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er .zu. Paritäten aus alten Zettnngsbanden Stumm nickt der kleine ort Eine wichtige Sache gab jemand aus einem Dorfe im Jahr 1849 bekannt: „Theilnehmende Freunde benachrichtige ich hierdurch, daß heute aus meiner Hand, welche mir vor zweiundzwanzig Monaten meuchelmörderisch unbrauchbar ge macht wurde, eine Messerklinge von eindreiviertel Zoll lang aus derselben gezogen." Anno 1841 wird ein Mittel angepriesen: „Vorzügliches Mittel, in einem Monat Kopfhaare, Schnurbärte, Backenbärte und Augenbraunen berauszutreioen". — Im aleichen zeitig jedoch streckt er den gesunden Arm der Schwester ab wehrend entgegen. „Nein, nicht den Maulkorb!" klingt es bittend aus seinem Munde. „Das tut doch nicht weh", sucht die Schwester zu be- Totenstille herrscht im Raum. Unterbrochen wird sie nur durch ein Zähneknirschen des Jungen, nur selten entringt sich ein Stöhnen seinen Lippen. Ruhig hält er den gebrochenen Arm, nur der kleine Körper zuckt zuweilen schmerzlich zu sammen. Von keinem Anfbäumen, keinem Schlagen gestört, kann der Arzt seine Arbeit durchführen, die Schienen anlegen und den Arm verbinden. Bewunderung ob der Ruhe des kleinen Patienten liegt in den Angen von Schwester und Arzt, nachdem alles über standen ist. Streichelnd gleiten die Hände des Doktors über Etwas Besonderes wurde 1870 Lekanntgegeben: „Jetzt » eine neue Stadtlaterne angebracht, welche von Abends sechs Uhr an bis früh sieben Uhr egal helleuchtend f brennt". Ein wüster Ton herrschte in den politis „Es geht nicht anders, mein Junge. Komm, sei artig und laß Dir die Haube über das Gesicht setzen!" Alle Versuche jedoch, dem Knaben gewaltsam die Haube überzuziehen, schlagen fehl. Mit den Füßen wild um sich strampelnd, mit dem gesunden Arm trotzig gegen die Schwester schlagend, wehrt sich der Kleine aus Leibeskräften. Schließlich müssen alle Anstrengungen aufg^geben werden. „Nun au», wenn Du es nicht anders willst, muß es auch so gehen. Jetzt beiß' aber die Zähne kräftig zusammen und halt ordent- Auf einen Wink des Arztes legt die Schwester die Haube beiseite und ergreift, wieder herantretend, vorsichtig den kranken Arm. Fest preßt der Junge die Zähne zusammen, um ja keinen Laut aus dem Munde zu lassen. Behutsam und ruhig arbeitet der Arzt an dem gebrochenen Glieds und be müht sich, dem Kleinen Schmerzen möglichst zu ersvaren. Wir gehen in der Zeit etwas zurück und staunen über die Enthüllung eines Bandes aus dem Jahr 1855: „In Tyrol ist gegen emen Schneidergesellen, welcher aus mehreren Cho lera-Lazarethen hinausgeworfen worden war, weil er sich der guten Pflege wegen krank gestellt hatte, die gerichtliche Unter suchung eingeleitet worden, und zwar, wie auf den Akten bemerkt ist, wegen unbefugter Anmaßung der Cholera!" vrennt. Ein wüster Ton herrschte in den politischen Fehden des Jahres 1848: „An den Vollbluthund Windisch- gratz und den Schinderknecht Jellachich: Teufel in Menschen gestalt! Die Ihr Euch mit wollüstiger Gier in dem Blute Eurer Mitbürger wie die Würger hcrnmwälzt, Ihr, gegen die selbst der gemeinste Spitzbube und Mörder ein Edelstein ist, fahret fort in wahnsinniger Wuth morden, würgen und ncederbrennen zu lasten ... und selbst die hungrigen Raben Werden sich mit Ekel vor