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No. 90. PAPIER-ZEITUNG. 2591 für unsere Mitbürger, die nicht unserem Berufe angehören, sowie für unsere Nachkommen ein Denkstein sein, wie wir dem Erfinder unserer Kunst unsere Verehrung und unsere Dankbarkeit bezeugt haben. Auch der Platz, auf dem es steht, ist zu beachten. Das Centrum und der Westen unserer schönen Stadt Berlin wird von so vielen kunstvollen und grossartigen Denkmälern geschmückt; dem Norden aber verleihen wir einen Schmuck, wie er ihn bisher nicht besessen hat. Nicht nur die Bereitwilligkeit, mit welcher uns der Magistrat ent gegengekommen ist, haben wir anzuerkennen, sondern auch die Wahl des Platzes. Hier ist die Gegend, wo täglich hunderte von Arbeitern vorübergehen, deren Selbstbewusstsein gehoben wird, wenn sie sich sagen: • Auch wir haben zur Schaffung dieses Denkmals beigetragen«, sicher ein Gefühl, welches zur Hebung edler Empfindungen beiträgt. Von der Biographie des Erfinders und von der Erfindung selbst von dieser Stelle aus zu sprechen, ist wohl ungeeignet. Mit wenigen Worten nur möchte ich erwähnen, dass selten eine Erfindung so voll ständig und so vollkommen der Benutzung übergeben wurde. Nach nahezu hundert Jahren üben wir heute noch in unseren Ateliers und Druckereien dieselben Methoden, dieselben Manieren, die uns der Er finder schon gelehrt hatte. Die einzige Ausnahme ist die Verbindung des Steindrucks mit der Photographie, die erst später erfunden wurde. Die Ausbreitung der Erfindung vollzog sich sehr schnell, äusser in deutschen Städten wurden auch in Paris lithographische Anstalten mit bestem Erfolge errichtet, von denen einige heute noch bestehen. Von der Ausbreitung in der Gegenwart kann ich nur sagen, dass es kaum ein geistiges Feld menschlicher Thätigkeit giebt, welchem die Lithographie und der Steindruck nicht dienstbar wäre, — sei es in der Wissenschaft, der Kunst oder der Industrie. Kein anderes Kunstgewerbe hat sich allgemeiner in allen kultivirten Nationen der ganzen Welt eingeführt als die Steindruckerei. Hunderttausende verdanken dieser Erfindung ihre Existenz, und nicht Wenige von ihnen haben ihren Wohlstand darauf aufgebaut. Leider können wir das von dem Erfinder nicht sagen. Die Noth, die die Lehrmeisterin sehr vieler Erfinder war, hat auch ihn zu der geistigen Arbeit gedrängt, sie hat ihn aber nie ganz verlassen. Un sägliche Schwierigkeiten hatte er zu überwinden, und die einzige Ge- nugthuung, die ihn für alles Ungemach entschädigte, war die Befriedigung, sein Ziel erreicht zu haben. Sind wir Senefelder seiner Erfindung halber zu grossem Danke verpflichtet, so haben wir ihn seines Strebens wegen zu verehren. In unseren Tagen, wo dem Jagen nach materiellen Erfolgen mehr ge huldigt wird, als es der Nation dienlich ist, müssen wir uns ein solches Leben voll idealer Bestrebungen zum Muster nehmen, und wenn auch nur in höchst bescheidener Weise, wird das Werk, welches wir ge schaffen, Zeugniss ablegen, dass auch wir noch anderen Bestrebungen huldigen als nur den materiellen Erfolgen. Und so übergebe ich denn im Namen des Senefelder Komitees, im Namen aller Derer, welche zur Vollendung dieses Werkes beigetragen und mitgearbeitet haben, dem Magistrat von Berlin das Senefelder Denkmal in der festen Ueberzeugung, dass es in gleicher Pietät ge schützt und gepflegt werde, wie wir es geschaffen. Nach erfolgter Enthüllung des Denkmals nahm Herr Stadt- rath Eberty, der in Vertretung des behinderten Oberbürgermeisters Zelle erschienen war, das Standbild namens der Stadt Berlin ent gegen und widmete dem Erfinder als Menschen, als