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1320 PAPIER-ZEITUNG. No. 46. hat, und es anderseits für die Entscheidung der Frage der offenkundigen Benutzung unerheblich ist, aus welchem Rechtsgrunde der Beklagte den Zeugen Mittheilungen über das Verfahren des Patentes Nr. 33 283 gemacht hat. Bei dieser Sachlage hat das Patentamt von der Erhebung des in dem klägerischen Schriftsatz vom 11. Juni 1891 angebotenen weiteren Beweises Abstand genommen. Es liegen somit die Voraussetzungen, an welche die § 10, Nr. 1 und § 2 des Patentgesetzes die Vernichtung eines Patentes knüpfen, nicht vor, und die Klage war demgemäss abzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens rechtfertigt sich aus § 30 des Patentgesetzes. 2. Im Namen des Reichs. In Sachen des Papierfabrikanten G. L. in Sch., Nichtigkeitsklägers und Berufungsklägers, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Sch. in L., wider den Professor Dr. A. M. in F. i. B., Nichtigkeitsbeklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch den Rechtsanwalt L. in L., hat das Reichsgericht, Erster Civilsenat, in der Sitzung vom 21. März 1892 für Recht erkannt: die Entscheidung des Kaiserlichen Patentamtes vom 18. Juni 1891 wird aufgehoben und das Patent Nr. 33 283 für nichtig erklärt: der Beklagte wird in die Kosten der ersten Instanz und der Berufungs instanz verurtheilt. Gründe. Der Beklagte ist Inhaber eines am 29. Mai 1884 angemeldeten Patentes Nr. 33 283. betreffend »Verfahren zum Reinigen von Papier materialien, namentlich von Zellstoff«. Das Patent war ursprünglich an A. L. in 0. ertheilt und ist von diesem auf den Beklagten über tragen. Der Kläger hat beantragt, dieses Patent wegen mangelnder Neuheit des Gegenstandes der Erfindung für nichtig zu erklären. Durch Entscheidung des Kaiserlichen Patentamtes vom 18. Juni 1891 ist, nach stattgehabter Beweisaufnahme, die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig die Berufung eingelegt und beantragt, nach dem Klageantrage zu erkennen. Der Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt. Nach erneuter Beweisaufnahme war, wie geschehen, zu erkennen. Der Entscheidung der ersten Instanz ist darin durchweg beizutreten, dass nach dem Ergebniss der von dem Kaiserlichen Patentamte ver anlassten Beweisaufnahme eine offenkundige Benutzung der Erfindung im Inlande, welche deren Neuheit zur Zeit der Anmeldung im Sinne des Gesetzes ausgeschlossen haben würde, nicht als dargethan erachtet werden kann. Als verfehlt sind auch die Ausführungen des Klägers zurückzuweisen, dass die Erfindung deshalb der Neuheit ermangele, weil der Beklagte dieselbe vor der Anmeldung in seiner eigenen Fabrik in H.-M. benutzt habe und weil die Anmeldung zur Patentirung durch A. L. erfolgt sei. Dafür, dass die Benutzung in der bezeichneten Fabrik des Beklagten, wo er wiesenerinaassen in zweckentsprechender Weise für die Geheimhaltung gesorgt war, trotzdem eine offenkundige im Sinne des Gesetzes gewesen sei, ist nichts beigebracht. In An sehung des A. L. aber, dessen Thätigkeit sich auf die Erwirkung des Patentes beschränkt zu haben scheint, ist garnicht behauptet, dass er die Erfindung seinerseits jemals benutzt habe. Dagegen konnte der Entscheidung des Kaiserlichen Patentamtes in soweit nicht beigetreten werden, als die vom Kläger unter Berufung auf das Zeugniss des Zimmermeisters G. und des Inhabers der Maschinenfabrik B. Sch. beantragte weitere Beweisaufnahme für un erheblich erachtet ist. Die hierfür maassgebend gewesene Erwägung ist wörtlich dahin gefasst: »Wenn aber auch durch die Vernehmung der fraglichen Zeugen festgestellt werden sollte, dass die zur Aus führung des Verfahrens erforderlichen Maschinen offenkundig hergestellt worden sind, so würde dies doch auf die Entscheidung des Rechtstreites Einfluss nicht ausüben können, weil der Gegenstand des Patentes ein Verfahren betrifft, dessen offenkundige Benutzung durch den Nachweis der offenkundigen Herstellung der Apparate in einer Maschinenfabrik nicht dargethan werden kann.