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274 in allein Früh« fortzulaufen. Ms ob die Leute nur <mf sie warteten. Aber vielleicht ist das ganz gut, sie wird merken, wie schwer es ist, anzukommen und sich im LÄen durchzuschlagen." Frau Krusemann Dah mit gekniffenen Augen auf Char lotte. - * „Cie sollten ihr aber wenigstens ihr Geld nich abnehmen, das finde ick nun nich nobel." Charlotte warf den Kopf zurück, jetzt wieder ganz „'Salon dame". — „Bitte, das geht Sie nichts an, das ist unsere Angelegen heit." „Stimmt, und ick kann ja nur froh sein, dah ick zu meinem Geld gekommen bin. Aber so 'n armes, unerfahrenes Wurm kann einem leid tun. Sagen Sie mal, Frau Grabown, Sie wollen ihr doch nich mit mang die lockere Gesellschaft nehmen?" „Ich muh Sie sehr bitten, dah 'Sie sich nicht in Sachen mischen, die Sie nichts angehen. Uebrigens verkehre ich mit Leuten aus den ersten Kreisen." „Na ja. Aber di« Damens sind doch alle nur vons Theater und so. Nich eine von der Jüte, wie Ihre Nichte, ick kenn« mir aus in dke Verhältnisse." „Meine Nichte kann da Line erst« Partie machen bei ihrer Schönheit." „Mir können Sie so was erzählen, ick bin verschwiegen. Die H«rrrn wollen doch alle nur so 'ne kleine Liebelei an zetteln. Heiraten is' nich — das is doch klar." Charlotte zuckte die Schultern. „Cie sprechen wie der Blinde von der Farbe. Das ver stehen Sie nicht. Lassen Sie das Thema. Sie nehmen sich überhaupt sehr viel heraus. Ich werde in Zukunft jede Vertraulichkeit mit Ihnen unterlassen." „Na, man zu, ick werd« es ja überleben. D^halb sage ick doch, was wahr is. Aber nun kann ick ja stillecken find, janz wie Sie wünschen. Mir tut das arme, ahnungslose Wurm leid." „Sparen Sie doch Ihre Menschenliebe für andere Fälle. «ie sind ja sonst nicht so voll Mitgefühls wenn es einem Menschen schlecht geht." „Ach so, damit meinten Sie sich selber? Nee, gegen so 'ne Menschen, wie Sie sind, is Mitjefühl ooch nich am Platze. Wenn ick unjemütlich bin, dah Sie mir die Miete manchmal so lange schuldig bleiben, denn hat das seine Erik Ick kann ooch nich Sekt trinken und seine Bonbons und ! Delikatessen knabbern, wenn ick kern Geld habe und borgen muh. Da stippe ick mir lieber 'ne trocken; Stulle in 'n Kaffee ! und nähre mir von das Bewuhtsein, 'n ehrlicher Mensch zu ! bleiben. So, das wollte ick Ihnen bloh jesagt haben. So ! lange Sie Geld haben, sind Sie ja immer so von oben herab, bloh wenn es damit hapert, denn is die Krusemann jut zu Vertraulichkeiten. Damit ging die alt« Frau, ungeknickt von Charlottens Gröhe, hinaus. Diese stampfte wütend mit dem Fuh auf. „Unverschämte Person! So ist es, wenn man gezwungen , ist, sich zu solchen Menschen herabzulassen, damit sie einen nicht vor die Tür« setzen, wenn man mal nicht gleich bezahlen kann. Oh, dies« ewige Misere! Und zu denken, dah man die Schwiegermutter eines der r«ichsten Männer hatte werden können! Diese Eva kann gar nicht verantworten, was sie mir damit getan, dah sie davongelaufen ist. Wendenburg hätte entschieden anständig für mich sorgen müssen. Herr gott, und dazu mein Pech in letzter Zeit! — Fatale Geschichte, die Spielaffäre neulich abends. Wenn man mir nur nicht nachträglich noch etwas am Zeuge flickt. Zum ENck war ich gerade.an diesem Abend unwohl, als das Nest ausgc- hoben wurde — aber ob man'mich nicht noch denungjert? Verwünscht, dah ich mich damit eingelassen habe, aber,was Hilsts! Verhungern kann man doch nicht. Und die Gimpel brauchen ja nicht ins Garn zu gehen!" Während di«se unerfreulichen Gedanken Charlottens Hirn kreuzten, ging sie unruhig auf und ab. Wie fast all« talentlosen Schauspieler, hatte sie sich zu Großem berufen gewähnt, weil ihre Schönheit einigen Beifall errungen. Sie hatte dann Evas Vater geheiratet, weil sie geglaubt, «r verfüge über «in großes Vermögen, und hatte es fertig gebracht, ihn in wenigen Jahren zu ruinieren, dann ging "sie kaltblütig wieder zur Bühne zurück. Sie glaubtetan ihre Gröhe, und dah sie nur untergeord nete Staffagerollen erhielt, führte sie aus kollegial« In trigen zurück. Statt, wie sie