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1384 PAPIER-ZEITUNG. sirten Fasern eben darin besteht, dass jede unwissende Person aus dem Volke sich von dem Vorhandensein der Fasern, also von derAechtheit des Papiers, ohne Mühe überzeugen kann. Man hat also in Amerika das bewährte Willcox’sche Papier ohne ersichtlichen Grund verlassen, um zuerst ein anderes anzunehmen, welches jetzt als ungenügend erklärt ist, und für dieses ein drittes einzuführen, welches aller Voraussicht nach noch weniger befriedigen wird. Die Stetigkeit und Intelligenz unserer von keinem Parteigetriebe, von keiner Interessenten-Gruppe abhängigen Staatsleitung berechtigt zu der Erwartung, dass man in Deutschland bei dem Bewährten bleiben und sich von Experimenten, wie die amerikanischen, fernhalten wird. Wiener Brief. Ende August 1885. In der Volkshalle des neuen Rathhauses ver sammelten sich am 25. August ungefähr 1500 Handelsbeflissene aller Zweige, und beschlossen »einstimmig« folgende Resolution: »Die am 25. August 1885 in der Volkshalle tagende Versammlung von Handlungskommis aller Branchen erklärt sich mit der Petition der Wiener Kaufmannschaft aus dem Grunde nicht einver standen, weil im Widerspruch mit der im Texte enthaltenen Zustimmung zu jenen Institutionen, für welche das Gesetz vom 15. März 1883 der Gehilfenschaft zur Wahrung ihrer Interessen Raum gibt, dennoch am Schlüsse, Punkt 1: die Beibe haltung der bisherigen Organisation, Punkt 5: die Belassung des Gremial-Gerichtes in seiner derma- ligen Gestaltung, erbeten wird. Die Versammlung spricht weiter ihre Unzufriedenheit über die bis herige Wirksamkeit des Gremiums, soweit die selbe die Lehrlinge und Kommis betrifft, aus und verlangt die sofortige Auflösung desselben. Die Versammlung erwartet ferner eine Aenderung der §§ 73, 120 und 123 der neuen Gewerbe ordnung im Sinne des heute bekanntgegebenen Referates und protestirt endlich gegen die Zu- theilung kaufmännischer Gehilfen zu den Ge nossenschaften." Das Gremium der Wiener Kaufmannschaft wird sich demnächst auflösen; doch nicht auf Wunsch dieser Petition, sondern auf Grund der neuen Gewerbeordnung. Punkt II der Tagesordnung war der Gründung eines österreichischen Kommis-Verbandes gewid met. Ein Herr Jung, nicht nur »Jung« mit Na men, sondern auch »jung« an Jahren, hatte das Referat. Derselbe gefiel sich besonders in Aus fällen gegen den Wiener kaufmännischen Verein, der seiner Ansicht nach Nichts leistet, und zog sogar den hochverehrten Vorstand dieses alten und geachteten Vereins, Hofrath Migerka, in seine an Phrasen strotzenden aber unwahren Aus führungen. Die Idee, einen Verband der öster reichischen Handlungs-Commis (Gehilfen? 1). R.) zu gründen, ist eine gesunde; aber die Führung muss ernsten Männern überlassen werden, nicht aber — Jungs. Dieser Herr behauptet auch, wir hätten keine kaufmännische Fachpresse! Er weiss aber nicht, dass für jeden Zweig unserer Industrie und Han dels sehr gediegene Fachblätter bestehen. Dagegen sieht er seine Kollegen in den Laufburschen, den Greislern, die am Handwagen ziehn, und möchte diese an der Handels-Akademie ausbilden, wenn sie auch vorläufig kaum lesen und schreiben können. Er behauptete auch, der Tischler, Schlosser, Schuster und Schneider behalte auch ohne Stel lung seine Würde, während der Handlungs-Kommis, der vierzehn Tage ohne Posten sei, zu den Va gabunden gezählt werde. Der Schluss der Versammlung fand ein etwas stark bewegtes Ende — doch konstatirte der Vorsitzende, dass der Antrag des Referenten, die Gründung