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I Wilsdruffer Tageblatt t 2 Blatt. Nr. 152 - Freitag, oen 3. Juli 1931 Tagesspruch. Die Rose prangt als Königin der Düfte Und die Zypress' als Köngin der Grüfte; Erfreue dich auf deinem Erdenwandern Der einen — und bleib eingedenk der andern! Reisezeit und Verkehrsgesahren. Selbsthilfe in der letzten Sekunde. — Gefährdete und weniger gefährliche Plätze in den Verkehrsmitteln? — Rücksitz oder Vordersitz? — Der rettende Klimmzug. — Das gefährdete Auge. Von Herbert Langenscheidt. Die Zunahme der Verkehrsunfälle erweckt namentlich in der Reisezeit die Befürchtung, daß man selbst einmal durch irgend einen Verkehrsunfall in eine gefährliche Lage gebracht werden könnte. Es wird fehr viel über die Vermeidung von Verkehrsunfällen gesprochen. Regeln des richtigen Gehens und Fahrens hält man uns so oft vor, daß sie von den meisten von uns, besonders in den Städten, schon fast unwillkürlich befolgt werden. Was tut aber der Menfch, wenn er trotz aller Vorsicht nun doch in einen Verkehrsunfall hineingerät? Gibt es für ihn überhaupt noch eine Hilfe? Kann er wenigstens noch etwas zur Sicherung in der allerletzten Se kunde vor einem unvermeidlichen Zusammenstoß versuchen, um die Wirkungen abzuschwächen? Kann er schon durch Wahl des Platzes für sich eine geringere Unfallswahrscheinlichkeit wahrnehmen. Die rasche Zunahme des Automobilverkehrs verwickelt . das Auto heute schon bei weitem am meisten in allerlei Un- alücksfälle, insbesondere Zusammenstöße mit anderen Ver kehrsmitteln und Gegenständen aller Art. Aber schon die schlechte Beschaffenheit einer Straße hat häufig zu Kopfver letzungen bei Insassen geschlossener Autos geführt. Dagegen kann man sich wirkungsvoll schützen, wenn man nicht in steifer Haltung im Auto sitzt, sondern eine möglichst gestreckte, recht begueme Lage einnimmt, ähnlich als wollte man sich in wagerechter Richtung dem Wagenkasten parallel und möglichst dicht am Boden ausstrccken. So gewinnt man zuverlässigen Schutz gegen das An-die-Decke-geschleudert-werden -ei starken Stößen des Wagens infolge Unebenheiten der Straße. Der beste Platz im Auto liegt weder links noch rechts, sondern in der Mitte, weil hier die Wirkung des Stoß dämpfers am besten ausgenützt werden kann. Wer allein im Atto fährt sitzt also richt'ig am besten in der Mitte. Auf jeden ZE soll man im Auto eine möglichst lässige und bequeme Haltung einnehmcn, dabei jedoch wenigstens einen Fuß so weit Vorbringen daß man eine Stütze — etwa an der häufig vorhandenen Jußbodeustange — findet. Dabei halt man das Bein oder die Beine nicht steif, sondernd federnd, stemmt sich aber im Falle der Gefahr eines Zusammenstoßes mit mög lichster Wucht zurück. Diese Schutzlage ist für den Chauffeur die gegebene Sitzweise. Im übrigen aber nimmt er den un günstigsten Platz' im Wagen ein, weil das Steuerrad und das Gestänge ihm bei Zusammenstößen der Gefahr von Brust quetschungen aussetzt. Er kann sie durch energisches Festhalten des Steuerrades und Abstemmen mit den Armen wesentlich mildern. Jin übrigen aber sind sämtliche Plätze NN Auto gleich günstig oder nicht günstig, da die Gefahr des Zusammen pralls von allen Seiten droht. Sehr verschiedenartig ist aber die Gefährlichkeit oder Nicht gefährlichkeit der Plätze in den meisten anderen Verkehrs mitteln wie Autobus, Straßenbahn und Eisen bahn. Die meisten Menschen wählen aus Gründen der besse ren und bequemeren Aussichtsmöglichkeit den Vordersitz, schauen also, wie das vollkommen natürlich ist, in der Rich tung nach dem Ziele. Dennoch ist der Vordersitz in: Falle eines Unglücks starker gefährdet als der Rücksitz. Dieser fängt auf der vollen Breite des Rückens den Schwung