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2090 PAPIER-ZEITUNG. No. 73. des Publikums überall so gefunden und den Beweis dafür nirgends. Wenn man bedenkt, wie oft an den verschiedensten Plätzen ansteckende Krankheiten herrschen: Diphteritis, Blattern, Typhus, so müsste es doch zum Alltäglichen gehören, dass die Leute auf den Lumpenböden solchen Ansteckungen verfallen. Das ist nicht der Fall. Indess was thut es? Wir hörten vor kurzem bei einer Behörde, dass wissenschaftliche Autoritäten über die Unschädlichkeit der Lumpen die gleiche Meinung abgegeben haben, wie sie unserer Praxis entspricht. Man sagte aber gleichzeitig: Wir müssen die öffentliche Meinung respektiren, die Presse könnte Lärm schlagen, deshalb sind wir für Einfuhrverbote. Die grösste Cholerafurcht besteht in den Vereinigten Staaten, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Lumpenhandel sind eben so ungerechtfertigt wie verderblich. Die neueste Verordnung des Schatzamtes in Washington verbietet die Einfuhr von Lumpen nach dem 20. September. Es heisst zwar nur • von undesinfizirten Lumpen «, aber die amerikanische Regierung hat über Desinfektion nichts bei Zeiten verlauten lassen, so dass diese Ausnahme thatsächlich gleichgiltig ist. Dass der Termin nicht nach dem Abgangstage der Sendungen be messen ist, zeigte schon, in welcher Eile die Verordnung erlassen ist. Wahrscheinlich wird die Regierung dennoch für unverdächtige Sen dungen einen Aufschub gewähren, nachdem sich die erste Hitze der Gemüther gelegt hat, aber warum nicht vorweg den Termin nach dem Versandt bemessen? Es können Segler von Asien, aus dem Mittelmeer und der Ostsee weitaus später eingehen, ohne dass die Ladung der geringste Verdacht trifft. Die Verordnung ist um den 24. August er lassen, augenscheinlich auf die ersten Cholerafälle in Hamburg hin; die Segler gehen aber länger als 26, ja länger als 52 Tage. In einem amerikanischen Hafen ist eine Lumpensendung aus dem Innern Deutschlands angekommen, welche Hamburg am 28. Juli ver lassen hatte. Der erste verdächtige Fall in Deutschland beziehungsweise Hamburg datirt vom 17. August. Wenn die amerikanische Behörde die Zeitungi n nicht vollständig lesen wollte, so konnte sie sich durch Kabelanfrage beim Hamburger Konsul darüber vergewissern, dass die Sendung unverdächtig sei. Das hätte einige Mark gekostet. Statt dessen werden die Lumpen für gefährlich erachtet und »vorläufig bis in den November < fortgelagert, welcher Scherz dem Importeur mehrere hundert Dollar kosten kann. Wohlverstanden waren die Lumpen von einem Gesundheits-Attest begleitet, bescheinigend, dass sie in seuche freier Gegend gesammelt seien. Eine einzige deutsche Firma hat für solche Atteste seit ihrer Einführung nach der 1884er Epidemie ungefähr 20 000 M. an die amerikanischen Konsuln bezahlt. Ist es logisch und billig, diese kostspielige Form zu verlangen und sie bei erster Gelegen heit ohne einen Schein von Begründung zu ignoriren, und ist es eine Genugthuung für den Importeur, den Klageweg gegen die Lokalbehörde beschreiten zu können? Welche Früchte die amerikanische Cholerafurcht zeitigt, beweist auch der Fall des Dampfers » Polaria« in Stettin. Als die Besitzer desselben, die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt A.-G., von einem Lumpen einfuhrverbot hörten, liessen sie die in Stettin eingeladenen Lumpen, über welche Steuermannsquittung und Konossement gegeben waren, aus laden, ungeachtet einer enormen Menge anderer Güter, welche über den Lumpen lagerten, und deren Löschung und Wiedereinnahme Zeit und Geld kosteten. Den Interessenten bleibt nichts übrig, als gegen die Rhederei zu prozessiren. Aus all Diesem sehen wir, welche übertriebene Angst vor Lumpen herrscht, und deshalb glauben wir, wenn es selbst gelingen sollte, unsere frühere Idee einer internationalen Vereinbarung zu verwirklichen, dass im Ernstfälle nicht jede Regierung den Muth zeigen wird, sie voll zn respektiren. Bevor nicht allgemein bekannt ist, dass die Lumpen besser sind als ihr Ruf, wird es richtiger sein, dass der Lumpenhandel nicht auf die Innehaltung einer internationalen Vereinbarung zu seinen Gunsten rechnet, um nicht im entscheidenden Augenblick eine um so verhängniss vollere Enttäuschung zu erfahren. —e—. Fabriksbuchhaltung. — Bestellbuch. In Nr. 71, Seite 2034 wird um Aeusserung erfahrener Fachgenossen über Anlage von »Bestellbüchern« ersucht. Obschon ich noch nie an die Oeffentlichkeit trat, glaube ich doch in diesem Falle meine vieljährigen Erfahrungen zur