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No. 28. PAPIER-ZEITUNG. 793 mit Kalkwasser: kalt keine Aenderung: heiss dunkelgelb: geringe Fällung. » Ammoniak: kalt dunkelgelb, heiss röthlichbraun. » Kalkmilch: kalt gelb, heiss röthlichgelb. » konzentrirter Salzsäure: kalt dunkelweingelb, gekocht schwarzbraun. » konzentrirter Salpetersäure: kalt bräunlich; erhitzt geht die Lösung aus Roth in Dunkelrothbraun bis fast Schwarz über. » Chlorwasser: etwas intensivere Gelbfärbung. » verdünnter Schwefelsäure: kalt keine Aenderung, erhitzt hellbraun. » konzentrirter Schwefelsäure: Gipsfällung, hellbraun, bei grösserem Zusatz dunkler, endlich fast schwarz. Viele Proben gaben aucli Kalk-Niederschläge; ich habe die selben jedoch, da sie nicht wesentlich sind, nicht überall be sonders erwähnt. Indem ich vor allen Dingen betone, dass der wissenschaftlich untersuchende Chemiker sich nicht gern auf Proben, die nur mit Probirgläs’chen angestellt sind, sowie auf die oft nur wenig verläss lichen Untersuchungen mittels des Geruchs-Organes einlässt, weise ich darauf hin, dass meine oben zitirte Abhandlung sich nur auf quantitative Analysen und die dadurch gefundenen Zahlen stützt. Wenn ich hier dennoch auf diesen Versuch eingehe, so thue ich dies nur, weil ich jeder Anregung in dieser Frage dank bare Aufmerksamkeit schenke. Alle Proben, sowie auch die ursprüngliche Lauge zeigen oft einen sehr eigenthümlichen und nicht immer näher beschreibbaren Geruch. Derselbe ist bei den mit alkalischen Flüssigkeiten ver setzten Proben anders als bei den mit Säuren behandelten, und unter den letzteren riecht die mit Salpetersäure versetzte Lauge wieder ganz anders, als diejenige mit Salz- und Schwefelsäure. Letztere beiden lassen, das gebe ich zu, einen Geruch erkennen, welcher eine gewisse Aehnlichkeit mit dem einer übergaren Kochung besitzt, und dieser Umstand mag Herrn Nemethy auch zu seiner Ansicht geführt haben. Dies ist aber, wie aus meinen obigen Auseinandersetzungen hervorgeht, auch der einzige Beweis für seine Anschauung, und da die Geruchsorgane des Menschen, namentlich des modernen Kulturmenschen zu unverlässlich sind, und man auf diese Weise oft zu sehr irrthümlichen Schlussfolgerungen kommen kann, so ist dies als ein sehr mangelhafter Beweis zu betrachten dafür, dass die übergare Kochung auf eine Bildung von Schwefeltrioxyd, also auf eine Oxydation der schwefligen Säure zurückzuführen ist. Für meine Ansicht sprechen aber ganz andere Gründe, unter anderem vor allem die sich gleich bleibende Menge an Schwefel trioxyd in der Lauge, welches ja niemals frei in der Lauge enthalten sein kann, sondern an Kalk gebunden sein muss, ferner die Aus fällung von Calciumsulfit und nicht -sulfat durch den Umschlag und endlich, was am allerwichtigsten ist, die Ausfällung von Schwefel, welche unbedingt auf Reduktion und nicht auf Oxyda tion hinweist, ein Moment, auf welches ich bei meiner grossen Abhandlung (Siehe Kochung Nr. 18) auch schon deutlich aufmerk sam gemacht habe. Herr Nemethy behauptet ferner, dass ein Ueberkochen erst dann eintritt, wenn die Lauge kein Calciumsulfit mehr enthält. Dies ist meiner Ansicht nach durchaus irrig, denn dann müssten Kochungen mit schwefliger Säure allein stets übergar werden, was aber der bekannten Thatsache widerspricht, dass mit dem Pictet-Bre- laz-Verfahren ganz gut gekocht werden kann, wenn man die Temperatur nicht zu hoch treibt. Das l eberkochen tritt nicht dann ein, wenn kein Calciumsulfit mehr in der Lauge ist, sondern umgekehrt: es ist kein Sulfit mehr in der Lauge, wenn die Koch ung übergar geworden ist. Dieser letztere Satz ist richtig, er lässt sich aber nicht so ohne weiteres umkehren. Das Ueberkochen tritt vielmehr dann ein, wenn bei zu hoher Temperatur oder wenn zu lange gekocht wird, und der Kalk fällt erst infolge dieses Fehlers bei der Kochung aus. Nachdem ich die Begründung des Herrn Nemethy als irrig nachgewiesen, kann ich mir wohl eine Widerlegung seiner Schlussfolgerungen ersparen. Eine Darlegung meiner Ansichten über den Kochprozess gedenke ich in einem folgenden Artikel zu geben, welcher als ein Beitrag zur Theorie des Sulfitverfahrens zu betrachten sein wird. Ich habe mich in meiner vorjährigen Abhandlung »Chemie des Sulfitverfahrens« absichtlich davon fern gehalten, hypothetische Anschauungen zu erörtern, für welche ich nicht den vollgiltigen Beweis erbringen konnte und habe mich damals nur auf Anfüh rung der nackten Thatsachen und der dadurch bewiesenen Schlüsse beschränkt. Die jetzige