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Geistlicher Rat Heidegger aus Holzkirchen in Nieder bayern, beging sein 75jähriges Priesterjubiläum. Erdbebenzeichen in Mitteleuropa. In Nürnberg, Wien, Graz, Linz und Belgrad sind gleichzeitig Erdstöße am Seismographen verzeichnet worden. Sie dauerten aber nur mehrere Sekunden und haben in der Gegend von Graz auch einigen Schaden angerichtet. In Falenz stürzten einige Schornsteine ein, mehrere Häuser bekamen Risse. Tragödie im Eisenbahnzuge. In einem Abteil zweiter Klasse eines von Blankenese kommenden Vorort zuges wurden ein Ingenieur aus Othnmrschen und eine Frau aus Hamburg, beide aus Schußwunden blutend, be wußtlos aufgefunden. Nach den Angaben des Ingenieurs hat die Frau, mit der er vor Jahren in Beziehungen ge standen hatte, während der Fahrt auf ihn Schüsse ab gegeben und dann auf sich selbst geschossen. Beide Per sonen schweben in Lebensgefahr. Mordausklärung nach vierzehn Jahren. In den Septembertagen des Jahres 1913 erregte das spurlose Verschwinden des damals 45 Jahre alten ledigen Ar beiters Valentin Steidel aus Rohrbach bei Landau großes Aufsehen. Steidel entfernte sich mit der Angabe, daß er nach Ludwigshafen fahre, und kehrte nicht mehr zurück. Die angestellten Nachforschungen blieben erfolg los, er galt als verschollen. Jetzt stellte sich heraus, daß Steide! in der Nacht vom 20. zum 21. Dezember ermordet wurde. Der Staatsanwaltschaft Landau ist durch einen Mittäter an dem Mord, einen damals 17 Jahre alten Ar beiter namens Harder, dem die Sache keine Ruhe ließ, der Grubenarbeiter Ludwig Fischer aus Spittel bei Saar brücken angezeigt worden. Nach Angabe Harders hat er dem Mörder bei der Verscharrung des Ermor de t e n in dessen eigenem Garten Hilfe geleistet. Bunte Tageschronik. Wernigerode. Nachdem die Hochwasserschäden im Thum- kuhlental beseitigt worden sind, ist nunmehr der Personen- und Güterverkehr auf der Harzquerbahn in vollem Umfange Wieder ausgenommen worden. Koblenz. In einer scharfen Straßenbiegung bei Bassen heim aus dem Maifelde stießen zwei vollbesetzte Autos heftig aufeinander. Der Führer des einen Wagens, ein junger Mann aus Koblenz und ein Direktor aus Mayen, sowie eine Frau wurden schwer verletzt. . Genf. In der Nähe von Vevey am Genfer See wurde ein mit zehn Personen besetztes Auto an einem ungeschützten Bahnübergang vom Zuge ersaßt und zertrümmert. Dabei wurden vier der Insassen getötet und die anderen schwer verletzt. London. Auf einer Grube in Leigh sind durch Gesteins sturz zwei Bergleute getötet und vier verletzt worden. Suggestionen im tä'güchen LeHen. Jene besondere Art der seelischen Beeinflussung, die die Wissenschaft als Suggestion oder in der stärksten Form als Hypnose bezeichnet, hat für die meisten Menschen den ganzen Zauber des Wunderbaren und Unerklärlichen. Tatsache ist ja auch, daß das Wesen der Suggestion und ihre besonderen Gesetze bis jetzt nur recht unvollkommen «forscht sind. Jeder kennt die geheimnisvolle Erscheinung aus eigener Erfahrung, nur ist das den meisten nicht zum Bewußtsein gekommen. Zum Beweise seien im folgenden einige Beispiele angeführt. Jeder, der Soldat war, kennt die wunderbare Wir kung der Marschmusik. Wenn die ermüdete Truppe nach einer anstrengenden Felddienstübung von langem Marsche heimkehrte und beim Einrücken in die Garnisonstadt die Regimentsmusik zu spielen begann, dann spürte mit ein mal niemand mehr etwas von der bisherigen Müdigkeit (besonders, wenn auch die Mädchen auf den Straßen noch zusahen), die Haltung wurde mit einmal straffer, der bis dahin müde Gesichtsansdruck frischer. All das hatte aber nur die suggestive Kraft der Musik bewirkt; es war eine Suggestion, wie man sie sich deutlicher gar nicht denken kann, denn an sich war ja die Ermüdung trotz der Musik die gleiche, diese wirkte nur ablenkend, sie verdrängte das Bewußtsein der Müdigkeit. Eine solche Wirkung