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.Du —" Und warf plötzlich die Arme um ihn. „Du hast gespielt, daß es mir fast das Herz zerriß. So sehr liebst du mich — so sehr? Deine ganze Seel« liegt wie ein Buch vor mir. So etwas also gibt es —* Er küßte ihr die Tränen aus den Augen. ' ,MSderl — so sehr lieb ich dich!* Sie flüsterte: »Und doch war viel Trauer darin, Lkbster —! Warum?* »All« große Liebe hat vielleicht Hr besonderes Weh und Herzeleid. Ich weiß nicht. Vielleicht ist es di« Furcht, das große, allzu groß« Glück zu verlieren. Aber ich hab dich ja, sch halte dich ja in den Armen, wir haben uns ja wieder gesehen und werden uns immer Wiedersehen und beieinan der bleiben. Ich habe keine Furcht mehr um dich.* Fest schloß er die Arme um sie. Eno schmiegte sie sich an ihn, das Gesicht gegen seine Brust pressend. Noch immer glückselig ungefüllt von der tiefen Innigkeit des Liedes und von dunklen Schauern» die durch ihr Blut gingen. »Mein Liebswr — mein Allerliebster — halt mich immer w festig Du! Bei dir ist Sicherheit, Ruhe, Wärm«, Frie- Verwundert fragte er: „Bei deiner Mutter nicht?* Sie antwortete nicht. Hatte st« nicht etwas anderes ge meint? Di« Unnche, Unrast, Gehetztheit und Raserei ihres Berufes, ihrer Kunst. Aber nein, nicht davon sprechen jetzt. R^t jetzt. Sie antwortete nicht und bot ihm stumm di« Lippen. Ein« Melodie irrte durch das Zimmer. „Eine Geige spielt — und «in Mädel weint, Es suchen sich zitternd zwei Seelen —* Ein Beben lief durch Iettys Gestalt. Sie klammerte sich fest an Strauß und schluchzte in bittersüßem Glück: „Meine Seele gehört ja dir — dir allein — alles will ich dir schenken — dir allein —* Rot flammte die Abendsonne über dem Wiener Wald auf, alle Wipfel in Gold und Glut tauchend. Und eine ein same Amsel probierte vor dem Fenster ihr erstes Frühlings- k«d. — 11. Kapitel. Ietty war durch den Hintereingang ihres Hauses zurück- gekehrt, den sonst nur das Personal benutzte. Noch hing der Atem einer heißen, leidenschaftlichen, verschwiegenen Stunde um sie, die sie eben mit Strauß verlebt hatte. Sie hatte ja heut« nicht so viel Zeit gehabt wie sonst, die neue Rolle wartete auf sie, die sie am Nachmittag zugeschickt erhalten hatte. Morgen sollte ja schon di« erste Leseprobe stattfinden und sie hatte noch kaum «inen Blick in den Text hineinge worfen. Sie stand in ihrem Boudoir. Auf dem zierlichen Schreibtisch lag das Manuskript. Zö gernd griff sie danach. Es war nicht leicht, aus der Selig keit der letzten, allzu kurzen Stunde so rasch wieder in die nüchtern« Wirklichkeit der Pflicht zurückzufinden, und als sie nun in der Roll« blätterte, stand noch immer das zärtliche Lächeln in ihrem Gesicht, das aus der Erinn«rung an eine letzte, beglückende Umarmung kam. Di« Blätter sanken in den Schoß. Me abwesend blickt« sie vor sich hin. Und schrak plötzlich «in wenig zusammen, da sie im Spie gel gegenüber ihr Bild gewahrte. Sie hatte ja noch immer das einfache „Gewanderl* an, in d«m sie zu den heimlichen Zusammenkünften mit Strauß zu gehen Pflegte. Ein« schalkhafte Komödie, aus der sie sich nicht mehr recht herausfand, und über di« sich ihre Zofe nun wohl ihre besoyderen Gedanken machen mochte. Wenn jetzt wieder jemand käme — ein Kollege vom Theater vielleicht — das gäbe ein schönes Verwundern, o je! Schnell legte sie di« Roll« beiseite. Noch einmal blickte sie das „kleine Mäderl* im Spiegel an, dann trat sie zum Garderobenschrank. Klingelte mit der silbernen Schelle, die daneben auf seidener Schnur hing und öffnete die Tür zum Vorraum. Nicht lang danach erschien das „Annerl*, machte einen Knicks und verwunderte sich: „Das gnä' Fräulein sind schon da? Meiner Seel, i hat nix g'sehn —" Natürlich wußte sie längst, daß Ietty über den Hinter- «ingana gekommen war, aber sie tat selbstverständlich, als wüßte sie von nichts. „Ich muß mich umziehen, Annerl,* sagte Ietty ünd er rötete flüchtig. „Gib mir das einfache Abendkleid heraus, das