ab, während die Inhaber des Vordersitzes in der letzten Sekunde sich mit aller Kraft an die Rückenlehne klammern müssen um nicht mit großer Wucht nach vorn geschleudert zu werden'. Am wir kungsvollsten können sich aber die Stehenden in den öffent lichen Verkehrsmitteln in der letzten Sekunde vor dem Zu sammenstoß schützen. Sie haben ja meist zu ihrer Sicherheit schon Strippen und Stangen angepackt. Droht nun der Un fall, dann tun sie gut, eine Art Klimmzug auszuführen, sich also wenigstens anzuhängen und die Beine anzuziehen. Durch diesen Hilfsgriff mildern sie wesentlich die Wucht des Schwunges beim Zusammenprall. Bei der Eisenbahn, aber auch bei der Straßenbahn und dem Antobus muß der erste Wagen, der Triebwagen, der Vor derperron und der Bereich der vorderen Plätze als am meisten gefährdet gelten. Das Hintenauffahren ist seltener als der Zusammenpog. Bei dem doppeldeckigen Autobus sind die Platze auf^dem überdeck bei weitem am meisten bedroht. _ . der Eisenbahnen, soweit es sich nicht um die lercht zersplitternden und sich zusammenschiebendcn Holz-, son dern um neuzeitliche Stahlwagen handelt sowie im Innern Autobusse besteht ebench wi? im Auto O br dcr Px rletzung durch Glas- Ipt irrer. Wenn der Zusammenstoß erfolgt, soll man des halb Kopf und Augen in Händen und Armen bergen; selbst ein Knochenbruch wird ja mit Recht immer noch als erträglich angesehen im Vergleich zu einer schweren Schädigung des Auaes. Nach allem bleibt nicht viel zu tun übrig, weun das Un glück unvermeidlich geworden ist. Dennoch kann sich ein gei stesgegenwärtiger Mensch durch richtige Hilfsgriffe im letzten Augenblick wenigstens noch vor den schwersten Wirkungen eines Unfalles zu schützen suchen. Vas lauerncke Tier. Ein englischer Beitrag zur Kriegsschuldlüge. Von Herbert Hünecke. Verstümmelte Kinder, geschändete Frauen, vergiftete Brunnen, als Klöppel verwandte Geistliche, zur Fettgewin nung verwertete Kriegerleichen. Das ist nur eine kleine Blütenlese aus den niederträchtigen Lügen, mit denen die französische und englische Propaganda es während des Krieges verstand, uns die ganze Welt zu FeinNn zu machen. Heute glaubt selbst der Dümmste diese Gemeinheiten nicht mehr. Das ist vom englischen Standpunkte aus auch nicht er forderlich. Man hat ja dort drüben — wo man selbst so liebens würdig ist, deutsche Minister zu einem angenehmen Wochen ende einzuladen und ihre Klagen gütigst anzuhören — das Kriegsbeil längst begraben, und das Gewesene soll vergessen sein. Man besitzt ja seit zwölf Jahren schwarz auf weiß das erpreßte Bekenntnis des ehemaligen Feindes, daß er am Kriege die Schuld trage. Das genügt. Leider — vom englischen und französischen Standpunkt aus — gibt es aber bei den Neutralen und in den eigenen Reihen Menschen, die an diese Kriegsschuld nicht recht glauben wollen. Sie gilt es zu bekehren, ihre Ansicht zu widerlegen. Da das den Umständen entsprechend mit Wahrheit nicht möglich ist, so greift man eben wieder zur Lüge. Freilich weiß die englische Propaganda das eine: Plumpe Unwahrheiten dürfen es nicht mehr sein. Dazu ist die Welt zu hellhörig geworden. Viel klüger ist es, irgend ein Ereignis, das unbestritten, herauszugreifen und um dieses herum ein feines Netz von Uebertreibungen, Wahrheiten, Lügen, Phan tasien zu weben. Man nennt das Ganze dann einen Aben teuer-, Kriminal- oder Spionageroman, mit dem das offiziell; England natürlich nicht das Geringste zu tun hat. So ent stehen Tendenzromane, die durch spannenden Inhalt und fesselnden Stil ihre wahre Absicht zu verdecken wissen und dock im Unterbewutztsein des Lesers den Eindruck hinterlassem Deutschland wollte den Krieg! Besonderes auf diesem Gebiete hat Edgar Wallace ge