nennt man aber eben Suggestion. Ebenso eraina es den Sol- Auf Irrwegen Roman von M. Schall. (Fortsetzung.) s33 „Einzig Geliebte, ich kam zu spät, Hellmut ist tot. Der Kaus ist nicht mehr rückgängig zu machen; wir müssen scheiden für immer. Wie ich es ertragen soll, ohne Dich zu leben, das mag Gott wissen! Lebe wohl, Geliebte, Stern meiner Seele; mein Herz und meine Liebe wird nur Dir gehören bis zu meinem letztem Atemzuge! Dein Ulrich." Die junge Frau sank nicht in Ohnmacht, sie brach auch nicht in Tränen aus; wie versteinert blickte sie nur aus die wenigen Worte, die, wie mit einem Schlage, das Glück und den Frieden ihres Lebens vernichteten. Endlich erwachte sie langsam, säst automatenhast, mit starrem, ausdruckslosem Gesicht und schickte sich zum Gehen an. - „Wo wollen Sie denn hin," sragte Herta, ihre Hand ergreifend. Sie hatte sich auf einen Ausbruch heftigster Verzweif lung, zum mindesten auf einen Träncnstrom gefaßt gemacht, und nichts dergleichen geschah. Diese geradezu unheimliche Ruhe befremdete sie. Rita blickte mit völlig verständnislosen Augen um sich; endlich legte sie wie besinnend die Hand an die Stirne. „Fort," murmelte sie tonlos, „o, nur sort von hier." Ein Fieberfrost schüttelte ihre Glieder. Ihr war zu mute, als wenn ihre Seele schon längst gestorben sei und nur noch ihr Körper auf Erden wandle. Ihre hoffnungs reichen Zauberschlösser waren zu Staub zerfallen, das heilig gehaltene Bild des teuren Vaters lag, von seinem Throne herabgestürzt, gleich einem tönernem Götzenbilde in tausend Scherben zerschellt, zu ihren Füßen. Was sollte sie noch hier. Sie hatte fortan keine Heimat mehr — keine. O, und sie hatte sich eingebildet, endlich Ulrichs Liebe errungen zu haben. Lag nicht eine qualvolle Ewigkeit zwischen jetzt und jener Stunde, da sie seinen heißen Kuß auf ihren Lippen gefühlt, in sein leuchtendes Auge geschaut. Lüge! elende Komödie alles! Sie schüttelte sich wie in tiefem Ekel und stöhnte aus, so bang und schmerzvoll, in so verzweifelter Todesqual, daß es jedes andere Herz Daten im Felde, die im Kugelregen, selbst bei größter An strengung, niemals das Gefühl der Müdigkeit hatten. Wenn es um das Leben ging, konnte jeder laufen, wie ihm das unter normalen Verhältnissen niemals möglich gewesen päre. Hier bewirkte eben das feindliche Feuer eine äußerst starke Suggestion. Auch unsere Damenwelt kennt übrigens die suggestive Macht der Musik sehr gut aus eigener Erfahrung. Irgend jemand hat ausgerechnet, daß eine Dame während einer Ballnacht beim Tanzen etwa 15 bis 20 Kilometer auf den Zehenspitzen zurücklegt. Wollte man einer Dame aber sonst zumuten, auch nur den zehnten Teil dieser Strecke auf den Zehenspitzen zurückzulegen, so würde sie einen bestimmt für verrückt erklären, aber unter dem suggestiven Einfluß der Musik legt sie die obengenannte Strecke zu rück, ohne in der Regel nachher wesentlich ermüdet zu sein. Ebenso hat wohl jeder schon die Erfahrung gemacht, daß jede freudige Erregung eine starke Suggestion aus- übt, die einen Schmerzen und leichte Krankheiten im Augenblick vergessen lassen. Oder kann man sich etwa vorstellen, daß jemand noch an Zahnschmerz leidet, dem soeben mitgeteilt worden ist, daß er das große Los ge wonnen hat? Da ist tausend zu eins zu wetten, daß vor Freude die Zahnschmerzen urplötzlich völlig verschwanden sind; das ist aber auch nur ein Wunder der Suggestion. In umgekehrter Weise kann aber auch eine unerfreu liche Nachricht eine schädliche Suggestion ausüben. Man denke nur an den häufigen Fall, daß jemand beim Emp fang einer Hiobspost einen Schlaganfall bekommt, von dem er anderenfalls entweder ganz oder mindestens doch noch einige Zeit verschont geblieben wäre. Auch die so genannte „Kündigungskrankheit", die Angestellte befällt, die eine Kündigung erhalten haben, gehört im weiteren Sinne hierher. Jeder Sporttreibende wird die suggestive Wirkung kennen, die von