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s 3 S-W 310 ihm so absurd, datz er lächelte. s SL Er sollte die diplomatische Karriere einfchlagen. Seine Begabung und Intelligenz, seine Leichtigkeit und Beweglich keit liehen ihn eine glänzende Zukunft erhoffen. Er arbeitete rm Auswärtigen Amt. Aber er vergah nur zu ost Pflicht und Zukunft über seinen Leidenschaften.... Joachim von Treuendorf schüttelte energisch den Kopf. Wohin führten ihn heute seine Gedanken. Was nützten diese Grübeleien über Vergangenheit und Zukunst? . Ihn band das Versprechen, das er der sterbenden Mutter gegeben, das sie ihm förmlich erpreßt: nie und was auch je mals geschehen möge, die Hand von Erich zu ziehen, stets zu ihm zu stehen in guten und bösen Tagen. - Ach, sie hatte wohl gewutzt, di« sterbende Mutter, wie die- ses Gelöbnis ihn band. Denn wäre dies Versprechen nicht gewesen, lange, lange, hätte er sich schon von Erich abgewandt m diesen zwei Jahren, die seit der Mutter Tod vergangen waren. „Tag, oller Junge. Na, was macht die Ernte?" Joachim von Treuendorf streckte sich müde in einen Sessel. Er betrachtete die gepflegte, Erscheinung des Bruders, sah dann auf seine verbrannten Hände mit den kurzgeschnittenen Nägeln, auf die Lodenjoppe, die er trug, die hohen Reitstiefel, die grau-waren väm Staub, und seufzte in leiser Melancholie. „Na, altes Haus, wo fehlt's denn?" „Ach, Erich, was soll ich dich mit meinen landwirtschaft lichen .Sorgen öden! Eine bevorstehende Seuche! -Die hat mrr gerade noch gefehlt! Ja, du. lachst! Mir ist todernst zumute." „Ich lache auch gar nicht über die Seuche, nur über dich! Dag du alles so tragisch nimmst! Di« ganze Ge schichte'hier! Das Leben überhaupt! Mensch, 'die Jahre vergehen, du wirst alt, und eines Tages besinnst du dich, daß du nichts vom Dassin gehabt hast!" „Das kann schon so kommen, Erich,".sagt: Joachim ge dankenvoll. „Aber was tun? Solange ich das Gut hier be wirtschafte, habe ich nur Sorgen und Mühen gekannt. Von morgens bis abends denken müssen und überlegen und ar beiten. Die Nächte habe ich oft gewacht, und gerechnet und gerechnet. Ohne die unendliche Mühe, die ich mir gegeben, hätten wir längst abgewirtschaftet." „Dann wäre dir vielleicht wohler!" - „Ja, das sagst du so hin! Aber ich habe das Gut doch nicht übernommen, um nach einigen Jahren mir selbst einge stehen zu müssen, datz ich unfähig war, es zu halten? Nein, seiner Lage. i Der Aeltere sagte versonnen: „Gott, Erich, die Liebe ist wohl auf Ediths Seiten größer als auf der deinen. Mir brauchst du doch nichts vorzumachen, es ist ihr Geld, was dich reizte." i „Ja, aber wenn sie weniger niedlich wäre, hätte ich mir die Sache doch noch sehr überlegt, mein Junge! Es ist ulkig! Außer dir traut kein Mensch mir kühle Berechnung zu. Edith hält mich für «inen Idealisten reinsten Wassers!" Er lachte. „Weil du dafür gehalten werden willst, Erich! Und weil du der geboren« Schauspieler bist. Es kennt dich eben keiner, wie ich dich kenne, mein Junge!" „Gott sei Dank nicht", sagte Erich von Treuendorf trocken. „Um aber auf dich zurückzukommen, Achim. Frau von Falbendorf macht dir doch starke Avancen! Die könn test du haben, wenn du nur wolltest. Und sie isthübsch und wohlhabend." „Meinst du?" sagte Joachim kühl. „Nun, die ist nicht Mein Geschmack. Und wozu darüber reden, Erich? Du kennst meine Ansichten über Liebe und Ehe doch zur Genüge." „Ja, ab«r du tust mir leid, altes Haus! Mit deinen Idealen, mit deinen Ansichten kannst du hier ewig allein sitzen und rackern und schuften, und es kommt nichts dabei 'raus! Solange Mama lebte, war es noch anders, da hat test du sie zur Seite. Aber jetzt bist du ganz allein. Und „Du solltest heiraten", sagte der Jüngere. „Eine reiche Frau, um endlich aus dem Druck herauszukvmmen, um etwas von deinem Leben zu haben." , Joachims Gesicht hatte sich wieder verfinstert. Er strich sich nervös über den kleinen, blonden Bart. „Du weißt doch, wie ich darüber denke, Erich. Ohne Liebe niemals!" „Ja, du bist eben ein unverbesserlicher Idealist!" meinte Erich gelassen und zündete sich eine Zigarette an. „Liebe und Geld — das ist nicht so einfach, da mütz man schon