Volltext Seite (XML)
Im HrmpkquArtior der Hochfponnung. Reportage von Skristian §ckmit;-Röln. Elektrizität aus Urwatdteiche«. Als sich in grauer Vorzeit das Meer nordwärts zurückzog, lockte tropischer Sonnenschein auf gewissen Stellen der deut schen Erde üppigen Urwald hervor. Mächtige Zedern von 50 Meter Höhe und große Schachtelhalme gediehen massenhaft auf dem schlammigen Boden. In Sturm und Gewitter sanken ab und zu ausgewachsene Generationen zu Boden, um jungem Leben Platz zu machen. Eines Tages brachen aber aus dem Süden gewaltige, aufgestaute Wassermassen durch die sperren den Gebirge hindurch. Die mitgeführtcn Mengen an Sand und Geröll begruben die Urwaldlandschast. Sie geriet tief in den Schoß der Erde und bildete sich zur Braunkohle um. Jahrtausende ruhte das heute so nützliche Material verborgen und unerkannt im Schoße der Erde. Erst um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts kam man dahinter, daß jene braune Erde eine kostbare Ware verkörpere. Viele Jahrzehnte grub man mit dem Spaten, bis schließlich Bagger dem Menschen die schwere Bergmannsarbeit abnahmen. Auf einer langen, steilen Treppe steigt man heute in die braune Kohlengrube hinab. Wir befinden uns im „Golden- bergwerk" in Knappsack bei Köln. Rechts und links recken sich braune Anhänger empor, unterbrochen von waagerechten Arbeitsflächen. Hier wühlen sich gewaltige Eimerketten bagger tief in das Erdreich hinein. Damit die dauernde Verlegung der Baggergleise vermieden wird, fahren die rie sigen Brückenkabelbagger aus Raupenwerk. Unaufhörlich stürzen die gefüllten Kohlenkübel ihren Inhalt in Loren, die von Ketten ergriffen und auf langer, schräger Ebene empor geführt werden. Am oberen Rande der Grube stehen große Gebäude mit mächtigen Schornsteinen. Die Keltenbahn klettert höher und höher, bis die Loren in einem Fabrikhaus verschwinden. Nach dem die Braunkohle in einem Brecherwerk zu Mehl geworden ist, läßt ein Kippwcrk die dunkelgvldcne Urwaldcrde in riesige Blechkästen gelangen. Komplizierte, besonders die Dampf- und Kondensatleitüngen, unter dem Hallenboden liegt. Hier findet man auch die zu den großen Holztürmen führenden Kühlwasserleitungen. 22 Millionen Glühbirnen an einem Schalter. Die in den Generatoren erzeugten riesenstarken Wechsel ströme fließen in Hundcrttausendstel-Bruchteilen von Sekunden zur Schaltbühne. Sie liegt etwas erhöht über dem Hallenraum, ähnlich wie eine Balkonloge über dem Boden der Schauspieler. In langen Kästen sind viele Meßinstrumente angebracht. Ein einziger Mann führt hier das Kommando über die Armee der elektrischen Krafttruppen. Wenn wir eine 25-Watt-Birne 40 Stunden lang brennen lassen, verbrauchen wir eine Kilowattstunde. Der hier sitzende Techniker hält aber den Drehknops für 22 Millionen 25.Watt-Birnen in der Hand. Mit einem Schlage kann er ganze Städte in Dunkelheit hüllen, Riesenwerke totenstill werden lassen. Er ist der König der Energie! In einer für Laien rätselhaften Reihenfolge liest er alle Viertelstunde von seinen sonderbaren Uhren irgendwelche Zahlen ab, die er in eine große Liste einträgl. Nichts entgeht seiner Beobachtung. Falls irgendwo eine Störung vorkommt, wird sie von den Zeigern verraten. Zur Entlastung der mensch lichen Aufmerksamkeit dienen ferner Diagrammschreibcr. Ihre blauen oder roten Papierstreisen erzählen genügend vom Auf und Ab des Stromflusses. Der Drehknops für die 110 000 bis 380 000 Volt ist natürlich