leistet, den vorurteilslose und geistig genügsame Deutsche zn ihrem Leib- und Magenschriftsteller erklärten. Aus den deut schen Uebersetzungen seiner Hetzromane war ja auch mit Sorg falt gestrichen worden, was den braven Michel stutzig machen konnte. Einen anderen Weg schlägt der Verlag Paul Steegemann ein, der unter dem Titel „5. Juli 1914" einen der tendenziöse: Spionageromane des Engländers Valentin Williams in der deutschen Uebertragung herausgibt. Er verzichtet darauf, dura Fortlassung irgendwelcher gegen Deutschland gerichteten Stel len und Wendungen den vom Verfasser gewollten Eindruck zr verwischen. Er kann das Verdienst für sich in Anspruck nehmen, uns klar und deutlich zu zeigen, wie in England heutc noch versteckt Propaganda für die Lüge von der deutscher Kriegsschuld betrieben wird. Der einztge Vorwurf, den man der ausgezeichneten deut schen Uebersetzung machen könnte, ist der, daß sie dem Buch den Titel „5. Juli 1914" gab anstelle des ursprünglichen eng lischen „The crouching beast". „Das lauernde Tier" klang dem Uebersetzer vielleicht zu hart, da ein Deutscher damit gemein! ist. Vielleicht wollte er auch durch die Aenderung des Titels den deutschen Leser gleich auf das Hinweisen, was für den Engländer der Kernpunkt des Ganzen ist, auf den angeblicher Potsdamer Kronrat vom 5. Juli 1914. Wenn dagegen der eng lische Autor seinen Tendenzroman „Das lauernde Tier" nennt, so will er damit seinem Leser gewissermaßen das Urteil in den Mund legen, das dieser nach der Lektüre vom Deutschen haben soll: Ein Tier, das auf der Lauer lag. Der Aufbau des Tendeuzwerkes ist außerordentlich ge schickt. Er konstruiert um die von den Unabhängigen Sozial- Deutsche Bergungsdampser heben das Wrack des „St. Philbert" Eine Hamburger Gesellschaft Hai den Auftrag erhalten, das Wrack des vor wenigen Wochen mit mehreren hundert Per sonen vor der Loire-Mündung gesunkenen Verguügungs- dampsers „St. Philberi" zu heben Tie beiden Bcrguugs- dampfei „Kraft" und „Wille" Nrn Bilde) befinden sich be reits auf dein Weae zur Loire Mündung. demokraten Cohn und Haast in die Welt gesetzte Lüge vom Potsdamer Kronrat eine Reihe von spannenden Spionen- abenteuern. Er benutzt die Tatsache, daß der Kaiser am 5. und 6. Juli 1914 kurz vor Antritt seiner Nordlandreise eine ge trennte Besprechung mit seinen politischen und seinen militä rischen Ratgebern hielt, dazu, um im Sinne Cohns und Haases seine Leser glauben zu machen, daß in diesem angeblichen Kronrat der Weltkrieg beschlossen worden ser. Die kurz vor dem Kriege wegen Spionage erfolgte Verhaftung zweier eng lischer Offiziere, die übrigens keinerlei Abenteuer bestanden, benutzt er dazu, um aus ihnen seine Helden zu machen, die mit Hilfe einer jungen Landsmännin ein politisches Dokument von höchster Wichtigkeit in ihren Besitz bringen und nach Eng land schaffen. Das Dokument ist nichts weniger als ein Bericht über den Kronrat vom 5. Juli und stammt aus der Feder eines an der Beratung beteiligten deutschen höchsten Würden trägers selbst. Natürlich ist — wie der Roman schildert — der deutschen Spionageabwehr alles daran gelegen, die Fortschaffung dieses Dokumentes aus Deutschland zu verhindern. Diese Aufgabe übernimmt das „lauernde Tier" vr. Grundt, der allmächtige und nur dem Kaiser verantwortliche Leiter der deutschen Gegenspionage. Der Verfasser glaubt in dieser, nur seiner Phantasie entsprungenen Gestalt das Urbild des heimtückischen, zielbewußten, hartnäckigen und grausamen Deutschen gezeichnet zu haben. Mit allen diesen Abenteuern ist — sicher als Zugeständnis an die englischen Leserinnen, auf deren Beeinflussung es so sehr ankommt — eine zum Teil etwas süßliche Liebesgeschichte verbunden. Interessante