Euren faulen Kadavern abwcnden". — Ferner: „Mageres, verkniffenes Basilio-Gesicht; ein konser vativer Bandwurm, dessen sonst leerer Kopf mit possirlichen, wasserpolackischen Geschichtsklitterunqen tapezirt ist; zieht sich bei wichtigen Fragen hinter die zerlumpte Coulisse der Ab- Wesenheit, nicht seines Geistes — das wäre unmöglich —, nur seines Körpers aus der Versammlung zurück; sein Poli- tcsches Bewußtsein gehört noch zu den Jnfüsionswesen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind!" Die Schimpf-Stilistik treibt wunderliche Blüten. Neber- Haupt offenbart die gute alte Zeit in den Zeitungsbänden, daß sie ost recht hart und grob sein konnte. vr Sottleb SckeuMer. Jahr wird eine Arznei gegen Cholera empfohlen: "^Den Kranken muß man drei Stunden schwitzen lassen, dann gieße man demselben fünf Eimer kaltes Wasser über den Kopf." (Wer diese Eisenbartkur überstand, würbe auch, so ist anzu- nehmcn, mit der Cholera fertig.) Im Jahre 1842 las man folgende Anzeige: „Das Kirch weihfest in Salomonsborn wird gefeiert wie andere Jahre auch; das vorhergehende wird widerrufen". Kapitalkraft hebt man 1850 in besonderer Weise hervor: „Eine Wittwe, deren einziges Vermögen in sechs Kindern besteht, welches, rechnet man die Kosten, welche die Erziehung derselben verursacht hat, hinzu, immer einem Kapitale von 2 bis 4000 Thaler» gleich zu stellen sein dürfte, sucht auf diesem Wege einen Lebensgefährten". — Die Frau hat, im Ernst, recht; wir fürchten nur, daß sich nicht viele Kapitalsuchende gemeldet haben. eine Träne. Schmerzvoll pressen sich die kleinen Lippen auf einander und suchen das Weinen krampfhaft zu ersticken. Freundlich lächelnd tritt der Arzt zu dem Knaben. „Nun, Bübchen, wo tut's denn so weh?" Schnell noch ein Tränchen heruntergeschluckt — und dann klingt's fest aus dem Mund des Kleinen. „Beim Spielen bin ich gefallen, und nun hab' ich Schmerzen im Arm. Ich glaub', da ist was gebrochen, Herr Doktor." Vorsichtig ergreift oer Arzt den Körper des Kleinen, hebt ihn hoch und setzt ihn behutsam auf den Operationsstuhl. Weich tasten die geübten Finger über das Aermchen, das sich ihm willig entgegenstreckt. „So schlimm wird's — will der Untersuchende eben sagen, als ein schmerzvolles Stöhnen des Jungen ertönt. Zittern ergreift die ganze kleine Gestalt, und dicke Tränen rinnen aus den schreckvoll aufgerisscnen Augen. Das Gesicht des Arztes wird ernst. Aufstehend winkt er der Schwester: „Narkose! Der Arm ist gebrochen." Während die Helferin Haube und Flaschen zurecht macht, sucht der Arzt die nötigen Instrumente zusammen und legt sie griffbereit in die Nahe des Patienten. Aengstlich verfolgt der Knabe die Bewegungen seines Helfers. Schauer zittern über den kleinen Körper, als die beiden nun zu ihm treten. „So, nun halt mal das Köpfchen etwas still! Die Tante wird Dir nur die Haube aufsetzen, und dann zählst Du ganz ruhigen. „Bist doch ein verständiger Mann", fügt der Arzt schnell Noch hinzu. „Sieh, Du sollst nur ruhig einschlummern, und dabei werde ich Dir den schlimmen Arm wieder in Ordnung bringen." „Ich will aber sehen, was Sie mit mir machen, Herr Doktor. Ganz still werde ich halten, wenn es auch noch so Weh tut. Nur die gräßliche Haube da will ich nicht auf dem Gesicht haben." „Es geht