fleissigem, un ermüdlichem und bescheidenem Arbeiter, als Vertreter bürger licher Tüchtigkeit warme Worte der Erinnerung und wies auf die Bedeutung hin, welche dieses schöne Denkmal als das erste, welches in Berlin einem Vertreter der Arbeit errichtet wurde, für die Reichshauptstadt und die allgemeine Werthschätzung der Technik besitzt. Der Redner schloss mit einem Hoch auf den Kaiser, den Schützer des Friedens. Zahlreiche prächtige Lorbeerkränze wurden am Fusse des Denkmals niedergelegt. Als Spender nannten die goldigen In schriften: die Ortskrankenkasse der Steindrucker, Gebr. Weigang, Bautzen, die erste Handwerkerschule, die Steindrucker von Hagel berg, die stenographische Gesellschaft Gabelsberger, den deutschen Senefelder-Bund. Das Denkmal stellt den Erfinder sitzend dar, eine kleine Steinplatte in der einen, den Bleistift oder Griffel in der andern Hand. Aus dem ernsten, fast vergrämt erscheinenden Gesicht leuchtet zielbewusstes, vor keiner Mühe sich scheuendes Streben. Der bei der Feier anwesende Künstler, Herr Bildhauer Pohle, hat dem Erfinder keine heroische Erscheinung gegeben, sondern den Gesammt-Eindruck eines schlichten, nur seiner Kunst lebenden Arbeiters zu schaffen gesucht. Rings um den Sockel gruppirte Putten veranschaulichen das Wesen der bedeutsamen Erfindung in naiv-verständlicher Weise dadurch, dass der von einem der kleinen Lithographen soeben beendeten Inschrift n9bI9%9n92 von einem andern ein Spiegel gegenübergehalten wird. Einschränkung der Erzeugung. Es ist schon so oft und so vielfach die Frage über die Art der Konventionen und über die Mittel, welche eine dauernde Besserung der Preise für die Lage des Papiermarktes herbeiführen können, erörtert worden, dass noch kaum etwas Neues darüber gesagt werden kann. Dessenungeachtet will ich versuchen, an der Hand von Beispielen klar zulegen, welche Erfolge ein in unserer Fabrik eingeführtes Prinzip ge zeitigt hat, in der Hoffnung, dass sich etliche Fabrikanten ohne Zwang und nur lediglich ihrem eigenen Ermessen nach, dieses System zu Nutze machen werden. Vor allen Dingen will ich hervorheben, dass blosse Preiskonventionen bisher fast immer nur zu Hintergehungen von der einen oder anderen Seite geführt und schliesslich nach Aufhebung der Einigung einen raschen Preissturz herbeigeführt haben. Der entschieden einfachste Erfolg liegt bei der heute nachweislich vorhandenen üeberproduktion, nicht in dem gemeinsamen Vorgehen bezüglich des Höherhaltens der Preise, sondern lediglich in eh r Einschränkung der Erzeugung. Wir haben mit diesem Prinzip, ohne Anschluss oder sonstige Vereinbarung mit naheliegenden Fabriken, begonnen und nach kurzer Zeit eine befriedigende Lösung der uns gestellten Aufgabe gefunden. Ich nehme nun an, dass der grössere Theil der Fabriken, gerade wie bei uns, für die Hälfte der Produktion zu einigermaassen lohnenden Preisen Absatz findet, weil ja jeder Fabrikant einen gewissen Stamm von Abnehmern hat und nur darauf angewiesen ist, das über das natür liche Absatzgebiet erzeugte Mehrquantum auf dem Weltmarkt unterzu bringen. Wenn man nun auf die grosse Produktion angewiesen ist, so geschieht dies selbstredend in der Annahme, dadurch eine Verbilligung der General-Unkosten herbeizuführen. Die Richtigkeit dieser Annahme steht wohl fest zu einer Zeit, wo die Nachfrage sehr gross ist, und die Preise einen gehörigen Nutzen lassen. Bei der seit Jahren anhaltenden schlechten Lage des Marktes ist diese Annahme aber so falsch, wie nur möglich. Der erste Fehler ist der, dass ein Fabrikant bei vollem Be triebe mit dem dazugehörigen Personal angewiesen ist, heute