der flotten Sportkleidung ausgeht. In Sportdreß oder in schneidiger Uniform ist jeder sozusagen ein ganz anderer Mensch als etwa in feiner Alltags kleidung; allein die Suggestion dieser angenehm in dis Augen fallenden Kleidung wird bewirken, daß seine Stim mung günstig beeinflußt wird, was sich etwa in selbst bewußterem, „schneidigem" Auftreten und in größeren Leistungen äußert. Ebenso wohnt auch dem Lob und dem Tadel eine ge wisse Suggestionskrast inne. Ein Kind, das stets getadelt wird, Pflegt es niemals zu einer anerkennenswerten Leistung zu bringen, während ein Lob zur rechten Zeit unerhört anspornend wirken kann, so daß dadurch größere Leistungen erzielt werden, als das sonst der Fall ge wesen wäre. Bekanntlich hat der unlängst verstorbene Franzose Eous gelehrt, daß die meisten Krankheiten lediglich durch Suggestion geheilt werden können; er hat auch im An schluß an seine Vorträge zahlreiche Krankenheilungen auf rein suggestivem Wege zustande gebracht. Dazu mag nun jeder stehen, wie er will, aber zum mindesten wird jeder aus eigener Erfahrung bestätigen können, daß wenigstens ein Fünkchen Wahrheit in derartigen Berichten enthalten sein können. Wohl jeder hat mal ein meist scherz haft gedachtes Experiment miterlebt, wie etwa das folgende: Man gebe einem Nervösen eine Originalpackung von einem Nervenmittel, das im Rufe steht, äußerst wohl tuend und beruhigend zu wirken. Nach mehrmaligem Ge brauch wird der Nervöse bestimmt auch diese Wirkung an sich verspüren und aus allen Himmeln fallen, wenn man ihm dann sagt, daß man in jene echte Originalpackung — Kartoffelmehl eingefüllt hatte. Es war nach dem Ein nehmen dieses vielgepriesenen Mittels lediglich die Sugge stion, die jene Wirkung hervorrief. Die Reihe ähnlicher Beispiele von Suggestion im all täglichen Leben könnte man noch beliebig verlängern, aber auch aus den angeführten geht Wohl schon mit aller Deut lichkeit hervor, daß es sich hierbei um eins jener Wunder handelt, an die wir uns im Grunde genommen schon so gewöhnt haben, daß sie uns gar nicht mehr zum Bewußt sein kommen. Diese Erkenntnis wird vielleicht manchen mit der Tatsache der Suggestion aussöhnen und die hier und da vorhandene Furcht vor dieser geheimnisvollen Macht bannen helfen. Ein Wunder bleibt die Suggestion aber trotz aller Alltäglichkeit. Fridolin. als das der Majorin gerührt hätte. Diese Frau kannte jedoch nicht das Gefühl des Erbarmens, wo es ein Errei chen des erstrebten Zieles galt. Ein grausames Lächeln spielte um ihren vollen Mund, und ihre Augen sprühten förmlich in Haß und Tücke. Mit wahrer Wollust gesättigter Rache weidete sie sich an den Qualen ihres Opfers. Jetzt legte sie ihre schlanken, Kühlen Finger auf Ritas fiebernde Rechte. „Eine heilsame Medizin schmeckt immer bitter, kleine Frau," meinte sie in begütigendem Tone. „Wenn Sie nicht ein so weltunerfahrenes Kind wären, dann würden Sie mir jetzt dafür danken, daß ich versucht habe, Ihnen die Augen zu öffnen. — Nun möchte ich Ihnen noch einen guten Rat geben. Merken Sie auf, was ich Ihnen sagen werde: man kann die Männer nie tiefer treffen, als wenn man ihnen vollste Gleichgültigkeit zeigt, da, wo sie um Liebe werben, aus Liebe hoffen. Ihr Stolz, ihre Eitelkeit fühlt sich dann eben verletzt. Und wenn man sich an sei nem Gatten für erlittene Unbill rächen will, dann darf man sich nur einem andern Manne hingeben. Auge um Auge, Zahn um Zahn, sagt ein uraltes Sprichwort." Ein zynisches Lächeln erschien momentan auf ihrem schönen, erbarmungslosen Antlitz, und ein böser Blick der flimmernden Augen huschte blitzschnell über das gesenkte Haupt der jungen Frau. „Halten Sie die Augen offen, Nita," fuhr sie nach kurzer Pause sort, „Sie können sich in dieser Weise rächen, die Gelegenheit bietet sich Ihnen dazu täglich, vielleicht gar heute noch! Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Sie wer den mich ja auch verstehen, alles übrige überlasse ich Ihrer weiblichen Schlauheit." Die junge Frau war allein. Mit seltsamem Blick schaute sie der sich eilig Entfer nenden nach. Sie bemühte sich, den Sinn der ihr völlig rätselhaften Worte herauszufinden. Vergebliche Mühe, ihr reines Kindesgemüt begriff es nicht, was dieser „gute Nat" eigentlich bezweckte. Sie war auch zu elend, zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Sie legte die Hände an die pochenden Schläfen und sann und grübelte; hatte sie denn all das. Schreckliche wirklich erlebt oder war es nur ein Traum? Nein, nein, es war ja Wahrheit! Ihre zitternden Finger umschlossen Die bezahlten Zeitungsleler. Von Tony Keilen. Daß jeder, der eine Zeitung lesen will, dafür eine Gebühr bezahlt, die manchmal nicht viel mehr als die Papierkosten deckt, wird wohl niemand als eine ungewohnte Erscheinung an sehen, — auch nicht in Amerika. Und doch gibt es in der neuen Welt Zeitungsleser, die ihr Blatt nicht nur umsonst erhalten, sondern auch noch für das Lesen bezahlt werden. „Das laß' ich mir gefallen," wird mancher sagen und viel leicht wünschen, wir möchten es auch noch so weit bringen. Ob das aber gerade gut wäre, ist eine andere Frage; denn mit den bezahlten Zeitungslesern hat es eine besondere Be wandtnis. Der Verleger der „New Dork Times" war es, der zu erst auf den Gedanken kam, ein Dutzend Zeitungsleser aus ver schiedenen Berufsständen und Gesellschaftsschichten zu beauftra gen, ihm mitzuteilen, ob in einer Nummer seiner Zeitung gar nichts gestanden, was sie besonders interessiert habe. Nun muh man wissen, daß die amerikanischen Zeitungen stets auf Sen sation ausgehen. Nicht die einfache Mitteilung einer nackten Tatsache, sondern die geschickt aufgemachte Nachricht, mit mög lichst vielen, auch den indiskretesten Einzelheiten aus dem Pri vatleben. Je grausiger oder pikanter desto besser. Und mög lichst der Konkurrenz zuvorkommen — das sind die Richtlinien der amerikanischen Presse. Und mögen die Redakteure noch so pfiffig und so gerissen, und die Reporter noch so tüchtige Spür hunde sein, wenn einer von den zwölf bezahlten Lesern dem Verleger mitteilt, in der heutigen Nummer stehe nichts Ge scheites, dann hat die Redaktion ihr Gehirn anzustrengen, um etwas Geeigneteres zu erfinden. Auf jeden Fall müssen der Ver leger und die von ihm bezahlten Leser zufrieden gestellt werden. Daß dies kein gesunder Zustand ist, wird bei uns wohl je- der zugeben. Dabei kann man den zu Grunde liegenden Gedan ken an und für sich gar nicht als falsch bezeichnen; wohl aber die Anwendung. Es wird dem Verlag wie der Redaktion er- wünscht sein, von unparteiischer Seite zu hören, ob dieser oder jener Artikel die Leser interessiert hat, ob der weitere Ausbau einer bestimmten Rubrik gewünscht wird oder nicht. Aber man kann den „Dienst am Leser" auch übertreiben, und das geschieht tatsächlich in Amerika. Dort ist es schon so weit gekommen, daß man die Redaktion beinahe ganz abge schafft hat. Vorläufig allerdings nur in einem großen Zeit schriftenverlag, denn in einer Tageszeitung, die auf schnelle Ar beit angewiesen ist, läßt sich die Redaktion nicht gut entbehren. Der erwähnte Verlag ist die Macfadden-Gesellschaft in New Jork, die etwa zwanzig teils wöchentlich, teils monatlich er scheinende Zeitschriften, illustrierte Magazine u. dergl. heraus gibt. Dieser Verlag beschäftigt etwa siebzig Probeleser gegen eine feste monatliche Bezahlung. Sie haben aber nicht die fertig gedruckten Nummern zu begutachten, sondern die ihnen vom Verlag unterbreiteten Manuskripte. Das erinnert daran, daß Möllere seine komischen Szenen erst seiner Köchin vorlas, um die Wirksamkeit zu erproben, und daß August Scherl in jour nalistischen Sachen auf das Urteil eines Friseurs hörte. Ueber. die Einrichtung Macfaddens teilt Dovifat in seinem neuen Werk über das amerikanische Zeitungswesen Folgendes mit: Als Probeleser wirken