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PAPIER-ZEITUNG. 1029 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme: Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Wie kann man die Setzleistung vergrössern? Je mehr das Druckgewerbe in den Grossbetrieb ausläuft, je grösseren Umfang die Zeitungen annehmen und je öfter sie er scheinen, je schneller man bändereiche Werke auf den Markt zu werfen sucht, desto mehr bricht sich der Wunsch Bahn, dass das heutige System, glatten Schriftsatz herzustellen, eine Aenderung erfahren möchte. Das Bestreben, die Tagesleistung des Setzers zu erhöhen, ist nicht neu; alle Setzmaschinen bis auf den heutigen Tag sind ein Ausfluss dieses Gedankens gewesen, man war sich jedoch über das Erreichbare, das Ziel einer Reform, nicht klar, und ist es heute noch nicht. Es ist bemerkenswerth, dass man stets darauf gesonnen hat, hier, in England und im freien Amerika, die Arbeit des Setzers durch kunstvolle Apparate zu verrichten, dass jeder neue derartige Versuch als eine neue Kriegserklärung an den Setzer aufgefasst wurde, und dass der so nahe liegende Mittelweg, diesem die Hand griffe zu erleichtern und ihn hierdurch zu grösseren Satzleistungen anzuspornen, nicht nachdrücklicher verfolgt wurde, als dies ge- schehen ist. Das mag an den überall scharf zugespitzten Arbeiter- und Lohnverhältnissen liegen. Für den Druckereibesitzer, ob er nun der Verleger eines Kreisblattes in irgend einem Winkel Deutsch lands ist, oder ob er als Herausgeber eines grossen amerikanischen »Newspaper ein mehr als fürstliches Einkommen hat und Bericht erstatter um die halbe Erde schicken kann, ist das Interesse an einer Beschleunigung des Setzens erst dann vorhanden, wenn damit eine entsprechende Herabsetzung der Herstellungskosten verbunden ist. Eine solche aber würde bei der wohl überall ein geführten Berechnung des glatten Satzes nach der Zahl der Buch staben, namentlich bei der Alphabetberechnung, für den Einzelnen nicht ohne aufregende Kämpfe, wahrscheinlich garnicht zu erzielen gewesen sein. Da nun solcherart die aus irgend einer Setz- Erleichterung hervorgehenden Vortheile einzig Denen zu Gute ge kommen sein würden, die nichts dazu beigetragen hätten, so fiel damit ein Hauptgrund fort, sich mit dieser Seite der angezogenen Frage eingehender zu beschäftigen. Anders verhält es sich mit reiner Setz maschinenarbeit. Dass die hieraus entstehenden Vortheile den Setzern allein überlassen bleiben könnten, ist völlig ausgeschlossen. Eine Setzmaschine hat nur dann Lebensberechtigung, wenn sie gestattet, einen billigeren Tarif einzuführen, bei welchem trotzdem der Setzer sich besser steht als bei Handarbeit. Die amerikanischen Setzer sind auf einen niedrigeren Tarif für Setzmaschinenarbeit ohne weiteres eingegangen. Unter den Verhältnissen, wie sie in deutschsprechenden Ländern herrschen, wo ein gesunder, stetiger, aber kleiner Fortschritt (gegenüber den geschäftlichen Extremen des Dollarlandes) weit- schweifigen, kostspieligen Projekten nicht zugethan ist, muss jeder Versuch einer Reform unter möglichster Berücksichtigung des Be stehenden geschehen, wenn er nicht von vornherein misstrauisch aufgenommen werden soll. Wenn es mir gelänge, eine wesentliche Beschleunigung des Setzverfahrens nachzuweisen, ohne dass den Prinzipalen nennenswerthe Kosten und den Gehilfen einige Mühe entständen, wenn ich Vortheile von mindestens lOpCt. gegenüber der früheren Methode glatt auf den Tisch legen könnte, so würde dies besseren Erfolg haben, als eine Setzmaschine ihn jemals bei uns haben wird. Ich will den Versuch machen: Ein Setzer, der durchschnittlich 2000 Buchstaben in der Stunde setzt, eine nicht sehr hohe Leistung, muss mindestens 2000 mal in die Fächer des Kastens greifen, wenn er einzelne Typen vor sich hat, wie in der Antiqua, und er erspart etwa 60 Griffe, wie spätei- nachgewiesen werden soll, bei dem jetzigen Ligaturen-System der Fraktur. Diese Ligaturen sind, wie man weiss, in früheren Zeiten zur Vermeidung des Sichstossens der Köpfe entstanden und nicht im Hinblick auf die darin liegende geringe Setz-Erleichterung. Wir haben aber aus der damaligen, heute nicht mehr bestehenden Noth- Wendigkeit allmälig ein Gebot gemacht, indem wir fl, ft, ll usw. >n der Fraktur als zusammengehörig, gewissermaassen als eine Type betrachten, wenn sie in einer Silbe oder in einem Stamm vor- kommen, wie bei flau, steil usw., dagegen