ausnahms los jeden Auftrag anzunehmen, nur um die Leute zu beschäftigen. Liegt heute an irgend einem Platze eine Anfrage wegen einer grösseren Menge Papier vor, so versuchen die Vertreter der betreffenden Häuser ihre Fabrikanten zu veranlassen, das Geschäft in jedem Falle zu machen, mit der Begründung, dass die Konkurrenz auch zu dem und dem Preise anbiete. Einen gewissen Ehrgeiz besitzt nun jeder Mensch, und so sagt man sich: was der Andere kann, das kann ich auch. Ich muss ja auch die Bestellung annehmen, weil ich meine Leute beschäftigen will, und sich meine General-Unkosten billiger stellen. Wir hatten bisher Tag und Nacht, Sonn- und Feiertag Beschäftigung und haben die über unser natürliches Absatzgebiet hinaus verkaufte Menge, welche ungefähr die Hälfte unserer Erzeugung betrug, keinen Pfennig unter Marktpreisen abgegeben, jedoch schliesslich keinen Pfennig, nicht einmal die Verzinsung des Kapitals, verdient. Dabei arbeiteten wir mit den denkbar günstigsten Arbeitslöhnen, Kohlenpreisen und Fracht sätzen. Demnach lag es klar auf der Hand, dass das Papier, welches wir nachts gearbeitet haben, und welches zu Marktpreisen verkauft wurde, den Schaden brachte, weil die heutigen sogenannten Marktpreise eben verderblich sind. Heute liegt die Sache für uns anders. Da wir den Betrieb nur auf den Tag beschränkt haben, werden wir die Produktion zu annehm baren Preisen spielend los und können jeden uns nicht passenden Auftrag ablehnen. Wir können sogar bei Leuten, welche seit Jahren an bestimmte Artikel von uns gewöhnt sind — fast jede Fabrik hat gewisse Spezialkunden — ruhig die Preise erhöhen, weil wir heute nicht auf alle und jede Bestellung angewiesen sind. Man könnte sich nun sagen, dass die betreffenden Kunden bei anderen Fabriken die Waare ebenso erhalten müssen. Dies ist wohl in einzelnen Fällen zu treffend, in vielen jedoch unzulänglich, weil es doch immer noch die Frage ist, ob der andere Fabrikant genau Farbe und Art des Papiers trifft. Unsere Kunden haben ihre Abnehmer an die Waare gewöhnt und können ihnen schwer etwas anderes bringen. Jetzt will ich noch die natürliche Frage erörtern, ob die Ein stellung des Nachtbetriebes für die Fabrikation nicht mit Hindernissen oder grösseren Stillständen und sonstiger Gefahr verbunden ist. Von dieser Annahme gingen wir, da wir immer nur Tag- und Nachtbetrieb hatten, auch aus, haben uns jedoch vom Gegentheil überzeugt, und bringen unsere Art und Weise, wie wir den blossen Tagbetrieb ein geführt haben, gern zur Kenntniss der Leser der Papier-Zeitung. Wir haben vor allen Dingen die Hälfte unserer Arbeiter entlassen und uns selbstredend die besten Kräfte behalten. Die Schicht beginnen wir früh um 6 Uhr und haben es zu Wege gebracht, dass unsere Arbeiter statt wie bisher 12 Stunden, jetzt 13 Stunden, also bis 7 Uhr abends arbeiten, um dadurch die Möglichkeit zu schaffen, am nächsten Morgen ohne weiteres wieder anzufangen. In der zugegebenen Stunde werden Gänge gewechselt und Formate gestellt, sowie auch die noth wendigen Reinigungen vorgenommen. Sonnabend wird die Nacht durch gearbeitet, Sonntag früh wird also aufgehört und Montag früh wieder begonnen, sodass die Leute also 7 Schichten in der Woche gearbeitet haben. Unsere Kessel, welche auf 6 Atmosphären geprüft und vor Niederlegung der Arbeit auf etwa 5 Atmosphären sinken, finden wir früh um 5 Uhr, zu welcher Stunde der Dienst des Heizers beginnt, auf 3— 31/2 Atmosphären Spannung vor, sodass für unsere etwa 300nm betragende Heizfläche nur etwa 150 kg Kohle nothwendig sind, um auf 6 Atmosphären Spannung zu kommen. Für den Arbeiter ist es