Volltext Seite (XML)
1147 Normalpapier. Düren, 14. Mai 1892. Den in Nr. 38 Ihrer geschätzten Zeitung zu dem Artikel »Normal papier« gemachten Aeusserungen gestatten Sie uns, wohl mit dem er gebenen Hinweis entgegenzutreten, dass es dem »kleinsten Händler« doch wohl so ohne weiteres kaum möglich sein wird, die Normalpapiere mit seiner Firma als Wasserzeichen versehen zu lassen. Hierzu gehören mal zunächst die 7 eigenen Drahtwalzen und ausserdem die jedesmalige Bestellung von 500 bis 600 kg oder etwa 40 bis 50000 Bogen einer jeden der betreffenden Sorten. Dies dürfte dem Kleinen wohl etwas viel sein. Aber selbst, wenn das nicht wäre, so ist auch er ein Ehrenmann und hat sein Recht auf Arbeit in gleichem Maasse, wie der grosse Fabrikant. Wir sind bezüglich der Vorschriften der Königlich Preussischen Re gierung von zu schwarz weisser Färbung, um anzunehmen, dass sie bewusst Maassregeln ergreift, die dieses Hecht auch nur um eines Haares Breite verkürzen und in ihrem Erfolge darauf hinauslaufen könnten, den Händler zu verhindern, seine Waare an Behörden zu ver kaufen. Zum mindesten müsste eine dies bewirkende Maassregel aufs Eigenthümlichste berühren, und bei dem Bewusstsein, dass es jedem un bescholtenen Staatsbürger innerhalb der Schranken von Gesetz und Moral gestattet ist, sein Gewerbe nach freiem Ermessen und eigenen Entschlüssen zu betreiben, das Gefühl erwecken, als spüre man einen Verstoss gegen den vornehmsten Grundsatz der Gewerbeordnung. Wenn auch die Staats-Regierung berechtigt ist, für die Lieferung ihres Papier bedarfs Vorschriften zu machen, die sie für gut befindet, so ist die Ausübung dieses Rechtes doch an höhere Gesichtspunkte und vor allem an die Voraussetzung geknüpft, dass Niemandem unnöthigerweise dauernder Schaden erwachse. Wo Recht ist, sind auch Verpflichtungen. Der Zweck des Wasserzeichens ist der, den Königlichen Behörden als äusserlich erkennbarer Beweis dafür zu dienen, dass diejenigen Vorschriften, auf die es einzig und allein hier ankommt, erfüllt sind. Diese Vorschriften sind erfüllt, sobald die hierfür eingesetzte Prüfungs kommission die mit klassifizirendem Wasserzeichen versehenen Papiere geprüft, die Verwendungsklasse anerkannt und amtliches Zeugniss hierüber ertheilt hat. Weiterer Maassnahmen bedarf es nicht, und alles andere ist überflüssig und vom Uebel. Da wir überflüssigen Maassnahmen der Regierung bisheran nirgendwo begegnet sind, so glauben wir auch heute nicht daran, und deshalb erscheint uns der Wortlaut des § 2 nur als erklärlicher Zufall, frei von der ihm zuge- schriebenen Tendenz, also auch frei von der Absicht, eine schädliche Wirkung nach irgendwelcher Richtung hin auszuüben. Wäre es anders, so müsste auch § 3 entsprechend lauten und eine Verfügung erlassen sein, laut welcher die Königliche Mechanisch-technische Versuchsanstalt zu Charlottenburg sich auch der Prüfung der einzelnen Firmen auf die entsprechenden Eigenschaften zu unterziehen hätte. Wer ist überhaupt der Erzeuger einer Waare? Nur Derjenige, der sie macht? oder kann auch Derjenige als solcher gelten, der ihre Geburt veranlasste? Wir glauben nicht, dass die Behörden Interesse daran haben, diese Fragen nur im technischen Sinne zu beantworten und auf diese Weise dazu beizutragen, dass eine staatliche Verfügung auf Kosten preussischer steuerzahlender Staatsbürger zu Gunsten äusser- preussischer, ja unter Umständen auch ausserdeutscher Fabrikanten aus gelegt und angewendet werden könnte. Wenn die Papier-Zeitung im Zusammenhang mit dieser Angelegen heit dem deutschen Papierhandel den Vorwurf falscher Bezeichnungen seiner Waare nicht ersparen zu können glaubt, so mögen sich die Be troffenen deswegen mit ihr abfinden. Wir führen nur solche