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No. 27. PAPIER-ZEITUNG. 765 Buchgewerbe. von Klinkhardt respektirt worden. Dem offenbaren Bedürfniss nach wechselvollen Formen konnten diese schwachen Zugeständnisse deren unsym Aus dein 1. und 3. Theil zusammengesetzte Eckstücke. charakteristisch dass Obertheil einer Randleiste. Probenblätter in Vorbereitung. gebracht, der die Ver Ausgeklinkte Voluten aus dem 1. Theil. Die fetten Linien zeigen den Verlauf der Ausklinkung. Erzeugniss meines Hauses. freien Stil« zur Welt Wendung voraussetzte. Dann wurde der Rokoko-Stil herangeholt, der sich für die Ausstattung leichter, gefälliger Erzeugnisse aber umsoweniger genügen, als der Baustil, dem jene Abbilder der Druckpresse gelegentlich besser eignet, als eine der klassischen Stilarten. Es war aber sehr schwer, die Bedingungen grosser Theilbarkeit in den Formen, die allein eine freie Gestaltungsfähigkeit gewährleistet, mit den Anforderungen der Giess- und Setz-Technik entnommen waren, wesentliche Stilkenntnisse Schriftgiesserei Gustav Reinhold BERLIN 222 . Lützowstr. 6., E Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. metrischen Gebilde des Rokoko in typographische Maassverhältnisse zu zwingen und gleichzeitig schmiegsames Begleit-Material zu erfinden, wie es diesem Stil eigen ist, schien unmöglich. Eine neue Einfassung der Schriftgiesserei Gustav Reinhold in Berlin zeigt indess, dass es Mittel und Wege giebt, auch so freie Formen wie die des Rokoko zu verwerthen und zur Her ¬ achtung des geschlossenen Rahmens proklamirte und ", stellenweise in völlige Wildheit ausartete. Leider 6 haben die tollsten Ausschreitungen der »wilden«, nicht der »freien« Richtung zahlreiche Nachahmer liier und dort gefunden und eine gewisse Missstimmung gegen dieses ungezogene Kind auch bei Denen hervorgerufen, die dem Accidenzdruck freie Beweglichkeit von Herzen gönnen und gegen kleine Stilverstösse sonst nachsichtig zu sein pflegen. Es ist erklärlich, dass die Giessereien, deren einziges Be denken ist, ob eine Sache »geht« oder nicht, der neuen Richtung entgegenkamen, sobald sie deren Einträglichkeit für sich selbst erkannten. Wenn es auch noch nicht ge lungen ist, ein Material zu schaffen, das unter den Händen desAccidenzsetzers gefügig ist wie Wachs, so liegen doch mehrfache An läufe dazu vor, die, für den Augenblick geschaffen, dauernden Werth allerdings nicht behalten werden. Insbesondere war es die Vignette, deren Pflege in letzter Zeit wahrhaft be ängstigenden Umfang an genommen hatte, wie es überhaupt für den typo graphischen Accidenzdruck Schriftgiesserei - Neuheiten. „Rokoko“ von Gustav Reinhold in Berlin. Die typographische Accidenz-Druckkunst sitzt gewissermaassen zwischen zwei Stühlen. Von der ehrlichen Basis jeden Buch drucks, dem Viereck, hat sich ein Theil unserer heutigen Accidenzsetzer losgesagt; die ungebundene Art der lithographischen Druck-Ausstattung aber konnte noch nicht erreicht werden. Kein strebsamer Gutenbergsjünger ist gewillt, sich dem Vortritt der lithographischen Feder endgiltig zu fügen, oder eine Grenze für seine Phantasie anzuerkennen. Finger- fertige Accidenzsetzer haben unter solchem Drange .SA zu vereinen. Die unregelmässigen Ausladungen neue Ideen in der Regel zu Uebertreibungen führten. Schwalben, Sperlinge, Käfer und sonstiges leicht beschwingtes Volk fand sein Abbild auf Karten und Programmen, romantische Mühlen mit Kühen im Vordergründe waren ein beliebtes Mittel, geschäftliche Drucksachen zu verunzieren. Häufig wurden rea listische und stilvolle, plastische und Silhouett-Figuren verschieden sten Maassstabes in einer Drucksache angewendet; sogar ein Fach blatt ging darin mit schlechtestem Beispiel voran. Schon an älteren wohlgelungenen Bestrebungen einzelner Giessereien, klassische Formen in die Typographie einzuführen, liess sich erkennen, dass man dem Veränderungsbedürfniss Rechnung getragen hatte. Die Ereine Rahmenform war weder bei der ”Akanthea« von Scheiter & Giesecke, noch bei der »Germania« Stellung zusammenhängender Zierformen geeignet zu machen. Welche Wirkungen sich dabei erzielen lassen, zeigen die ein gestreuten Beispiele. Der erste Theil der Reinhold’schen Rokoko-Einfassung besteht hauptsächlich aus ungleichschenkligen Voluten, den eigentlichen Elementen dieses Stils. Der Setzer kann mit dieser Abtheilung, die zugleich das Verlängerungs-Material bietet, zahlreiche Kar tuschen- und Randformen bilden, eigenartig in der Gestalt und leicht im Satz herstellbar. Durch Zusammensetzen mehrerer Ecken entstehen ferner zierliche Schildformen in verschiedenen Grössen, die sowohl für sich jeder Drucksache zur Zier gereichen werden, als auch in Verbindung mit den grossen Stücken des zweiten Theiles lebendige Unterbrechung in ruhig gehaltene Umrahmungen