nicht, lieber Junge", sagt ernst der Arzt. Und beruhigend fügt er hinzu: „Nur bis Du eingeschlafen bist, werden wir Dir die Haube aufsetzen. Im Schlafen fühlst Du keine Schmerzen mehr, zuckst nicht zusammen, und ich kann den Arm wieder heilen, ohne daß es Dir Weh tut." „Ich will aber den Maulkorb nicht auf dem Gesicht haben, da hab ich erst recht Angst. Ich werde wirklich ganz artig still halten, lieber Herr Doktor, und mich nicht mucksen. Sie können mir auch ruhig Weh tun, ich beiß' die Zähne fest aufeinander." Der letzte Patient hat soeben das Sprechzimmer verlassen. Leise Erschöpfung zeigt sich nach den Stunden aufreibender Arbeit auf dem Gesicht des Arztes. Ermüdend wirkt auf die Dauer das Anhören von Jammern und Klagen. Heute war es besonders schlimm, und erschöpft geht dtr Arzt in das anstoßende Studierzimmer. Die einzelnen Fälle nochmals kurz überdenkend, legt er sich auf das Ruhesofa zu kurzer Erholung. Noch weilen die Gedanken bei den eben Behandelten, langsam erst gehen sie über zur Ordnung der nun notwendigen Hausbesuche. Ein Klingeln zerreißt plötzlich die wohltuende Stille. Wurden einem nicht einmal kürze Minuten des so not wendigen Ausspannens gegönnt? Kurze Zeit faßt Unwillen die Seele des Arztes. Dann wird das Pflicbtbewußtsein wieder rege, und schon ist er zum Helfen und Heilen bereit. Schnell den Kittel ergriffen und legt ihn, zwar noch mit einem kleinen Seufzer, aber entschlossen um die kräftigen Schultern. Ein leises Klopfen an der Verbindungstür zeigt ihm, daß seine Hilfe vonnöten ist. Die Schwester betritt die Schwelle des Allerheiligsten: „Ein kleiner Bub ist draußen und ver langt nach dem Doktor." „Ich komme." — Elastischen Schrittes tritt der Arzt in sein Sprechzimmer. Mitten im Raume gewahrt er ein Büb chen von neun oder zehn Jahren. Aengstlich blicken die Angen des kleinen Mannes auf ihn. Versteckt im Augenwinkel hängt Neues von gestern. Von Vor ein paar Jahren brachte ich einen Sommer damit zu, alte Zeitungsbände durchzustöbern. Es war ein unge trübtes Vergnügen. Ich nahm aus der Lektüre die tröstliche Gewißheit mit, daß jede Aufregung mit den Jahren im Stachel stumpf wird, da vieles von dem, was vor sechzig, siebzig, achtzig Jahren mit Ernst und Leidenschaft ausgefochten wurde, heute entweder verstaubt oder gar komisch wirkt, sei es durch die besondere Grammatik (es hatte jeder einzelne seine eigene), sei es durch die uns fremd gewordene Auf fassung oder überhaupt durch die damaligen besonderen Stimmungswerte. Im Jahr 1850 war zu lesen: „Der Erwiderung meiner Frau mutz ich natürlich zugeben, daß es mir schwer fällt, eine Zahlung zu leisten, indem sie mir schon mehrmals und jetzt im wiederholten Falle meine Möbel verkauft und mich vollständig entkleidet hat". — Muß eine schamlose Frau gewesen sein. Oder wir vernehmen, wie das Berliner Polizeipräsidium in einem Steckbrief, den es 1886 hinter einem Mörder er- Der Nrrnbruch Skizze von IZims Otto kllavailer einfach: eins . . . zwei . . . drei. . ." den Worten. Gleich- esunden Arm der Schwester ab- vre pertzen Wangen des Kleinen, während ihm die Schwester die dicken Tränen aus den Augen trocknet. „Bist der tapferste Kerl, den ich je in Behandlung hatte. Hast aber nun auch das Schlimmste überstanden und sollst eine ordentliche