einzelne Typen anwenden bei Nuf lauf, heil los und ähnlichen Wortverbindungen. Es würde uns zunächst fremdartig vorkommen, wenn wir von diesem Brauch abgehen und, was infolge weiteren inneren Abstandes der getrennten Typen erkennbar ist, durchweg einzelne Buchstaben verwenden wollten. Besonders bei cf und ch würde man nicht mehr auf die ursprünglichen Theile der nunmehrigen Einheitstype zurückgehen können, ebensowenig bei B und t; an eine Trennung von ff fl fi ft ff fi (1 dagegen würde man sich wohl leicht gewöhnen, wenn dafür andere Ligaturen gefunden werden könnten, die unserm Zwecke besser entsprächen. Die Gewöhnung des Auges an diese Ligaturen würde für sich allein kein entscheidendes Moment mehr sein, um ihretwegen auf Fortschritte in anderer Richtung zu ver zichten. Um dies zu ermitteln, habe ich in einem deutschen Satze von 6000 Buchstaben die am häufigsten vorkommenden Buchstaben- Verbindungen ausgezählt. Diese nachstehend aufgeführten Zahlen werden für die Aufstellung eines Giesszettels nicht hinreichend genau sein, dazu bedarf es einer grösseren Probe und der Er fahrung in der Praxis. Man kann aber doch daraus erkennen, wie nützlich es sein würde, au Stelle einiger unserer jetzigen Ligaturen andere einzuführen. Die eingeklammerten Ziffern be deuten die Anzahl der betreffenden Ligaturen in den bis dahin ge brauchten Giesszetteln, auf 6000 Buchstaben bezogen. In einem deutschen Satze von 6000 Buchstaben kamen vor: 228 110 82 (146) 80 64 56 36 36 34 28(54) 20(52) en er c ei un in ie on an ft fi 8(26) 8(16) 6(26) 4(16) 2 (10) 2 (10) 11 c ii ff fi fl Wir finden in vorstehender Liste so hohe Zahlen bei denjenigen Ligaturen, die wir nicht besitzen, und so niedrige bei denen, die uns im Setzkasten unnöthigen Platz fortnehmen, dass selbst Die jenigen unter uns, denen die Ligaturenfrage bisher kein besonderes Interesse abgenöthigt hat, durch diese Zusammenstellung überrascht sein werden. Da aber die Ligaturen, wie schon bemerkt, aus andern Rücksichten hervorgegangen sind, als aus denen, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, so wird selbst eine so grosse Ver schiebung, wie sie hier unter dem Maasse der Nützlichkeit zu Tage tritt, nicht weiter Wunder nehmen. Anderseits werden die An hänger der Auffassung, unsere jetzigen Ligaturen müssten in Er wägung der dadurch bedingten Setz-Erleichterung beibehalten werden, nunmehr gewahr werden, dass diese Erleichterung in Bezug auf das, was eigentlich darin hätte geschehen können, ausser ordentlich gering ist. Wenn ich annehme, dass ein Durchschnittssetzer 2000 Buch staben in der Stunde setzt, so kommen darin nach vorstehender Liste a) an bisherigen Ligaturen: c ft si ll cf ff ff fi ft 9 Verbinduiu/en 27 9 7 3 3 2 1 1 1 = 54 mal vor; b) nachstehende Ligaturen dagegen ergeben: en er ch et un in ie on cf = 9 Verbindungen wie zuvor 76 37 27 27 21 li) 12 12 3 - 231 mal. Die Zahl der Ligaturen ist in beiden Fällen gleich, nämlich 9 Stück, und dennoch hat der Setzer bei einer Einrichtung nach b Stunde für Stunde 180 Handgriffe weniger zu machen als sonst, was einen ganz bedeutenden Vorsprung gegen a ausmacht. Die Setz-Erleichterung beträgt bei a, unserer bisherigen Ein richtung, nur 2,7 °o, bei b dagegen 11,7%, ist also hier 413 mal grösser als dort, und zwar, wohlgemerkt, ohne Vergrösserung des Setzkastens und ohne Erhöhung des Schriftpreises, ohne kostspielige Maschinen und Apparate. Wenn man etwas weiter gehen und die Zeit-Ersparniss auf 13% treiben will, so kann man zu den unter b aufgeführten Ligaturen noch an, ft und fi hinzunehmen, welche drei Charaktere sich im Frakturkasten auch noch unterbringen lassen, ohne den Platz für die nothwendigen Figuren einzuengen, und ohne die für schnelles Setzen wesentliche Uebersicht zu erschweren. Die ganze f-Gruppe, sowie ff und ll können in der Fraktur ohne Schaden für das Aussehen der Schrift geopfert werden. Was hier für die Fraktur angeführt ist, gilt in gleichem Um fänge für die Antiqua. In dieser haben bisher überhaupt nur ff, fi und fl als Ligaturen bestanden, es liegt aber kein Grund vor, die übrigen vorgeschlagenen Verbindungen, da sie für das Setzen vortheilhaft sind, abzulehnen. Ich möchte noch weiter gehen und sagen: man werfe alle Accente und sonstigen Bildzeichen, die nicht auch in der Fraktur geführt werden, aus dem Antiqua- Kasten hinaus, man schaffe einen einheitlichen deutschen Kasten für beide Schriftarten.