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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage znrn Frankenberger Tageblatt WiÄ jeder Mittwochs-, Freitags- und SomüagS-Nmitmer ohne PreiSechöhung des HauptblatteS beigegebeu. Wr. 78 Krettag de« 19. Juti 1918 Nscbtwsnckekang Der Mond am nächt'gen Sternenkleid, Des Himmels blanker Spiegel, Hebt plastisch aus der Einsamkeit Den Wald auf grünem Hügel. — ' > - Es tanzt das Bächlein, jung und schön, Gehüllt in'Silbrrseide, - Im Schleierspiel der Nebelfee'n Durch tauumperlte Weide. — Das Korn wiegt sich in sanftem Wind, Mit Achten reich bedacht. - Und leise geht das Sommerkind Durch diese stille Nacht.—" Doch was die Erde freudbewegt In frommem Trieb beschert Und was sie sorglich hegt und pflegt —r Sind es die Menschen wert? — Hans Jcsora. Die VhM dee Geeuendor^s. Roman von Lola Stern. 1 " Nachdruck verboten Erster Teil. f' 1. Joachim von Treuendorf ritt vom Felde heimwärts. Das Korn stand gut in diesem Jahre, in den nächsten Tagen sollte mit der Ernte begonnen werde». Wenn nur der Himmel ein Einsehen haben und kein Gewitter zur unrechten Zeil schicken wollte. ' Der junge Gutshekr blickte nach oben. Klar und wol kenlos, tiefblau spannte sich der Himmel auch heute —'wie seit Wochen schon — über dem weilen märkischen Land. Heist brannte die Julisonne. Die Beständigkeit des Wetters machte Joachim von Treuendorf SSkge, wenn es nur so bleiben wollte, bis die Ernte unter Dach und Fach war!, Er rechnete rm Reiten, sein Gesicht hellte sich allmählich auf. Wenn alles klappte m^diesem Jahr, dann würde er end lich ein wenig Atem schöpfen, an einige notwendige Repara turen und Neuanschaffungen denken können. Ach Gott, die ewigen Sorgen! Statt sich des Sommers, des blauen Himmels, der lachenden Sonne zu freuen, Torgen und Sorgen! Bedenken! Da ritt man an solchem Sommer tag durch die Felder, sah das wogende Gold der Aehren, das Grün der Kiefernwälder, die weite Landschaft in ihrer Herr lichkeit, und statt über das alles glücklich zu sein, statt sich dieser fruchtbaren. und sommerlichen Schönheit hrnzugeben, wälzte man Ziffern in seinem Schädel, Berechnungen, dachte an Reparaturen, an Dreschmaschinen, an eine kranke. Kuh. Und vergast fast die eigene Jugend über dem allem. Flüchtig, mit einem halben Lächeln, dachte Joachim an die fernen Tage seiner Leutnantszeit zurück. Da war er hier Sonntags durch Felder und Wälder geritten, wenn er aus Urlaub von Berlin herüberkam in das väterliche Haus. Da hatte er keine Sorgen gekannt, und es war ihm ganz gleich-- gültig gewesen, ob am nächsten Tag die Sonne scheinen oder ob es regnen würde. Ja, damals! Da hatte er m den Tag hineingelebt, jung und vergnügt! Und hatte sein Leben genoffen. Und vielleicht hatte er damals nicht einmal 'gewußt, wke gut er «s hatte, wie sorgenlos! , Bis dann das Erwachen kam. Auf seiner Parforcejagd war der Vater gestürzt. Ein Todessturz für Noß und Reiter.' Dem Gaul halt« man den Gnadenschuß' gegeben, der Vater quälte sich noch mit einer schweren Gehirnerschütterung, die dann tödlich verlief, In der Blüte seiner Jähre war er dahingegangen, ein frischer, lebensfroher, gesunder Mann. , Joachim, As der Aeltere der beiden Brüder, nahm sofort den Abschied, um dgs Gut zu übernehmen. Es wurde ihm nicht leicht, die Offizierslaufbahn so früh aufgeben zu müssen, als junger Leutnant. Aber er wußte ja damals noch nicht, was ihn auf dem väterlichen Gute erwartete. - Dreiundzwanzig Jahre war Joachim von Treuendorf alt, als die Sorgen in sein Leben kamen, um ihn bis heute nicht wieder.zu verlassen. Er verstand damals nichts von der Landwirtschaft. Ueberhaupt nichts von geschäftlichen Dingen. Und wie er sich dann die Bücher vorgenommen und sich mühselig hin- eingearbeitet hatte in diese ihm fremde Materie und sie dann doch bezMngen mit Willen und Intelligenz und Fleiß, da war Ler lachende Jugendühermut aus seinem Jünglings- antlitz verschwunden, da wurde in wenigen Tagen aus dem sonnigen Knaben ein ernster Mann unter der Last der Sorgen und Mühen, die hier auf ihn gewartet. Er war nach der Mutter geartet. Nun, da das Leben zum erstenmal ernste Anforderungen an ihn stellte, nahm er sie wichtig und schwer. Pflichttreu und arbeitsam war er, unermüdlich tätig. Zum erstenmal sah er nun den Dingen, 'die bisher Oberfläche für ihn gewesen waren, auf den Grund. Der Nimbus, mit dem er Len Vater bisher umkleidet, schwand, als ex das vernachlässigte, verwahrloste, tief verschuldete Gul nun sein eigen nannte. Der alte Inspektor hatte getan, was er vermochte, j Aber das Geld hatte zu allen Zeiten gefehlt. Immer höher wurde das Gut belastet. - Der Vater war Abgeordneter gewesen. Die Politik spielten die Haupttolle in dem Leben dieses Mannes. Sie war für ihn Tätigkeit, Leben, Bewegung, Reiz! Das Gut kam erst in zweiter Linie. Er lebte monatelang^ in Berlin. Dann überliest er dem Verwalter alles. Und wenn er heim kam, so verlangte er Geld und immer wieder Geld. Für politische Agitation, für sein eigenes luxuriöses Leben in Ber- lm, für Vergnügungen. Und häufte so Lasten auf Lasten auf das Gut. Seme Frau, zart und schüchtern, vermochte nichts seiner gewalttätigen Herrennatur gegenüber. Und Joachim, dem dre Ehe der Eltern bisher die glücklichste, die er kannte, ge schienen, sah nun, nach dem Tode des Vaters, plötzlich das Leben der Mutter in einem ganz anderen Licht. Sah die Sor? gen, dis sie bedrückt, ahnte dunkel das Martyrium der zarten Frau, Lie keinen Willen haben Lurfte und keinen eigenen Wunsch an der Sette des herrischen und von ihr aböttksch ge liebten Mannes. Ihr Leben schien gebrochen von dem Tage an, als sie Len Gatten begrub. Sie konnte Jochim kaum eine Stütze sein in seinem schweren Leben. Aber eine ratende, helfende, gütige Freundin war sie ihm gewesen. Und als sie vor zwei Jahren, vier Jahre später als ihr Gatte, verschied, La hinter- lreß sie Joachim als Erbteil die Sorge um ben jüngeren Bruder, Ler ihr Sorgenkind von jeher gewesen war, um Len sie ständig in Angst lebte. Erich von Treuendorf hatte des Vaters heißes und ungestümes Blut geerbt. Und des Vaters Leichtsinn. Nur Laß alles bei ihm unbeherrschter noch war, gesteigerter, toller. Marie von Treuendorf sah m ihrem jüngsten Sohn ein Ebenbild ihres geliebten Mannes. Aeußerlich glich Erich dem