mir den Rüschen — und di« Schuh dazu —" Das Annerl tat eifrig. Ietty schlüpfte aus dem einfachen Lükdchen hPW, ünd LiLü es Et »Pg, MÜMb^ie^je ! schon das gewünschte Kleid herausgeholt und über den Stuhl gebreitet hatte. Ietty drehte sich um. Noch immer war ein besonderer Glanz in ihren Augen und sie dachte flüchtig, ob das An nerl ihr nicht ansehen mochte, was sie eben wieder so heim lich erlebt hatte? Ach was — bald würde es schon alle Welt wissen! Was war daran? „So, Annerl — nun hurtig." Die streifte ihr geschickt das Klei- über und hatte dann reichlich zu tun, die unzähligen Häkchen und Oesen im Rücken zu schließen. Aber sie hatte flinke und leichte Hände. Während sie vor ihrer Herrin kniete und die Schuhe be- reitbielt, prüfte Ietty im Spiegel ihre schlank« Erscheinung in dem weich fallenden, eleganten Abendkleid. Kam sie sich nicht beinah« fremd und unbekannt vor? Noch eben war sie das „kleine Mäderl," die kleine Lhallu- petzki gewesen — nun stand da wieder die selbstbewußte, vor nehm« Ietty Treffz, die große Schauspielerin, die ihre Ge fühle so vortrefflich zu beherrschen verstand, wie das zu ihrer Künstlerschaft gehörte. Das Annerl richtete sich auf. „Ist's recht so?*^ „Schön, Annerl — und nun will ich ungestört sein. Ich habe noch zu studieren." Ihr Blick fiel wieder auf di« Rolle. „Wenn nicht gerade ein sehr guter Bekannter kommen sollt —" „Jesses, wartet ja schon jemand, gnä' Fräulein Treffz,* rief das Annerl erschrocken. „Grad denk ich dran—" „Wie? Es wartet wer?" „Freilich. Eine Dame " „Na weißt !" Die Zofe wurde eifrig. „Ja — eine Dame — tief v«rschleiert — ich habe ihr Gesicht nicht erkennen können. Sie sagte, sie könnt' schon ein wenig warten. Nun wartet sie halt ein Diertelstündchen. Ist wohl grad zuvor gekommen, bevor das gnä' Fräulein da war — ja —* Sie lächelte harmlos. Ietty schüttelte unwillig den Kopf. „Wer könnt' denn das sein?" „Sie nannte ihren Namen nicht. Aber sie wird wohl eine sehr Vornehme sein — so nach dem Ausschaun. I hab mich n«t getraut, zu fragen." „Und das sagst erst jetzt, nachdem ich mich langsam um gezogen hab und arbeiten will? Statt gleich mit herauszu kommen? Du bist doch manchmal eine rechte Gans —" „Aber gnä' Fräulein Treffz — in dem einfachen G'wan- der! hätten S' die vornehme Dame ja doch net empfangen können. Je, das wär aber komisch gewesen. Und warten müssen andre Leut' ja auch." „Dummer Lack," sagte Ietty. Ihre Gestalt straffte sich. „Sie wartet halt im Salon, wie?" „Ja — bitt' schön —" Das Zöschen öffnete die Tür mit einem zierlichen Knicks. Ietty durchschritt einige Zimmer, alles aufs beste, ohne über ladenen Prunk, aber mit geschmackvoller Eleganz eingerich tet. Die großen Einnahmen auf ihren Tourneen gestatteten ihr, ein Haus glänzend auszustatten, und sie hätte diese vor nehme Behaglichkeit nicht mehr missen wollen. Nun betrat sie den Salon. Die vielen Kerzen- und Oellichter an der Decke und den Wänden warfen eine starke, in alle Winkel dringende Hel ligkeit über das große, mit Empiremöbeln kostbar eingerich tete Zimmer. Eine schwarzverschleierte Dame erhob sich aus einem der Sessel. Ein weitfallender Rüschenmantel, mit Pelz reich besetzt, verhüllte die Gestalt. „Ich bin Ietty Treffz. Mit wem hab ich die Ehre? Sie müssen verzeihen, wenn ich warten ließ — ich bin eben erst nach Hause gekommen —" Die Dame schlug den Schleier zurück. Im gleichen Augenblick sank Ietty verwirrt, in einer tiefen, höfischen Verneigung zusammen. „Majestät ,* sagt« st« leise und erschrocken. Einen solchen Besuch hatte ste bestimmt nicht erwartet. Was konnte er bedeuten? Di« Kaiserin legt« d«n Finger gegen die Lippen. Mit einem etwas müden Lächeln sagte ste: „Nicht so bestürzt sein, Demoisell« Treffz. Ls weiß kei ner, daß ich hier bin. Ich bin ganz — also ganz inkognito hier. Mein Wagen steht fünf Minuten von hier an der Ecke. Erheben Sie sich, Kind — wirklich, niemand als — Metternich weiß^ daß ich diesen Besuch gemacht Habs-"