischer, stufenweise entnommener Stoffproben geschöpft werden. Es wird vielleicht möglich, später über die Ergebnisse der einzelnen, von einander abweichenden Fabrikations-Verfahren zu berichten. Besonders wichtig erscheint es, die Wirkungen des gewöhn lichen Holländers, der verschiedenen Stoffmühlen, des Koller- ganges usw. auf die Fasern zu untersuchen. Zur Lösung dieser Aufgabe, die für Deutschland von grösster Wichtigkeit ist, nach Möglichkeit beizutragen, war Absicht des Verfassers, und wird es ferner sein. Chemnitz, Uhlichstrasse 2, August 1892. E. Kirchner. Sulfitstoff in Amerika. Die Firma Kimberly Clark & Co. in Appleton, Wisconsin, die grössten Papierfabrikanten des Westens, werden in den nächsten Monaten einen Sulfitkocher mit Salomon-Brüngger’scher Schutz kruste aufstellen, ebenso die neue Papierfabrik bei Denver, Colorado. Wir berichteten in Nr. 52 von der Explosion eines Bronce- Sulfitkochers in West-Carrolton, Ohio, der durch Einwirkung der Schwefligsäure zu schwach geworden war. Man wusste dies und hatte versucht, ihn durch innere Ausmauerung und eiserne darumgelegte Reifen haltbarer zu machen — aber vergeblich. Um weitere Unglücksfälle dieser Art möglichst zu vermeiden, prüft man die Bronce-Kocher jetzt allmonatlich mit einem Kalt wasser-Druck von 150 Pfd. auf den Quadratzoll (etwa 10 Atmo sphären), während dieselben bei der Arbeit nur auf 75 Pfd. in Anspruch genommen werden. In den amerikanischen Fabriken erfährt das Holz, der hohen Arbeitslöhne wegen, keine so sorgfältige Reinigung vor dem Kochen wie bei uns. Es werden keine Aeste ausgebohrt, und das Holz wird nur mechanisch fortbewegt und bearbeitet von der Zeit an, wo es zerhackt ist, bis es als fertiger Stoff aus der Nass maschine kommt. Da trotzdem in manchen Fabriken sehr reiner Stoff erzeugt wird, so können wir wahrscheinlich noch manches von unseren Schülern, den Amerikanern, lernen. Buchdruck-Buntpapiere. Im Jahrgang 1889, Seite 279, schilderten wir unter der Auf schrift »Billige Untergrundplatten « das Verfahren, von gepressten Papieren im Stereotyp-Apparat druckbare Platten abzuformen und zum Druck von Üntergrundmustern anzuwenden. Eine An zahl von Abdrücken ausgewählter Muster veranschaulichte die Ausführung und fand in Buchdruckerkreisen allseitige Beachtung. Von diesem Verfahren ausgehend, hat Herr Buchdruckerei besitzer Herm. Feyl in Berlin SO., Elisabethufer 19, eine Druck- Spezialität ausgearbeitet, welche er zur Herstellung von Bunt- und Vorsetzpapieren, gemusterten Braunholzkartons, Kartonnagen- Papieren, fein bedruckten Prospekt- und Albumkulissenpapieren usw. benutzt. Da die als Matrizen dienenden Muster beinahe kostenlos zu beschaffen sind, und Buchdruck an Lieferungsmenge etwa das Dreifache leistet wie Steindruck, so leuchtet es ein, dass der Buchdruck auf diesem Wege der Bunt- und Vorsetzpapier-Er zeugung durch Steindruck mit Erfolg Konkurrenz machen kann. Die Verwerthung der Zeichnung von Reliefmustern zu Flach mustern ist nach bisher unwiderlegter Auffassung laut § 6, 2 des Musterschutzgesetzes als verbotene Nachbildung nicht anzusehen. Bei den von uns s. Z. angestellten Versuchen zeigte es sich, dass es schwer ist, eine grössere Fläche gemusterten Papieres im gewöhnlichen Stereotyp-Apparat tadellos abzuformen. Wenn der Guss einer