eines österreichischen Verbandes der Handlungs-Kommis, »einstimmig« angenommen wurde. —r. Anm. d. Red. Herr Jung hatte nicht so Unrecht, als er behauptete, es gäbe keine allgemeine kaufmännische Fachpresse. Um eine solche zu schaffen, müsste man erst wis sen, wo der Kaufmann-Stand anfängt und wo er aufhört. Wenn Jeder, der gewerbsmässig kauft und verkauft, Händler, d. i. Kaufmann ist, so muss der Fabrikant wie die Hökerfrau dazu gerechnet werden! Diese verschiedenen Elemente haben aber nur wenig gemeinsame Fach interessen, bedürfen daher auch keiner gemeinsamen Fachpresse. Die handeltreibende wie die produzirende Welt hat sich auch längst nach der Art der von ihr gehandhabten bezw. erzeugten Waaren gruppirt und in diesen das Band gemeinsamer Interessen gefunden. Unfall -V ersicherung. Die versicherten Arbeiter haben durch ihre Krankenkassen-Vorstände Vertreter zu wählen, welche ihrerseits Arbeiter als Beisitzer zum Schiedsgericht und zur Begutachtung der Un fall-Verhütungs-Vorschriften wählen und an der Wahl zweier nicht ständiger Mitglieder des Reichsversicherungs-Amtes theilnehmen. Diese Wahlen müssen zum Theil vor Inkrafttreten des Gesetzes vollzogen sein und das Reichs versicherungs-Amt hat desshalb, wie die Amt lichen Nachrichten Nr. 20 sagen, schon am 15. Juli d. J. an die Bundesregierungen das Er suchen gerichtet, dieselben vornehmen zu lassen. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit daran, dass auch von den Genossenschaften zwei Ver treter als nichtständige Mitglieder ins Ver sicherungsamt zu wählen sind. Wenn sich die drei Genossenschaften des Papierfachs über eine Persönlichkeit aus ihren Kreisen einigten, so hätte dieselbe Aussicht, gewählt zu werden! Wir bitten, falls der Gedanke Beifall findet, um Vorschläge. Papierfabrikation in Amerika. In der Versammlung des Vereins von Papier fabrikanten wurde berichtet, dass die Schreib papier-Fabriken je zwei Wochen lang den Be trieb eingestellt hatten, nachdem sich 95 Pro zent der Erzeugung dem Beschluss beigetreten waren. Im Winter hatten die Fabrikanten von thierisch geleimtem Papier schon je eine Woche in drei Monaten gefeiert. Durch die Still stände ist die Erzeugung um 3 500 000 kg Pa pier vermindert worden. Die Fabrikanten von Manilla-Papier wollen .sich auf eine allgemeine Betriebseinschränkung nur im Verein mit den Umschlag- und Druck papier-Fabrikanten cinlassen, weil es zu leicht sei, von einer dieser Sorten auf die andere über zugehen. Viele Firmen hatten jedoch einzeln, ohne Verabredung, ihre Erzeugung vermindert. Die Strohpapier-Fabrikanten klagten allge mein über schlechtes verlustbringendes Geschäft, obwohl sie zum Theil die Erzeugung um mehr als die Hälfte eingeschränkt hatten. Gutes Roggenstroh wurde in New-York und Boston für $ 20 bis 25 per Tonne verkauft (auf dem Lande jedenfalls viel billiger D. Red.), und es wurde sehr bezweifelt ob die Fabrikanten 30 Dollar per Tonne für ihr Strohpapier im Durch schnitt netto erzielten! Als Mittel zur Abhilfe wurde auf die Aus fuhr nach Mexiko und Südamerika hingewiesen, wo deutsches und französisches Papier jetzt den Markt beherrsche. Herr Leach hat diese Ausdehnungen an dem berühmten Whatmann-Zeichenpapicr genau ge messen und die Ergebnisse in Diagrammen auf getragen. Er hatte die Bogen unaufgezogen in Kasten liegen und nahm von Zeit zu Zeit die nöthigen Messungen vor. In der ersten Zeit März bis September 1883 hatten einige Bogen eine kleine Zusammenziehung oder Ver kürzung bis zu etwa ein Viertel Millimeter er fahren, von