Schilderungen deutscher Zustände — die freilich nicht immer der Wirklichkeit entsprechen — tragen außerdem zur Belebung und zur Glaubhaftmachung des Ganzen bei. Man muß es dem englischen Autor lassen: Er hat hier mit seltenem Geschick unter Ausnutzung emiger Kenntnisse der deutschen Verhältnisse ein kleines Meisterwerk zielbewußter Verstellungen und Phantasien geschaffen. Er zollt dem Deut schen in mancher Weise hohe Anerkennung und weiß gerade dadurch den Eindruck zu wecken, als sei er vollkommen unvor eingenommen, als hätten seine Ausführungen den Wert der Ueberparteilichkeit. Daß der Verfasser einem deutschen Sozialdemokraten und Pazifisten die sympatischste Rolle aller Nichtengländer zuschiebt, ist wohl nur als Verbeugung vor denen zu werten, denen er die landesverräterische Lüge vom Potsdamer Kronrat verdankt. Der deutsche Leser wird das Buch kaum aus der Hand legen, ohne es beendet zu haben. Gleichzeitig aber dürfte er den Eindruck erhalten, daß es in einer Welt, die noch heute mit versteckten und um so heimtückischeren Waffen gegen Deutsch land arbeitet, zwecklos ist, sich Träumen von Pazifismus und internationaler Brüderlichkeit hinzugeben. Bedarfsdeckung von Hand zu Mund. Zur Lage des Viehmarltes. Die Lage auf dem Vieh- und Flelschmarkt war nach dem Bericht der Viehzemrale G. m. b. H., Berlin-Friedrichsfelde auch im Monat Juni sehr verworren. Infolge der ge drückten Wirtschaftslage, wozu noch die Erhöhung des Reichs bankdiskonts wesentlich beitrug, wurde die an und für sich un genügende Nachfrage weiter nachteilig beeinflußt, so daß trotz nicht allzu starken Angebots die Preise sowohl bei Rindern als auch bei Schafen keine wesentliche Erhöhung erfuhren Die Rinderzufuhren waren im Vergleich zum Vorjahre wesentlich höher. Auch die Zufuhren an Kälbern haben sich werter in beträchtlicher Höhe gehalten, waren aber wesentlich geringer als tm Vormonat. Bei Schasen ist eine Steigerung gegen den Vormonat zu verzeichnen. Die Austriebe blieben aber gegen das Vorjahr etwas zurück. Eine wesentliche Steige rung erfuhren die Schweinezufuhren, die im Vergleich zum Vorjahre den erhöhten Beständen entsprechend, ungefähr 25 Prozent höher sind. Dagegen blieb die Einfuhr aus dem Auslande wesentlich geringer, so daß wohl hauptsächlich hier durch ein weiteres Abgleiten der Preise vermieden wurde Während der Rindcrmarkt große Preisveränderungen nicht aufzuweisen hatte, bewegte sich der Kälbermarkt in fallender Richtung. Im Vergleich zum Vormonat ist ein Preisrückgang von fast 20 Mark per Zentner oder etwa 30 Prozent sestzustellen. Der Schasmarlt hat infolge der erhöhten Exporttätigkeit eine wesentliche Be festigung erfahren, die ungefähr zehn Prozent gegen den Vor monat beträgt. Eine sehr unruhige Preisentwicklung auf den einzelnen Schlachtviehmärkten des Reiches nahm der Schweinemarkt. Hier waren Preisschwankungen von einem zum anderen Mark! bis zu 20 Prozent sestzustellen Während aus dem Berliner Markl zu Beginn des Monats die Preise bis auf 40—12 Psg gesunken waren, stiegen sie gegen die Mille des Monals aui 50 Psg., um dann wieder bis 12—13 abzuflauen und am vor- Ictzlen Markl infolge der klarten Preissteigerung 'm Wester Bild links: Der Kampf um den Zahlungsaufschub. Der amerikanische Finanzminister Mellon in der Konferenz mit den französischen Politikern. Von links: Briand — der amerikanische Botschafter in Paris Edge — Minister präsident Laval — Finanzminister Mellon. * Bild rechts: Vom 7. Oesterreichisch. Bundesschietzen. Vom 27. Juni bis 6. Juli findet in Salzburg das 7. Oestcr- reichische Bundesschießeu statt. Bundespräsident Mik- las — der in unserem Bilde die Front der Ehrenkom pagnie abschreitet — nimmt an dem Fest reil.