solchen Dusel haben wie ich!" . einem Menschen, der sich von seinen Leidenschaften beherrschen Keß, dem war nicht zu helfen... Joachim hatte den Gutshof erreicht. Er hielt vor dem--, langgestreckten, zweistöckigen Schloß,, sprang vom Gaul und übergab das schweißtriefende Tier seinem Diener, der.aus dem Hause kam. i . „Der jung: Herr ist gekommen, gnädiger Herr." Aber ehe er ins Haus gehen konnte, kam Vdn der anderen Seite der alte Inspektor auf ihn zu. „Na, Thieme, was gibt's?" . „Der Tierarzt ist noch im Stall, gnädig« Herr. Er So konnte er nicht. Erich! Das meinst du ja auch nicht so! Treuendorf ver- So half er wieder und wieder. Gab immer von neuem, taufen vielleicht? Diesen Besitz, der seit vierhundert Jahren Unwillig, ohne je Dank zu erwarten und zu ernten, traurig, in den Händen unserer Familie ist?" Die Vorstellung erschien weil er wußte, daß er niemals anders werden würde. Denn Vater, wie er gewesen war in jener Zett, als er in Maries Sie glichen sich äußerlich, dieselben schlanken, elastischen Ge- Leben Fetteten. Italien, dasselbe weiche, dunkelblonde Haar und der gleiche Begabt und glänzend, liebenswürdig und schön, dabei Schnitt der rassigen Gesichter. Aber bei dem Jüngeren war leichtsinnig und ohne Hemmungen. So war Erich von Treuen alles weicher und schöner. Ein frauenhaft voller, tiesrunder dorf. Allen Genüssen und verderblichen Leidenschaften des Mund, den kein- Bart überschattete, und dunkle Augen, in die Daseins ergeben. Als leidenschaftlicher Liebhaber des Pferde- er einen verträumten und sehnsüchtigen Ausdruck legen konnte, sports zählte er früh zu den bekannten Herrenreitern Deutsch- wenn er mit Frauen sprach und gefallen wollte. lands. Pferde und Rennen, Wetten und Spielen,'das war Seine schmalen, gepflegten Hände mit den langen, gilt sein'Lebenselement. x x / manikürten Nägeln, ruhten jetzt auf den Tasten, er wandte Immer wieder stand er als Fordernder vor dem Bruder/ den Oberkörper halb herum und nickte dem Bruder zu. der hier drauhen scharf und mühselig arbeitete, um das Gut zu halten, um die Zinsen aufzubringen, der kaum an sich i selbst denken konnte, der jedem Lurus, jedem Vergnügen ent sagen mutzte, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Joachim von Treuendorf wurde hart in diesen Jahren und wies den Bruder zurück. Er wollt« nicht schuften und arbeiten, damit der andere prahle: Aber dann war jedesmal die Mutter dazwischengetteten, hatte für ihren Liebling gebeten, hatte beschwichtigt, gemahnt, gefleht. And jedesmal triumphierte Erichs Leichtsinn über die Strenge seines Bruders. Er lachte. Und dachte an seine junge, reiche Braut, die l Vierteljahr das Jawort gegeben, und deren Mitgift ihn Herausreitzen soM^aus allen -Schwierigketten Es war ja ewig dasselbe Hied5 Leutenot.... höhere Löhne.... neue Forderungen, ein Ausnutzen der Notlage jetzt vorder Ernte. Immer dieselben Sorgen, immer dieselben unerfreulichen Mitteilungen. Und dann kam der Tierarzt ihm mit besorgtem Gesichts ausdruck entgegen. Er fürchtete den Ausbruch einer Seuche beim Vieh Als Joachim dem Hause wieder zuschritt, war seine Stirn noch bewölkter als vorher. Er trat auf die Diele, gab dem Diener Reitpeitsche und Panama. Aus einem der Salons zu ebener Erde klang gedämpftes Klavierspiel. Joachim lauschte. Weich und voll tönten die Klänge. Erich von Treuendorf satz am Flügel und phantasiert« ohne Noten ein Mnig vor sich hin. Er spielte gut. Ueber- haupt — alles, was dieser schöne und lachende Mann anfatzte, . das konnte er, das gelang ihm. Aber kein Ernst bei dem allen, kein Dorwärtskommen. Kein gestraffter Wille. Der Altersunterschied zwischen den Brüdern betrug nur zwei Jahre. Aber während Joachim älter wirkte und reifer als neunundzwanzig Jahre, schien Erich noch jünger als er war. macht ein bedenkliches Gesicht mnd kommt nicht recht raus mit der Sprache. Wenn der gnädige Herr vielleicht selbst . . .1 ihm vor einem „Ach ja, richtig, die kranke Kuh. Sagen Sie meinem Bruder, ich käme gleich!" rief er dem Diener zu, und ging mit grohen Schritten neben dem Inspektor her über den Hof, den Stallungen zu. Und hörte nur mit halbem Ohr, was der alte Mann ihm da erzählte.