etwas anders ausgebildet als der bei uns zu Hause für 220 Volt. Man kann diese Riesenkraft nicht durch dünne Drähte laufen lassen, sondern nur durch dicke Kupferbänder in respektvollem Abstand, gesichert durch dicke Isolatoren aus Glas oder Porzellan. Dann folgen sogenannte Oelschalter. Um deren Kontakte bei der Schaltung vor Bildung eines Licht bogens zu schützen, hat man sie unter Oel gesetzt. Trotzdem kommen immer wieder Explosionen bei derartigen Schal tern vor. Nebenan sieht an der Tur: Vorsicht! Hochspannung! Ze vensgefahr! — Das reizt zum Besuch. Beim Oeffnen der Tür tönt uns geheimnisvolles Summen und Brummen entgegen. Man sieht nicht viel in diesen Transformatorräumen, jedoch Weckt die Masse der Ströme eine ganz leichte Nervosität. Durch 10 Drehstromleitungen fiste eine Spannung von 110 000 Volt und zwei Leitungen für 220 000 Volt werden die im Golden bergwerk erzeugten Energiemengen zur Hauptschaltstelle des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes in Brauweiler überführt. Das elektrische Herz schlagt annNiedcrrhein. Ein Generalstab der Elektrowirtschaft sitzt hier in Brau weiler. Für 48 Kraftwerke ist hler das Gehirn. Neben der Hauptkraft des Goldenbergwerkes > treffen von Norden und Süden hochgespannte Fernleitungensein. Die Wasserkräfte aus Voralberg vereinigen sich mit den .Kräften der Ruhr, die Energien des Schwarzwaldes mit der rheinischen Braun- kohlenkraft. Auf den 25 dicken Elektroseiken der Hochspannungs leitungen kommen und gehen nicht weniger als dreieinviertel Milliarden Kilowattstunden. Drei Ingenieure, sich gegenseitig ablösend, überwachen das 4000 Kilometer change Leitungsnetz. In trockenen Zeiten, wenn die Wasserkraftwerke versagen, schalten sich die Kohlenkraftwerke ein. In ntederschlagsreichen Zeiten kommen die Talsperrenstationen mehr zur Geltung. Tagsüber wechselt die Belastung ganz erhebliche Gemäß einem besonderen Energiefahrplan bestimmt man dann, ob Elektrizi tät diesem oder jenem Netz entnommen, an dieses oder jenes abgegeben wird. "Dieses elektrische Herz umfaßt eine Fläche von 150 Mor gen. Vom Schallgebäude hat man einen guten Blick auf diese größte elektrische Freilnftstation der Welt. Aus dem Gewirr der Drähte, Isolatoren, Masten, Schienen, Schalter ragen die gewaltigen Transformatoren hervor. Noch größer erscheinen die Oelschalter, kesselartige Behälter mit Hörnern aus Por zellantellern. Alle Stromleitnngen vereinigen sich auf den Sammelschienen. Das sind starke Kupferleitungen, die von kräftigen, hohen Gittermasten getragen werden. Mit Aus nahme der Ingenieur-Warte steht alles im Freien. Regen schauer, Schneelast, Rauhfrost, Sonnenhitze tun den Adern des elektrischen Herzens keinen Schaden an. Eine Ueberdachung hätte unnütz Millionen verschlungen. Der elektrotechnische Generalstab von Brauweiler trägt große Verantwortung. Zehntausende von Fabriken und Mil lionen deutscher Haushalte sind von dem einen diensttuende« Ingenieur abhängig. Nachdenklich verlassen wir diese Zentrale deutscher Technik und Organisation. Vor dem höllischen Feuer... Unter den prallen Bunkern liegt die Kesselfeuerung. Wir steigen auf staubigen Betonstufen ein paar Stockwerke tiefer. Beim Oeffnen einer Tür schlägt uns heißer Dunst ent gegen. Man erblickt ein einzigartiges technisches Bild. Wie Gardesoldaten stramm ausgerichtel stehen rechts und links die 98 heißen Kessel mit ihren glühenden Feuerungen neben einander. Durcy