Belohnung bekommen." Vom Operationstisch tritt der Arzt ins anstoßende Studierzimmer und macht sich an einem Schranke zu schaffen. Einen großen Kasten Zuckerwerk bringt er dem Kleinen: „Hier, mein Kerlchen, das hast Du Dir reichlich erworben. Die Tapferkeit muß ordentlich belohnt werden. Bleib so, mein Junge, solche Männer werden wir immer brauchen." Da zieht Freude über das schmerzvoll verzogene Antlitz des Jungen. Sicher greift die gesunde Hand nach den Süßig keiten. Die letzte Träne wird gewaltsam zerdrückt, und ohne Zittern,der Stimme erklingt das Danke. „Wirst Du denn auch allein nach Hause finden?" fragt die Schwester, „oder soll ich Dich lieber zur Mutter bringen?" „Ich finde den Weg schon nach Hause, so weit ist's ja nicht bis zur Mutter, Doch wie spät ist cs eigentlich, Herr Doktor?" „Zwei Uhr, mein Junge. Du hast Wohl ordentlich Hunger bekommen?" „Ja, feste", nickt er bestätigend mit dem Kopf. „Jetzt muß ich aber eilen, damit die Mutter sich nicht allzu sehr sorgt. Ich dank auch schön, Herr Doktor." Ein Viertelstündchen dauert es, dann drückt er den Klingelknopf der elterlichen Türe. Nach Augenblicken schon erscheint mit besorgtem Gesicht seine Mutter. „Nicht böse sein, Muttchen", klingt es bittend von den Lippen des Kleinen. „Ich hab' mir beim Spielen nur den Arm gebrochen, doch jetzt hat der Doktor schon wieder alles in Ordnung gebracht. Aber Hunger hab' ich jetzt furchtbar. Gibt's bald was zu essen?" ließ, auf ein unbedingt sicheres Merkmal des Gesuchten hin weist: „An Bart hatte er bei der Flucht nur kleinen dunkeln Schnurrbart, es ist aber ein Wachsen dieses Bartes und des Backenbartes in der Zwischenzeit nicht ausgeschlossen". Wir gehen in der Zi' Enthüllung eines Band« Süft Kremsmünster verkaufte eine berühmte alte Weltchronik nach München. Der deutsche Gesandte in Wien, von Papen, überbrachte dem Führer und Reichskanzler die aus dem Stift Kremsmünster w Oberösterreich angekaufte berühmte Handschrift des 14. Jahr hunderts des Heinrichs von München. Die ausgezeichnet erhal tene Handschrift ist eine Reimchronik der Weltgeschichte von der Schöpfung bis in die Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern mit ^wst wertvollen und einzigartigen Handzeichnungen. Dem Stift Kremsmünster gebührt besonderer Dank, daß es dieses die gemeinsame deutsche Geschichte betreffende Dokument nicht aus ländischen Händen übergab, sondern dazu beitrug, die enge Verbundenheit der deutschen Kulturbeziehungen über die Gren zen hinweg zu bekunden. — Unser Bild zeigt die Bibliothek des Stiftes Kremsmünster, der die wertvolle Handschrift ent nommen wurde. ^Weltbild — M.) Eine Seite aus der berühmten Handschrift Heinrichs von München. Der deutsche Gesandte in Wien, von Papen, überbrachte dem Führer und Reichskanzler die aus dem Stift Kremsmünster in Oberösterreich angekaüfte berühmte Handschrift des 14. Jahr hunderts des Heinrichs von München. Die ausgezeichnet er haltene Handschrift ist eine Reimchrvnik der Weltgeschichte von der Schöpfung bis in die Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern mit höchst wertvollen und einzigartigen Handzeichnungen. Unser Bild aus der wertvollen Chronik gibt eine Seite wieder, die das Leben Alexanders des Großen behandelt. (Heinrich Hoffmann — M4