« Diese Auffassung kann keinenfalls in der Allgemeinheit, in der sie aufgestellt ist, als zutreffend anerkannt werden. Sofern nach den bestehenden Umständen des einzelnen Falles anzunehmen ist, dass dem Sachverständigen, welchem Kenutniss von den zur Anwendung eines Verfahrens nothwendigen Einrichtungen ge geben wird, damit zugleich unzweideutig die Kenntniss des Verfahrens selbst vermittelt wird, schliesst die offenkundige Benutzung der Ein richtungen, welche eine solche Kenntniss vermittelt, die Neuheit des betreffenden Verfahrens als Gegenstand einer patentfähigen Erfindung aus. In einem solchen Falle ist eine Benutzung der Einrichtungen, wie sie im § 4, Absatz 1 des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 (Reichs gesetzblatt Seite 501) bezeichnet ist, dadurch, dass die Einrichtungen gewerbsmässig hergestellt, in Verkehr gebracht oder feilgehalten werden, von der gewerblichen Verwerthung des Verfahrens durch Mittheilung und somit von einer Benutzung dieses Verfahrens im Sinne des Gesetzes, nach Lage der thatsächlichen Verhältnisse nicht trennbar. Dabei bedarf es keiner Erörterung darüber, ob die Benutzung eines Verfahrens, das nichts Körperliches ist, durch Herstellen erfolgen könne, denn die Benutzung eines Verfahrens durch in-Verkehr-bringen und Feilhalten vollzieht sich im Verkehr fortlaufend und ist namentlich auch in An sehung des hier fraglichen Verfahrens seitens des Beklagten unstreitig durch verschiedene Licenzertheilungen gegen Entgelt bethätigt worden. Die vorbezeichnete Voraussetzung, dass die Kenntniss der herge stellten Einrichtungen, die Kenntniss des Verfahrens, dem sie dienen, in sich schliesst, ist schon nach dem Ergebniss der Beweisaufnahme . in erster Instanz unzweifelhaft gegeben. Der Zeuge, Fabrikant V., geht ausdrücklich von der Auffassung aus, dass eine dem streitigen Patente entsprechende Einrichtung »wohl nur zu dem fraglichen Reinigungs verfahren Verwendung finden konnte«. Die gleiche Auffassung ist aus den Aussagen der Fabrikanten S. und T. zu entnehmen, welche ausser dem noch anderweit bestätigen, dass die Kenntniss der Einrichtungen zugleich die Kenntniss des Verfahrens in sich Schliessen musste. S. setzt voraus, dass der Maschinenfabrikant, welcher die Einrichtungen baute, in der Lage gewesen wäre, das Verfahren Andern mitzutheilen, und in Uebereinstimmung hiermit spricht T. ausdrücklich aus, dass es den Maschinenfabrikanten, welche die Einrichtungen machten, möglich gewesen sei, die Maschine mit »ihrem dazugehörigen Verfahren« her zustellen und zu benutzen. Die Richtigkeit dieser Auffassungen wird durch die aus dem Patent nebst Zeichnungen ersichtliche Einfachheit des den Einrichtungen angepassten Verfahrens bestätigt. Uebrigens sind auch seitens des Beklagten gegen die Annahme, dass die Kenntniss der Einrichtungen die Kenntniss des Verfahrens in sich schliesse, besondere Bedenken nicht geltend gemacht. Deshalb ist in der Berufungsinstanz die vom Kläger beantragte Beweisaufnahme veranlasst worden. Der Zeuge G. hat zur Sache Er hebliches nicht bekundet. Dagegen hat der Inhaber der Fabrik B. Sch. in Z. i. W. (B.), Fabrikant Q. ausgesagt, er habe nach den ihm durch einen Ingenieur W. zugänglich gemachten Zeichnungen von den Ein richtungen und dem Verfahren, welchem dieselben dienen sollten, die erforderliche Kenntniss erhalten, um im Jahre 1881 und später für verschiedene Zellstofffabriken brauchbare, dem später erwirkten Patente entsprechende Einrichtungen herzustellen. Das habe er, wie er weiter angiebt, für Fabrikanten gethan, welche anscheinend als Licenzträger des Beklagten von dem Verfahren bereits