Sorten, deren intellektuelle Urheber wir selbst sind, und sind seit jeher gewohnt, sie nur mit eignem Schild zu decken, ein Merkmal, welches unsere Waare noch nie und nirgendwo zum Nachtheil unseres Rufes von der jenigen eines Fabrikanten unterschieden hat. »Labor improbus omnia vincit. « Und wenn Ihr geschätztes Blatt zum Schluss mit Stolz auf die gewerblichen Erzeugnisse «leutscher Kraft und deutschen Fleisses hin weist, so berechtigt zu gleich erhabenem Gefühle unseres Erachtens auch der deutsche Handel, der straffer noch wie die Erzeugung seine dichten Netze um den Erdball spannt. Carl Schleicher & Schüll. Dem Erlass der Vorschrift, wonach Normalpapiere das Wasser zeichen des Erzeugers enthalten müssen, ging eine Besprechung in der Papierprüfungs-Anstalt voraus, welcher sowohl Fabrikanten wie Händler anwohnten und wobei die vorstehend entwickelten Gesichtspunkte ausführlich geltend gemacht wurden. Die Be hörden scheinen demnach keine genügende Bürgschaft für Ein haltung der Vorschriften darin zu finden, dass der Lieferant im stande ist, einige Siebwalzen mit Wasserzeichen anzuschaffen und mindestens 5—600 kg von einer Sorte zu bestellen. Der deutsche Handel hat allerdings vollen Anspruch auf Pflege und Hochachtung. Er hat in schweren Zeiten durch die Hansa das Deutschthum hochgehalten und thut es noch in vollem Maasse. Ob aber deshalb der Handel berechtigt ist, die Er zeugnisse der Gewerbe als eigene auszugeben darüber herr schen verschiedene Ansichten. Die s. Z. mitberathenden Händler vertraten die oben von Herren Schleicher & Schüll entwickelte Anschauung, die Fabrikanten aber die entgegengesetzte. D. Red. Nach Niederschrift vorstehender Zeilen erhielten wir folgende Zu schrift, welche noch näher aufdie Sache eingeht unddie Gründe erklärt, Welche zum Erlass der angegriffenen Vorschrift geführt haben werden. Berg.-Gladbach, 14. Mai 1892. stellen, bin ich nicht in der Lage. J. W. Zanders. Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie meine hierbei folgende Antwort auf den Brief eines Grosshändlers, gleichzeitigen Besitzers einer Papierfabrik, der wegen Anfertigung von Normalpapieren mit seinem Wasserzeichen bei mir angefragt hatte, in Ihrem Blatte ver wenden wollten. Den Brief des Grosshändlers Ihnen zur Verfügung zu B.-Gladbach, 12. Mai 1892. In höflicher Beantwortung Ihres Briefes vom .... ist der dem §2der »Vorschriften« zu Grunde liegende Gedanke offenbar der folgende: Derjenige, welcher die Stoffmischung bestimmt und die Verarbeitung auf der Maschine überwacht, also der Erzeuger des Papieres, soll da durch, dass er seinen eigenen Namen sammt «lern Klassenzeichen in unabänderlicher Weise während der Fabrikation in das Papier einprägt, mit seiner eigenen Person und Firma Garantie dafür leisten, dass die Normalpapiere den von der Behörde festgestellten Bedingungen ent sprechen. Diese Garantie des Erzeugers ist die denkbar grösste, welche die Behörde sich verschaffen kann, denn kein Papierfabrikant, und sollte er persönlich auch mit dem wenig anständigen Uebel, gern Unterschleif zu machen und geringere Waare für bessere zu liefern, behaftet sein, wird so unklug sein, dass er durch minderwerthige Lieferung den Namen seiner Firma direkt schädigt, und womöglich es zu Wege bringt, dass die Behörden gegen Papiere mit seinem Wasserzeichen misstrauisch werden und dieselben schliesslich nicht mehr annehmen. Eine solche Garantie kann der Händler in keiner Weise bieten. Dieser bietet höchstens eine indirekte Garantie; er könnte der Behörde durch sein Wasserzeichen nur das bescheinigen: »Ich, X. Y., habe einen (oder mehrere) Fabrikanten ersucht, mir Normalpapiere herzustellen; ich habe diese Papiere hin und wieder untersucht, und da ich ge funden