Erörterung aber zwingt mich, meine Ansicht über den ganzen Sulfitprozess, für welche ich auch noch sehr werthvolle Beweise zu erbringen in der Lage bin, jetzt dennoch bereits der Oeffentlichkeit zu übergeben, da ich erstens Werth darauf lege, dass diese Frage nach und nach geklärt wird, und da ich mir zweitens die Priorität wahren will. In dem erwähnten Artikel über die Theorie des Sulfitverfahrens werde ich darlegen oder wenigstens darzulegen versuchen, dass der Sulfitkochungsprozess seiner Hauptsache nach ein Reduktions vorgang ist, dass ein grosser Theil des Schwefels nicht als Schwefeltrioxyd, sondern wahrscheinlich in Verbindung mit irgend einer organischen Säure an den Kalk gebunden in der Lauge vorhanden ist, und dass ein anderer Theil des Schwefels sogar als solcher (nicht mit Sauerstoff verbunden) darin enthalten ist und durch Salzsäure beispielsweise aus derselben ausgeschieden werden kann. Diese hier nur in kurzen Worten niedergelegten Anschau ungen habe ich bereits im Juni 1890 gelegentlich meines Besuches bei Herrn Dr. Adolf Frank in Charlottenburg demselben ange deutet; ich hoffe, der genannte Herr wird, wenn nöthig, nicht anstehen, mir die Priorität für diese Ansicht zu bezeugen. Herr Dr. Bock hat, jedenfalls in Folge meiner Veröffentlichun gen, in sehr scharfsinniger Weise bereits in Nr. 20 in kurzen Worten eine ähnliche Ansicht geäussert, aber dabei die Einwirkung der schwefligen Säure auf den Stoff mit der Einwirkung der Natronlauge beim Natronverfahren verglichen, ein Vergleich, dessen Berechtigung mir etwas fraglich erscheint, indem die bei den hier genannten Reagentien so grundverschieden sind, dass ich mir auch ihre Einwirkung auf das Holz nicht anders als vollständig verschieden vorstellen kann. Der Leser wird mir aber Recht geben, wenn ich sage, dass wir sehr zufrieden sein wollen, wenn einmal der eine dieser beiden Prozesse in jeder Hinsicht vollständig erklärt ist. Chemiker August Harpf. — Verantwortung für Unfälle. In einer Charlottenburger Luxuspapierfabrik wurde ein Arbeiter, der im Verein mit dem Transmissionsaufseher der Fabrik während des Ganges der Welle einen geflickten Transmissionsriemen auf legen wollte, vom Riemen erfasst, an die Welle gezogen und, da er in seiner Angst den Riemen nicht losliess, mehrmals herum geschleudert. Als man ihm zu Hilfe kam, fand man, dass das linke Bein vollständig zerschmettert, das rechte Bein gebrochen und der rechte Arm schwer verletzt waren. Der Verunglückte wurde sofort in das Elisabeth-Krankenhaus in Berlin gebracht, wo er, trotz sorgfältiger Pflege, nach etwa 14 Tagen an Blutvergiftung starb. Die Mitschuld an diesem bedauerlichen Unfall wurde dem seit acht Jahren in der Fabrik thätigen Transmissionsaufseher beigemessen. Er wurde wegen fahrlässiger Tödtung angeklagt und von der 11. Strafkammer des Landgerichts II, Berlin, unter Auferlegung der Kosten des Verfahrens zu einem Monat Gefäng- niss verurtheilt. Der Urtheilsbegründung entnehmen wir Folgendes: »Nach dem Gutachten der Aerzte, welche die Leiche geöffnet haben, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der eingetretene Tod eine Folge der durch den Unfall erlittenen Verletzung gewesen ist, und dass auch nicht etwa eine Mitschuld der Aerzte vorliegt, welche den Verstorbenen während seiner Krankheit behandelt haben. Der Angeklagte verneint auch nicht den Kausalzusammen hang zwischen dem Tode des Arbeiters und den Körperver letzungen, welche diesem bei dem der Anklage zu Grunde liegenden Vorfälle zugefügt worden sind. Er macht vielmehr geltend, ein mal, dass der Verstorbene sich diese schweren Beschädigungen durch eigene Schuld zugezogen habe, und sodann, dass er, der Ange klagte, eine Fahrlässigkeit nicht begangen habe. In erster Hinsicht ist allerdings zugegeben, dass ohne eine gewisse eigene Fahrlässigkeit oder eine unwillkürliche Handlung des Verletzten der Unfall nicht eingetreten wäre. Hätte er insbeson dere den Riemen rechtzeitig losgelassen, so wäre seine Körperver letzung und somit auch sein Tod aus diesem Anlasse nicht eingetreten. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass das Gesetz gerade auch gegen solche Geschehnisse, die bei der peinlichsten Aufmerk samkeit des nachmals Beschädigten und dem Fernbleiben aller unglücklichen Zufälligkeiten zwar vermeidbar sind, bei irgend einer Störung in diesen Beziehungen aber eintreten, Schutz be absichtigt, und dass deshalb die Fahrlässigkeit des Getödteten selbst nicht im Stande ist, die Strafbarkeit desjenigen, der durch