gehofft, ein leuchtender Stern am Kunsthimmel zu werden, ging es Jahr um Jahr bergab mit ihr. In den letzten Monaten hatte sie sich in ihrer permanenten Geldnot dazu verketten lassen, einer Spielhölle Opfer zuzuführen. Sie erhielt dafür einen kleinen Gewinn anteil. Nun war diese Spielhölle aufgehoben worden. Mamen von gutem Klang waren mit in den Skandal gezogen, der dadurch entstand. Wie durch ein Wunder war Charlotte der Verhaftung entgangen. Gerade an diesem einzigen Abend war ihr so elend zumute gewesen, dah sie zu Hause geblieben war. Aber ganz wohl war ihr dabei immer noch nicht. Es liefen da noch so allerhand andere unsaubere Geschäfte mit unter, — sie wuhte selbst nicht mehr, -wie sie da hinein geraten war. Eines war aus dem anderen entstanden und sie brauchte doch schliehlich Geld, um zu leben. Aber doch sehnte sie sich mit dem letzten Rest von An ständigkeit aus diesem Treiben heraus. So kam es, dah sie ihr Kind als Mittel zum Zweck benutzen wollte, um sich aus dem Sumpf auf festen Boden zu retten. Und mit der Zähigkeit einer Ertrinkenden klammerte sie sich an diese letzte Hoffnung. Ms Eva gegen Mittag in die Wohnung ihrer Mutter zurückkehrte, hatte.sie trübe Erfahrungen gesammelt. Sie hatte vergeblich an verschiedene Türen'geklopft. Meist hatte man sie nach einem Blick auf ihre vornehme Schönheit mit den, Bescheid verabschiedet, dah die Stelle bereits besetzt seh oder hatte achselzuckend nach ihren Zeugnissen gefragt. Ganz elend kam sie zu Hause an. Ihre Mutter hörte ihren kurzen Bericht an und nickte mit dem Kopfe. „Ja — das denkst du dir viel leichter, als es ist, du weiht noch nicht, wie der Kampf ums Dasein aussieht. — Sei vernünftig, Iah dir raten, und kehre zu Wendenburg zurück." Eva prehte die Hände an die Schläfen. „Schweig — bitte» rede mir nicht davon, Du quälst mich nur unnütz." „Ich kann aber nicht ruhig mit ansehen, wie Du einer sentimentalen Marotte wegen Dein Glück aufs Spiel setzest. Ich kenne das Leben besser als Du. Reich sein ist alkes Gute und Schöne besitzen, arm sein ist Elend und häßliche Sorge. Was Du Dir vielleicht als Ideal vorgestellt hast, ist nichts als trügerische Illusion. Es wird sich bitter an Dir rächen, wenn Du nicht auf mich hörst!" Eva trat mit bleichem, entschlossenem Gesicht vor ihre Mutter hin. „Ich werde lieber in Not und Elend sterben und ver derben, als dahin zurückkehrrn, wo ich hergekommen bin. Ditte, spare also dir und mir Auseinandersetzungen über diesen Punkt." - Charlotte kniff di« Augen zusammen und zuckt« die Schultern. Am Nachmittag schrieb sie jedoch an Wendenburg, dah Eva bei ihr sei, dah sie mit Bedauern gehört habe, wie unüberlegt diese gehandelt. Sie habe aber die lleber- zeugung, dah ihrs Tochter nur einer sentimentalen Grilkr gefolgt sei, und dah sie bald von selbst einsehen werde, wie gut es Wendenburg mit ihr meinte. Er möge sich nur auf sie verlassen, sie würde Eva schon den Kopf zurecht rücken. Diesen Brief sandte sie sofort ab, ohne Eva etwas davon zu sagen. Sie war im übrigen besttickend liebenswürdig zu ihr und plaudert« unaufhörlich. Das junge Mädchen muhte zugestehen, dah ihre Mutter, wenn sie gut gelaunt war,, noch heut« eine charmante Frau.sein konnte. Nur die thea tralischen Gesten und Puder und Schminke störten biesen Eindruck. Am Abend desselben Tages wollte Charlotte ihre Tochter um jed«n Preis bewegen, mit ihr in ein Theater zu gehen und nachher mit ihren Bekannten zusammenzutreffen. Eva lehnt« jedoch bestimmt und ruhig ab. Für das Theater habe sie jetzt kein Geld übrig, und nach dem Theater noch auszu gehen, ohne Herrenbegleitung, vertrüge sich nicht mit ihren Ansichten. „Mach Dich doch nicht lächerlich, Eva. Du kannst Dich doch hier nicht einspinnen. Theaterbilletts verschaff« ich uns ohne Geld, ich habe Verbindungen genug." — Eva zog die Stirn zusammen. „Ich möchte mir nichts schenken lassen von fremden Menschen." „Du bist entsetzlich spiehbürgerlich. Sei doch nicht klein lich, komm mit, Du sollst sehen, Du amüsierst Dich ausge zeichnet. Brauchst nicht zu fürchten, dah Du mit obskuren