Oktavkolumne gelang, galt dies schon als sehr be friedigendes Ergebniss. Da es aber nicht gut thunlichist, eine für grosse Bogen bestimmte Druckform aus vielen kleinen Theilen zusammenzusetzen, so musste Herr Feyl sich bemühen, die Stereotypvorrichtung so zu verbessern, dass man auch ziemlich grosse Platten in einem Guss herstellen kann. Er hat sich zu diesem Zweck einen besonderen Stereotyp-Apparat bauen lassen. Aus den uns vorliegenden Abzügen geht hervor, dass Herrn Feyl die Herstellung einer Platte von etwa 30: 60 cm keine Schwierigkeit bereitet. Kleine Mängel des Gusses werden mit dem Stichel retuschirt, und die für die übliche Bogengrösse erforder liche grosse Druckplatte von etwa 55 : 85 cm wird aus etwa 4 Platten, die sorgfältig bestossen und dem Muster entsprechend aneinandergereiht werden, gebildet. Die Anschlussstellen werden nicht im rechten Winkel zur Druckfläche abgehobelt, sondern, wie im Jahrgang 1889, Seite 278 gezeigt, schräg überhängend bestossen. Solche Platten sind meist in gemässigten Farbtönen auf hell farbiges Papier gedruckt oder in Bronce auf dunkelfarbiges. Be sonders auf Kaibiederpapier wurden einige sehr günstige Wirkungen erzielt. In Herstellung der grossen, das Fundament einer Maschine füllenden Platten besitzt Herr Feyl bewundernswerthe Geschicklich keit. Kaum bei scharfer Aufmerksamkeit lässt sich auf den Bogen irgendwo eine Anschlussstelle entdecken, und alle Theile kommen gleichmässig deutlich und rein. Um dies zu erreichen, müssen auch an der Schnellpresse entsprechende Vorrichtungen angebracht worden sein. Die Klischee-Abnahme von Presspapieren ist indess nicht das einzige Verfahren, welches Herr Feyl zur Herstellung seiner Buch druck-Buntpapiere verwendet. Er fertigt auch in einem der Chaos- typie ähnlichen Verfahren Adermuster, die auf farbigem Papier, in einer Farbe oder auch in zwei Farben und Bronce, mittels verschobener Form gedruckt, recht gute Wirkung erzielen. Als weiteres Hilfsmittel zur Platten-Erzeugung verwendet Herr Feyl auch den chemigraphischen Umdruck nebst Zinkätzung, indem er ein auf kleiner Fläche ausgeführtes Muster derart wieder holt auf eine grosse Zinkplatte überträgt, dass ein über die ganze Fläche gleichmässig vertheiltes Muster entsteht. Ein viertes Verfahren zur Platten-Erzeugung besteht in der Benutzung typographischer Ornamente, die in kleinen Satzstücken vielfach stereotypirt und zum grossenBlock zusammengefügt werden, ein fünftes in der Benutzung spitzenartigerStoffe zur Herstellung der Musterplatte. Wie in diesem Falle verfahren wird, konnten wir nicht genau ermitteln. Vielleicht walzt Herr Feyl das Gewebe mit schwarzer Farbe ein, überträgt das Muster auf Zink und ätzt. Bei einem sechsten Verfahren werden die von uns im Jahr gang 1889, Seite 591 beschriebenen japanischen Papierschablonen benutzt, welche früher zur Kattun-Schablomrung dienten, seit Einführung des Walzendruck-Verfahrens in Japan aber äusser Verwendung kamen und von europäischen Liebhabern in grossen Massen zu sehr billigen Preisen aufgekauft wurden. Herr Hermann Pächter, i. F. R. Wagner, Berlin W., Dessauer Str. 2, der uns diese Muster damals als Anregung für die Buntpapier-Fabrikation überliess, ist es auch gewesen, der Herrn Feyl die Schablonen behufs Platten-Erzeugung zur Verfügung stellte.