habe, dass die Proben normal waren, so bringe ich sie hiermit zur Ablieferung. Bei mangelhafter Lieferung komme ich für den ent standenen Schaden auf«. Diese Garantie des Händlers steht natürlich weit hinter der «les Fabrikanten zurück. In der Praxis kann der Händler sich keine genügende Gewissheit über die Beschaffenheit der W aare verschaffen, sondern er muss sich auf den Fabrikanten verlassen, wie z. B. in den häufigen Fällen, in denen der Händler von der Fabrik aus das Papier seinem Abnehmer (Drucker, Behörde usw. 1 direkt, und ohne es gesehen zu haben, zugehen lässt. Mit demselben Recht, mit «lern der Grosshändler erklärt: »Ich rechne mich zu den Firmen, welche die geforderte Bürgschaft über nehmen können«, kann auch der kleinere Händler sich für einen solchen Bürgen halten; wo ist da die Grenze zwischen den Händlern? Fassen wir aber einmal die Kehrseite ins Auge: Wenn der gewis senlose Fabrikant minderwerthige Normalpapiere fabrizirt, wird nicht der gewissenlose Händler minderwerthige Normalpapiere — nachdem er einen recht billigen Preis dafür bezahlt hat als gute unterzu bringen suchen? Und wird der gewissenlose Fabrikant schlechte Waare nicht lieber mit einem fremden, als mit dem eigenen Wasserzeichen herstellen? Und wird nicht jeder Fabrikant, wenn er im Auftrage einer anderen Firma arbeitet, bestrebt und genöthigt sein — dafür wird der vom Händler limitirte Preis schon sorgen — bis an die unterste Grenze der Normalien zu gehen, während er, um das Ansehen seiner - eigenen Firma zu heben, bei Papieren mit seinem Wasserzeichen möglichst hoch über die Anforderung hinausgehen wird? Sie sehen, «las Staatsministe rium hat sehr weise gehandelt, als es die Garantie des Erzeugers forderte. Eine Firma, die gleichzeitig Händler und Fabrikant ist, ist selbst verständlich als Händler zu betrachten, wenn sie fremdes Fabrikat liefert: es ist deswegen ausgeschlossen, dass Sie ein Normalpapier mit Ihrer Firma, welches nicht über Ihre Maschine gelaufen ist, an eine Behörde liefern dürfen. Selbst in Ausnahmefällen und zur Aushilfe dürfen Sie Normalpapiere für Behörden nicht auswärts arbeiten lassen: wenn das erlaubt wäre, wo ist dann wieder die Grenze zu ziehen? Würde das nicht in vielen Fällen dazu führen, dass ein Händler, der gleicherzeit eine Fabrik hat, nur die für seine Maschine passenden Sorten arbeitet, und die nicht passenden regelmässig anderweitig her stellen liesse? Und schliesslich würde dieser Händler-Fabrikant wo möglich keine einzige Sorte mehr selbst arbeiten und bei 3 oder 4 Fabrikanten seine Egoutteure stehen haben. Wo bleibt da die Garantie, welche die Regierung haben will? Wenn Sie etwa glauben, dass der Verfasser des Artikels »Normal papier« in Nr. 36 der Papier-Zeitung der Papier-Industrie keinen Dienst geleistet hat, weil jetzt, wie die Herren Carl Schleicher & Schüll sagen, »ein Fabrikantenring mit Erzeuger-Monopölchen« droht, so kann ich Ihnen nicht beistimmen. Der Artikel hat nichts bezweckt, als die Absicht der Regierung bezüglich der Normalpapiere deutlich zum Ausdruck zu bringen: und da die Absicht darin besteht, ein gut zu sammengesetztes und verarbeitetes Papier, unter möglichster Garantie des Erzeugers, zu erhalten, so ist der Papier - Industrie durch den Artikel ein grosser Dienst erwiesen worden; denn es unterliegt doch keinem Zweifel, dass wir der Regierung zum grössten Dank dafür ver pflichtet sind, dass sie den immer zum Schlechteren und Billigeren drängenden Wettlauf aufgehalten, und die Kunst des Fabrizirens neu belebt hat. Ferner erweist der Artikel der Gesammtheit der Fabrikanten da durch einen Dienst, dass er die Manchen beunruhigende Frage: »Sollst du dem Papierhändler Soundso, der dir (nur aushilfsweise, da seine