da ab bis Ende Februar 1884 dehn ten sich alle neun Bogen um } bis 2 Millimeter aus. Diese Ausdehnung verminderte sich bis Ende Juni wieder um etwa drei Viertel und erreichte Ende Dezember beinahe wieder das grösste Endo Februar gehabte Maass. Mit dieser Veränderlichkeit des Papiers ha ben alle Zeichner und Drucker, Chromolitho graphische Anstalten u. s. w. umsomehr zu rechnen, da das Papier beim Aufenthalt in ver schieden warmen Räumen, durch Befeuchtung u. s. w. in höherem Grade als bei obigen Ver suchen zu Veränderungen veranlasst wird. Warnung! Hiesigen Papierhandlungen und Verkäufern von Gratulationskarten ging Ende August d. J. aus Schlesien eine Offerte für das jüdische Neujahr zu, deren Benutzung den betreffenden Interessenten sehr nachtheilig werden könnte. Das Objekt ist eine recht gelungene Nach bildung eines älteren deutschen Reichsbank scheines über 100 Mark mit eingedrucktem Glückwunsch. Auf der Rückseite der Nach ahmung befindet sich ein jüd. Kalender vom 10. September 1885 bis 29. September 1886 in hebräischen Lettern gedruckt. Erkundigung meinerseits an maassgebender Stelle bestätigte meine Meinung, dass der Ver kauf dieser Wunschblätter ebenso wie jede Verbreitung und Versendung derselben, bei An zeige streng bestraft wird. Es liegt auch auf der Hand, dass Nachahmung solcher Werth- Zeichen zu allerlei Unfug und Täuschungen ein geeignetes Mittel bietet, wesshalb ich vor An kauf und Weiterverbreitung derselben warnen möchte. Leipzig, 2. September 1885. Otto Winckler. Papierverarbeitung in England. Deutschland hat Ursache, mit den Fortschritten, welche die Industrie und besonders das Papier- fach in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, sehr zufrieden zu sein, doch dürfen wir uns der Einsicht nicht verschliessen, dass auch Eng land durch seine viel ältere und entwickelte Industrie, besonders aber durch seinen Handel in Bezug auf Massen-Vertrieb Grossartiges leistet. Wenn wir auch mit Stolz auf viele bedeutende deutsche Firmen im Papierfach verweisen können, so haben sich doch in der langen Zeit, in welcher die Engländer unbestritten die Industrie und die Meere beherrschten, in Grossbritannien zahl reiche Geschäfte von grossartigem Umfange herausgebildet. Um den mit dortigen Verhältnissen nicht vertrauten Lesern einen Begriff von der Be deutung Englands auf dein Gebiete der Papier- Verarbeitung zu geben, wollen wir nachstehend einige britische Firmen dieses Faches nebst den Zahlen der in ihren Fabriken beschäftigten Arbeiter anführen. Wir geben diese Notizen nach mündlichen Mitthcilungcn, bei denen die Arbeiterzahl nur ungefähr geschätzt ist, lund wollen auch keineswegs eine vollständige Liste aller grösseren Geschäfte dieser Art bringen, sondern begnügen uns mit den wenigen uns genannten Firmen, worden aber unsere Liste nöthigen Falles gerne berichtigen und vervoll ständigen. Thos de la Rue, London. Papier-Ausstattung-, Spielkarten-, Geschäftsbücher-, Postkarten-, Leder- waaren-, feine Albuin- etc. Fabrik, Druckerei etc. etwa 3000 bis 3500 Arb. Charles Goodall & Son, London, ähnl. Betrieb „ 800 „ Waterlow & Son, London, ähnl. Betrieb „ 600 » Waterlow Brothers & Lay ¬ ton, London, ähnl. Betr. „ 300 » Charles Skipper & East, London, ähnl. Betrieb. ,, 800 n Joseph Causton & Sons, London, ähnl. Betrieb. „ 25° » Fenner Appleton & Co. London, ähnl. Betrieb. „ 500 » Marcus Ward & Co. Bel ¬ fast, ähnlich. Betrieb. „ 1000 " William Collins Sons & Co.,Glasgow, ähnl. Btr. ,. 8oo " John Haywood , Man - ehester, ähnl. Betrieb. „ 400 "