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PAPIER-ZEITUNG. Nr 27 [2457 x®* s 9ss Vorzüge der Lateinschrift. 1. Die Lateinschrift ist zur Weltschrift ge worden. Alle Kulturvölker der Erde bedienen sich derselben oder kennen sie doch. Sie er leichtert also den geistigen wie den geschäft lichen Verkehr. 2. Sie ist, abgesehen von den nie allgemein angewandten Runen und Vulfilas gothischem Alphabet, die älteste deutsche Schrift. Aus ihrer ursprünglichen runden Form, in welcher sie unsere Altvordern, wie die übrigen Völker Euro pas, von den Römern erhielten, wurde sie im Laufe des Mittelalters durch Brechen und Ver- schnörkeln mehr und mehr in eine Eckenschrift verwandelt. Dies war aber durchaus nicht eine auf Deutschland beschränkte Eigenthümlichkeit, sondern geschah ebensowohl in Italien. Spanien, Frankreich u. s. w. In den genannten Ländern kehrte man bei steigender Geschmacksbildung zu dem ausschliesslichen Gebrauch der- ursprüng lichen einfachen Schriftzüge zurück, während man denselben in Deutschland zwar auch die Wie- deranerkennung zuletzt nicht mehr versagen konnte, dabei aber das bisher getragene L’ebel der Eckenschrift im weitesten Umfange beste hen liess, und somit freiwillig das weitere Uebel einer durch nichts gerechtfertigten graphischen Doppelwährung auf sich nahm. 3. Der Lese-, und besonders der jetzt so un gebührlich zeitraubende Schreibunterricht wird durch das Aufgeben der Eckenschrift ausser ordentlich vereinfacht. Bisher hatten und haben die deutschen Schüler acht Alphabete zu lernen (ein grosses und ein kleines, je in lateinischer und in deutscher Schrift, und diese vier wiederum im Druck) anstatt, wie in den meisten übrigen europäischen Ländern, nur vier. Durch das Aufgeben der Doppelschreibung würde im Schul unterricht viel Zeit gewonnen, die wir zum Friemen anderer Gegenstände oder zur Milde rung der Ueberbürdung unserer Schuljugend nützlicher verwenden könnten. 4. Die Handschrift wird besser, wenn nur eine Schriftgattung im Gebrauch bleibt. Beim Schreibunterricht wirkt das Einüben der spitz winkligen deutschen Schrift dem Aneignen der gerundeten lateinischen unvermeidlich entgegen, und umgekehrt. Daher gelangen die deutschen Schüler — abgesehen von der auf zweierlei Schriften zu verwendenden längeren Lernzeit seltener und jedenfalls viel später in den Besitz einer festen Handschrift, als es der Fall sein würde, wenn sie nur eine der beiden so ver- schiedenen Schriften zu üben brauchten. Jeder Sachverständige weiss ausserdem, dass Niemand die deutsche Schrift. wie sie in allen Schreib büchern vorgedruckt ist, richtig ausführen kann, ohne sich dabei zweier verschiedenen Federn zu bedienen: einer spitzen für die rund lichen Züge und einer ohne Druckanwendung schreibenden abgestumpften für die spitzen formen. Bei der Lateinschrift fällt dieser Lebelstand bekanntlich fort, und es gebührt ihr also auch in dieser Beziehung der Vorrang vor der spitzen Schrift. 5 Die gerundeten und dadurch weiten und hellten Formen der Lateinschrift sind anerkannt schöner als die eckigen, verschnörkelten und dadurch verdunkelten Formen der deutschen Buchstaben. 6. Sie sind deutlicher, können demzufolge in der Druckschrift in viel kleinerer Gestalt lesbar e igestellt werden, und finden aus diesem Grunde berits allgemein Anwendung, wo es auf Deut lichkeit uml ausserdem auf Feinheit ankommt, z - B. bei Personen- und Ortsnamen, bei In schriften auf Schildern, Münzen, Stempeln, Landkaiten u. s. w. sts Die allgemeine Einführung der Lateinschrift tosst auf keine erheblichen Schwierigkeiten, Sadiese Schrift jedem Deutschen durch den Lehulunterricht längst bekannt ist. Auch werden pereits eine grosse Anzahl Bücher und Zeit- hriften in Lateinschrift gedruckt. So er- ^bienen z. B. im 2. Halbjahr 1884 in nicht enigen Abtheilungen der deutschen Literatur qas6,- . .x berliner Konferenz von 1876 nahm den Satz „Der Uebergang von dem deutschen zu dem von fast allen Kulturvölkern angewandten la teinischen Alphabet ist zu empfehlen“ mit 10 gegen 3 Stimmen an, und die Festsetzungen dieser Konferenz bildeten bekanntlich die Grund lage zu den 1879, 1880 u. s. w. erschienenen preussischen, baierischen, sächsischen, öster reichischen Regelbüchern. Auch in dieser Rück sicht steht also unseren Bestrebungen kein Beden ken entgegen. Die Hindernisse beschränken sich lediglich auf einen missverstandenen Patriotis mus und auf die Macht der Gewohnheit. Indess, jener kann berichtigt, diese bekämpft werden. Beginnen wir nur! Bei jedem Unter nehmen erweist sich das Zaudern als gefähr lichster Feind. Wer alles von der Zeit er wartet, erreicht nichts. mehr Bücher in Lateindruck als in deutscher Schrift; z. B. in Sprachwissenschaft 163 deutsch, 390 lateinisch; Heilkunde und Naturwissen schaften 149 deutsch, 720 lateinisch. 8. Sollte man später, dem obersten Grund satze der Rechtschreibung entsprechend. ein läufige Buchstabenverbindungen wie ss ch sch und die unbequemen betüpfelten Umlaute (ä ö ü) durch einfache Zeichen ersetzen wollen, so werden sich diese leichter durch Merkmale an den grösseren und einfacheren Lateinbuch staben herstellen lassen als durch weitere Ver- zwickung der kleinen und verschnörkelten deut schen Schriftformen. Auch sind die ersteren besser geeignet, Akzent und Quantitätszeichen aufzunehmen. 9. last alle deutschen Regierungen zeigen sichder Lateinschrift geneigt. Die amtliche Berliner Kouvert-Fabrik Carl Sonnabend, Berlin C., Heiligegeiststr. 2728. Billigste Bezugsquelle für Briefumschläge jeder Art bei prompt* 1, und solider Ausfhrung. Muster auf Verlangen gratis und franko. 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