senkrechte Schurren fällt der Brennstoff herab. Die Roste sind in ständiger Schüttelbewegung. Hohe Schorn steine bewirken ein lustiges „Feucrchen" mit einem durch schnittlichen Luftzug von 25 Millimeter Wassersäule. Durch ein Fenster kann'man die Hölle genau beobachten. Alles ge schieht automatisch. Es brauchen weder Kohlen geschaufelt noch Gluten gelockert zu werden. Die Heizer sind nur noch Ma schinenpfleger, technische Erzieher, Kontrolleure. Jede Feuerung hat ihre Meßeinrichtung, die Luftzug und Kohlcndioxydgehalt der Rauchgase anzeigt.' Mil wenigen Hebeldrücken kann die Kohlenglut jederzeit beeinflußt werden. Die Hitze überträgt sich durch die Wandung der Steilrohrkessel unmittelbar auf das Kefselwasser. Auf jedem Quadratmeter Heizfläche werden stündlich 35 Kilogramm Wasser in Dampf verwandelt. Unter den Kesseln liegt noch ein Stockwerk tiefer die „Entaschung". Jeden Tag fallen aus dem Vulkan der Feuerung gewaltige Aschenregen hernieder, um in den beto nierten Kästen zu erkalten. Zur festgesetzten Stunde öffnen sich Düsen und jagen mit 20 Atmosphären Wasserstrahldruck den Schlamm hinaus. Durch besondere Kanäle fließt er in er schöpfte Gruben ab. Wenn man in den frisch ausgespülten Kammern steht, merkt man kaum, daß es sich um Aschenkästen handelt... Dicht neben dem Kesselhause liegt die Turbinen- haIIe. Ein starkes Rauschen, kräftiger, als wenn ein Dutzend Flugzeugpropeller surren, lockt zum Eintritt in die Riesenhalle. Aus dem Boden wölben sich große Gehäuse empor, in denen sich Dampfräder mehrere tausend Mal je Minute um ihre Achse drehen. Der Heißdampf tritt in die Turbine ein und setzt sich in mechanische Energie um. Generatoren oder Dyna mos nehmen diese Kraft auf und verwandeln sie in Elek trizität. Mit seinen zwölf riesigen Maschinensätzen ver mag das Goldenbergwerk 500 000 Kilowatt je Stunde zu er zeugen. Es ist somit das größte Kraftwerk Euro pas. Um die bebenden Maschinen herum glänzt alles vor Sauberkeit. Einzelne aus dem Boden wie Schiffssteuerräder herausragende Dampfschieber weisen darauf bin. daß alles riebespaolv «ach ViirofchluH Sin Slirnmungsbilck von Waltkaus Sporrer. Wie jeden Abend, kurz nach sechs Uhr, erscheint er im Lokal, streift seinen unwahrscheinlich breiten Mantel von den schmalen Schultern ab und wirft sich, mit beiden Händen die Haare an den spitzen Schädel glättend, in seinen Stammsessel. Bor einer viertel Stunde war er noch der kleine, dienstlich straffe Angestellte, jetzt ist er junger Mann von Welt, ein Feierabendfürst, ein Sonntagslebemann. Mit unübertreff licher Lässigkeit bestellt er Kaffee, zückt eine Zigarettendose, klopft auf der elegant entspannten Hand die Zigarette locker, zündet sie an und wirft das Streichholz so von ungefähr auf einen Teller, so wie ein feiner Herr dies eben macht. Kaum hat er seinem Dasein so den rechten falschen Glanz gegeben, erscheint am Tisch die kleine Freundin, eine große Dame von neunzehn, zwanzig Jahren. Korrekt erhebt er sich, verbeugt sich artig, nimmt ihr den Mantel ab und läßt ihn nicht vom Kellner an den Haken hängen, o nein, zärtlich be sorgt er das höchstselbst, was eine kleine Huldigung ist, die ihm sein unverdorbenes Herz diktiert. Vom Wohlgeruch des pudergrauen Mantelkragens leicht berauscht, drängt es ihn plötzlich doch zu Zärtlichkeit, er setzt sich viel zu dicht zu seiner Dame und hat ganz einfach Lust, sie abzuküssen. Doch sofort weiß er wieder, was sich nicht