Kenntniss hatten, er sei aber auch in der Lage gewesen, seinerseits einer Fabrik in P. in der Sch. gegenüber sich zur Herstellung der für das Verfahren erforderlichen Einrichtungen zu erbieten. Das habe er unternommen, obgleich ihm bekannt gewesen sei, dass die Fabrik der Kostenersparniss wegen eine Licenz seitens des Beklagten nicht erwirkt habe. Der Direktor der Fabrik in P. sei dann, wie der Zeuge weiter darstellt, nach Z. i. W. herübergekommen, habe hier durch Einsicht der ihm vorgelegten Zeichnungen von dem Verfahren Kenntniss genommen und darauf die erforderlichen Einrichtungen bestellt, deren Anfertigung in der Fabrik in Z. derart bewirkt sei, dass die Ablieferung zur Uebermittelung nach P. am 30. November 1883 habe ausgeführt werden können. Zufolge dieser Aussage ist als erwiesen angenommen, dass jedenfalls der Fabrik in P. gegenüber das Verfahren selbst vor der Anmeldung vom 29. Mai 1884 in der Fabrik in Z., also im Inlande, in Verkehr gebracht und feilgehalten, also im Sinne des Gesetzes benutzt worden ist. Auch dass die festgestellte Benutzung derart offenkundig erfolgt sei, dass danach die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint, ist nach Aussage des Zeugen Q. als erwiesen angenommen. Derselbe scheint allerdings gewusst zu haben, dass das Verfahren ein Geheimniss des Beklagten sei, er scheint ferner, abgesehen von seinem Verhalten dem Direktor der Fabrik in P. gegenüber, von dem Bestreben geleitet gewesen zu sein, das Geheimniss zu bewahren, auch in die Angestellten seiner Fabrik und in die dort beschäftigten Arbeiter das Vertrauen gesetzt zu haben, dass sie das Geheimniss nicht verrathen würden. Q. hat aber ausdrücklich angegeben, dass er in keiner Weise Vorkehrungen getroffen habe, um die Bewahrung des Geheimnisses zu sichern. Die Herstellung der hier in Betracht kommenden Einrichtungen ist ersichtlich in dem gewöhnlichen Betriebe der Maschinenfabrik erfolgt. Nach der Art dieses Betriebes hätten zwar, wie Q. meint, seine Arbeiter von den Einrichtungen in ihrem Zusammenhänge und dem dazu gehörigen Verfahren kaum Kenntniss gewinnen können, er stellt es aber selbst als unzweifelhaft hin, dass sein Zeichner allerdings in die Lage versetzt worden sei, die Einrichtungen und das Verfahren zu benutzen. Daraus folgt dann mit Nothwendigkeit, dass auch andere Sachverständige durch Einsicht in den Betrieb in die gleiche Lage versetzt worden wären. Darauf, ob der Zeichner und eventuell andere Sachverständige die an sich für sie gegeben gewesene Möglichkeit der Benutzung der Er findung auch thatsächlich verwerthet haben, kommt es nicht an. Das Gesetz spricht nach seinem klaren Wortlaut einer Erfindung die Neuheit schon dann ab, wenn dieselbe im Inlande bereits so offenkundig benutzt ist, dass danach die Benutzung durch andere Sachverständige mö luh erscheint. Das aber ist nach dem Ergebniss der Beweis aufnahme dargethan. Hiernach war das angefochtene Patent gemäss §§ 2 und 10, Nr. 1 des Gesetzes vom 25. Mai 1877 für nichtig zu erklären. Dem Beklagten als unterliegenden Theil waren auch die Kosten aufzuerlegen. Die getroffene Entscheidung ist lediglich durch die Feststellungen bezüglich der innerhalb der B. Sch.’schen Fabrik in Z. i. W. statt gehabten und zur Herbeiführung einer Wirkung im Inlande an sich geeigneten Vorgänge gerechtfertigt. Deshalb konnten die sämmtlichen Ausführungen des Beklagten über das Verhalten des erwähnten Ingenieurs W. in der vorliegenden Angelegenheit und darüber, dass die Mittheilung des Gegenstandes der Erfindung an den Direktor der Fabrik in I’. nur zum Zwecke einer Verwerthung im Auslande erfolgt sei, sowie ferner, dass über die etwaige Art der Ausnutzung des Mit- getheilten nichts festgestellt sei, als für die Entscheidung des gegen wärtigen Rechtsstreites bedeutungslos äusser Betracht bleiben.