Kaufmannsgehilfen, Kellner, Friseure, Eis kutscher, Nähmamsells, Schutzleute und Chauffeure. Sie wer den zu einzelnen Gruppen von fünf bis sieben Personen zusam mengefaßt und sagen ihre Meinung über die ihnen vorgelegten Manuskripte in Form einer Note. Nach der Durchschnittsbeur teilung entscheidet dann der Verlag über Annahme oder Ab lehnung. Mag ein Beitrag noch so wertvoll sein, wenn er nicht den Beifall der Probeleser gefunden hat, so wird er unweigerlich zurückgesandt. Aber auch die anderen Beiträge sind dann noch nicht endgültig angenommen. Sie unterliegen nämlich noch der Zensur eines Ausschusses von Geistlichen und eines solchen von Rechtsanwälten. Nun glaube man nicht etwa, daß die Geist- liehen zugezogen wurden, weil der Verlag sonderlich viel aus Frömmigkeit hielte. Er will es nur vermeiden, daß in einer seiner Zeitschriften etwas abgedruckt wird, was ihm Unannehm? lichkeiten, etwa die Entziehung des Postdebits, eintragen könüteZ die sür ihn natürlich von schweren Folgen wäre. Aus demselben Grunde werden die Beiträge auch von Rechtsanwälten geprüft, denn in den Staaten der Union gelten nicht dieselben Gesetze, und man kann nie wissen, ... Die katholischen Bischöfe haben der Geistlichkeit die Beteiligung an dem Unfug verboten, aber die Geistlichen der vielen kleinen Sekten übernehmen gern dis Nolle der kirchlichen Zensoren, die ihnen bares Geld einbringt, und dafür liefern sie dem Verlag soviel Anerkennungsschreiben über den moralischen Wert seiner Zeitschriften, daß dieser sie zu Reklamezwecken zu einem ganzen Buche zusammengestellt hat. Das ist also einer der Gipfel des Amerikanismus. Keine einere Unterhaltung soll geboten werden, keine erziehende oder ührende Absicht maßgebend sein, sondern nur noch die Sensa- ionslust des „unverbildeten" Lesers. Das ist der Grund, wes halb geschäftskundige Verleger sich bezahlte Leser halten. Vor einem solchen „Dienst am Volke" möge man uns be wahren! noch immer den Brief mit den vernichtenden Worten. Das war Ulrichs große, kräftige Handschrift, das war das Da tum jenes Tages, als er in Merlenrode eintraf. Nur jetzt nichts mehr sehen, nichts mehr hören; ach jetzt nur sterben dürfen! Brennende Sehnsucht erfüllte ihr wundes Herz nach Ruhe und Stille. Wäre sie nur erst oben in ihrem Turm zimmer, dann würde auch wieder Klarheit in ihre wirren Gedanken kommen, um einen festen Entschluß über ihre Zukunft fassen zu können. Sie erhob sich. Alles drehte sich mit ihr in schwin delndem Kreise, feurige Funken sprühten vor ihren Augen auf, ihre wankenden Knie versagten den Dienst, nur tau melnd kam sie vorwärts. * Während der hier geschilderten Szene am Ufer des Sees durchschritt Ulrich, Rita suchend, die vielfach verschlun genen Wege und dunklen Lindenalleen des weitläufigen Parkes. Seine Wangen brannten, und seine Pulse schlugen fieberhaft. „Die Liebe," wiederholte er flüsternd für sich, „die Liebe!" jubelte er auf. Endlich, endlich, nach vielen Irrwegen hatten sich ihre Herzen gefunden, um eins zu sein für alle Zeiten. Seine Gedanken vertieften sich in die himmlischen Wonnen sinnberauschender Flitterwochen, die er jetzt erst mit seinem jungen Weibe genießen würde. O, über das überschwengliche Glück solcher Stunden irdischer Seligkeit. Rascher wallte das Blut durch seine Adern; immer un gestümer wurde das Sehnen nach der Geliebten; er be schleunigte seine Schritte und rief ungeduldig ihren Namen. Keine Antwort, als das leichte Echo, welches ihn im schwachen Widerhall aus weiter Ferne narrte. Maßlose Unruhe ergriff ihn; wo mochte sie nur stecken? Was sollte er davon denken, hatte sie denn nicht auch heim liche Herzenssehnsucht nach bräutlichem Kosen wie er? Viel leicht hatte er sich doch geirrt, und ihre Liebe gehörte nicht ihm, sondern — dem Freunde? Unter diesen wechselnden Gedanken war er in den dunklen Heckengang eingebogen, welcher den Park vom See trennte. (Forts, folgt.)