Verfügung stellen zu sollen. Ein Auftragsbuch existirte auch früher bei uns, allein es fehlte dadurch jede Uebersicht. Besonders wenn ein Auftrag aus irgend einem Grunde älter wurde, als er gewöhnlich zu sein pflegte, war er zwischen den als erledigt gestrichenen versteckt. Dies brachte mich auf folgende Idee: Ich lasse jede eingehende Bestellung auf ein loses Blatt mit geeignetem Vordruck schreiben und fortlaufend nummeriren, bringe, nachdem diese losen Scheine durch die Hand des Magazin-Verwalters gegangen sind, jene, zu deren Erledigung noch Fabrikation erforderlich ist, in der Weise in eine Sammelmappe, dass die älteste Bestellung stets obenauf liegen bleibt. Ist ein Auftrag erledigt, so wird das Blatt heraus genommen, danach der Eintrag im Versandtbuch vorgenommen und kontrollirt. Jeder einzelne Schein, d. h. nachher jedes Blatt der Mappe, wird auch registrirt, und zwar vorwärts und rückwärts. Wenn z. B. das Blatt die Nr. 5822 trägt, von demselben Besteller aber unter Nrn. 5796 und 5810 schon Bestellungen vorliegen, so trägt Nr. 5796 folgende Bezeichnung Fol. 5796 0/5810 * „ 5810 » „ Fol. 5810 5796/5822* » 5822 » » Fol. 5822 5810/ * Die vorstehend mit * bezeichneten Nummern lasse ich, um Ver wechslungen vorzubeugen, in Blaustift anschreiben. Auf dem unten stehend abgebildeten Tabellenschema sind sie rechtsseitig in fetter Kursiv-Rundschrift angebracht. Ich habe dadurch stets, sobald ich die Mappe aufschlage, die ältesten Aufträge vor Augen und werde an deren Erledigung bei der täglich 100maligen Benutzung der Mappe immer wieder erinnert. Ver stecken kann sich auf diese Art eine Bestellung nicht, und wenn die Registratur richtig vorgenommen wird, ist auch das Uebersehen der selben unmöglich. Das Einschreiben der Aufträge grösserer Abnehmer in besondere Bücher verwarf ich nach kurzer Zeit als sehr zeitraubend und bin seit Jahren mit dem geschilderten Verfahren sehr wohl zufrieden. Zur besseren Orientirung lege ich einen von mir verwendeten Schein bei. G. S. Der mitgesandte Bestellschein hat folgenden Inhalt: Wir danken verbindlichst für die freundliche Auskunft, die hoffentlich vielen Lesern nützlich sein wird, und wollen nur den Wunsch zufügen, dass in Zukunft statt Commission Auftrag, statt Quantum Menge und statt Qualität Sorte gesagt werden möchte. Künstliches Leder. Ein Papierfabrikant schreibt uns: Beifolgend sende ich Ihnen ein Zirkular mit Muster von Herrn Friedr. Boegel in Partenstein zur gell. Durchsicht und Beurtheilung. Nach unserer Ansicht ist das beifolgende angebliche Kunstleder natürliches Leder, welches durch ein Sieb etwas faonnirt wurde. Die uns vorliegende hektographirte Zuschrift des Herrn Boegel hat folgenden Wortlaut: Künstliches Leder. Verfahren z. D. R.-Patent angemeldet. Altes Leder oder Lederabfälle werden zu Paketen geformt. Die Lederpakete werden auf einem Holzschleifapparat zerfasert. Der hier durch erhaltene faserige Lederbrei wird über eine Pappen-Maschine geleitet, wodurch man aus Lederfasern bestehende, beliebig grosse und starke Pappen erhält. Diese werden zunächst getrocknet, dann einige Tage in eine Gerbebrühe eingelegt, nach dem Herausnehmen abermals getrocknet und schliesslich geglättet. Das so hergestellte künstliche Leder unterscheidet sich von natürlichem Leder nur dadurch, dass es keine Narbenseite, hat. Herstellungspreis inkl. aller Kosten .... Verkaufspreis mindestens Absatzfähigkeit unbegrenzt. Muster und Bedingungen auf Verlangen. Partenstein, September 1892. Auch wir halten die uns vorliegende Probe für wirkliches Leder, und es wäre das glänzendste Zeugniss für die Boegel’sche Erfindung, wenn sowohl der Einsender als auch wir uns irrten, wenn die Probe künstliches, nach B.’schem Verfahren hergestelltes Leder wäre. Wir bitten um weiteren Aufschluss und werden das uns Mitgetheilte gern abdrucken. Friedr. Boegel. M. 100 pr. 100 Kilo .. 200 „ 100 „ Elektrische Bleiche. — Sulfitstoff. »The Paper Mill« theilt eine Unterredung mit dem Leiter der Manufacturers Investment Co., die in Appleton, Wisconsin, und Madison, Maine, zwei der grössten Mitscherlich-Sulfitstoff-Anlagen hat, mit. Die Gesellschaft sandte den Erbauer ihrer Anlage in Madison nach Europa, um sich über elektrisches Bleichen zu unterrichten, weil sie Mitscherlich-Stoff damit behandeln wollte. Sie kam aber zu der Ueberzeugung, dass der durch Festigkeit ausgezeichnete Stoff an dieser hervorragenden Eigenschaft durch die Bleiche Einbusse erleiden würde, gab den Plan auf, und verkauft ihren Stoff nach wie vor ungebleicht.