gehört. Nun essen beide eine Kleinigkeit, nur eine Kleinigkeit, da sie, wie sie sich gegenseitig obendrein versichern, gar keinen Hunger haben (was eine dicke Lüge ist), und lassen von den teueren Schinkenbröten tapfer ein Nestchen auf den Tellern liegen. Bald ist diese störende gewöhnliche Verrichtung erledigt, und in mondänster Haltung erzählen sie sich leise die Ereignisse des Arbeitstages. Sie lügen wieder beide, lügen lächelnd und" wissen doch so gut Bescheid. Schon lange weiß er, daß sie den ganzen Tag die zarten Finger an der Schreibmaschine hat und daß auch nicht der Schimmer einer Hoffnung auf einen Wandel ihrer Lage da ist, und sie weiß ebenso genau, daß er im großen Heer der kleinen Angestellten einer von Millionen bleiben wird. Löte wissen es genau — aber sie wissen es nur bis sechs Uhr abends, dann sind sie aller bösen Wahrheit ledig. Kei« Zweifel: Glauben heißt nicht Wissen — heißt aber Wissen wirklich immer Glauben? Mitnichten. Es lügt sich ja so leicht, am leichtesten zu zweien... Und es muß schön sein, dieses Lügen! Die beiden werden immer freier. Sie spielen nicht mehr große Leute, sie sind es. Sie hört ihm leuchtend zu, wie er erzählt, daß er dem Chef heute früh ein- für allemal den Kopf gewaschen habe, schüttelt mit damenhafter Tadelsmiene den Kopf über die Flegelhaftigkeit des Allgewaltigen und billigt unbedingt die scharfe, aber formensichere Art der ihm erteilten Lektion, weiß aus der eigenen Erfahrung, wie bitter nötig jeder Chef von Zeit zu Zeit so eine Rüge braucht, kurz, sie ist ganz mit ihrem stolzen Freunde einig. Und immer höher Wachfen nun die Bäume in den Himmel. Schon ist es acht Uhr, und die Tanzkapelle fängt zu spielen an. Sie tanzen — viel dezenter als die jungen Körper möchten — und flunkern zärtlich weiter von Urlaub, Auto, Riviera, von allen Wundern, die für sie noch Wunder, sind. Endlich jedoch hat diese Seligkeit ein Ende. Er hat nn stillen nachgerechnet, was eine weitere Stunde kosten würde... Man kann doch nicht den ganzen Abend vor emer leeren Kaffeetasse sitzen. Er ruft den Kellner heimlich mit den Augen und zahlt. Sie möchte zwar noch bleiben, versteht je« doch die Lage schnell und sagt das Gegenteil. Ihr schiefes Käppchen noch ein bißchen schiefer rückend, erhebt sie sich, kann sogar etwas gähnen und läßt sich, königlich über die Schulter lächelnd, in den Mantel helfen. Langsam durch schreiten sie das leuchtende Lokal, er öffnet weit die Tür, nickt dem Besitzer des Lokals gemessen, aber doch leutselig zu, und Arm in Arm verschwindet das Paar im dunklen Schacht der Straße. Und das alles wird morgen wieder sein. DaS ganze kleine Schauspiel wird sich wiederholen, tagaus, tagein. Dumm, gewiß. Dumm, aber schön... Vom Kriegsschauplatz zurück. Ankunft eines italienischen Dampfers im Hafen von Neapel. Die ungewohnten Witterungsvechältnisse in Abessinien machen einen häufigeren Austausch der italienischen Krieger mit der Heimat notwendig. (Weltbild — MO Riesiger Heringssegen vor Helgoland. bisher ausgeblieben, aber in den letzten Tagen traten sie plötz lich vor der Insel Helgoland in so großen Mengen auf, daß die Die sonst schon in den Monaten November und Dezember in Finkenwärder Fischkutter vollauf mit dem ^ang zu tun habe«, der Elbmündung auftretenden großen Heringsschwärme waren Wie unser Bild zeigt, sind die Netze bis zum Rande gefüllt, ' - - so daß sie mit dem Ketscher entleert werden müssen. (Tiedemann — M.)