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275 - Menschen zusammenkommst, ich verkehre, mit Kavalieren aus der besten Gesellschaft." „Mag sein. Du meinst es gewiß gut. Äber bitte, laß mich zu Haus. Ich bin es auch gar nicht gewöhnt, so lange aufzubleiben, und morgen muß ich zeitig wieder heraus, um weiter nach Arbeit zu suchen." „Hast Du nicht von der heutigen Probe genug?" „Das wäre schlimm, so schnell soll es mit meinem M/tt nicht zu Ende sein. Ich muß etwas finden, ehe mein Geld zu Ende geht. Es wird doch Arbeit und Unterhalt für einen Menschen zu finden sein, der sich ehrlich darum bemüht." . Charlotte lachte spöttisch und schüttelte den Kopf. „Du heilige Einfalt — Du wirst bald flügellahm werden. Mit dem ehrlichen Willen ist es nicht allein getan. Lieber Gott — wenn weiter nichts nötig wäre! Du hast ja nicht einmal Zeugnisse." „Schlimmstenfalls bitte ich Onkel Horst um ein solches.' „Welche Idee! Ich kann dir nur immer wieder raten, sei vernünftig, werde Wendenburgs Frau." „Niemals." Es lag ein Ausdruck in ihren Worten, der ihre Mutter'' verstummen machte. Jedenfalls sah Charlotte ein, daß vorläufig nichts mit Eva anzufangen war. So ging sie wieder allein aus. Eva saß noch eine Weile am offenen Fenster und sah aus die Straße hinab. Dann kam Frau Krusemann herein wie gestern abend. Die alte Frau sprach Eva Mut zu. Eva fühlte sich im Innern so einsam und verlassen, daß sie di« Worte der alten Frau wie eine Wohltat empfand. Sie drückte die grobe, verarbeitete Hand und sagte dann freundlich: „Ich verliere den Mut nicht so schnell und danke Ihnen herzlich für Ihre guten Worte." Fortsetzung folgt. krkolge Mem lcdwerlten Wilm in an 5siNsn;lcblacbt (K.M.) Aus dem Felde wird uns geschrieben: Am Borbereitungsfeuer unseres Durchbruchs an der Aisne waren unsere schwersten Kaliber in starkem Umfange beteiligt. Weil im Hintergelände packten sie die großen Ziele: Truppen lager, Brücken, Straßenkreuze und Bahnhöfe; und da unsere Infanterie an vielen Stellen bereits am Abend des echten Schlachttages am Ziel unserer Großkaliber stand, konnte sie mit eigenen Augen die Wirkung unserer Großgeschosse prü fen und bestaunen. Sie konnte frststellen, daß alle Verkehrs zentren und Nachschubstellen, die wichtigen Umschlagbahnhöse, insbesondere z. B. der Bahnhof Soissons, stark gelitten hatten und auf den Anmarschstraßen Verwirrung und Stockung erreicht war. Einen besonders schönen Erfolg-erzielte die Flachfeuer- Beschießung der schwer-kalibrigen auf Eisenbahnwagen mon tierten und nur auf Eisenbahnschienen beweglichen feindlichen Geschütze. 5 solcher Geschützzüge erhielten Treffer aus die Maschine oder auf die Munitionswagen, die gleichzeitig die Abfahrtsgleise zerstörten. Bei 9 anderen Zügen wurden die Abfahrtsgleise so zerschossen, daß ein Fortkommen unmöglich wurde. Im ganzen fielen, auf diese Weise bewegungsunfähig gemacht, 14 Eisenbahngeschütze mit zugehörigen Munitions wagen, Wohnwagen für die Bedienung und den unter Dampf stehenden Lokomotiven in die Hände unserer bald auftauchen den Infanterie. Es befinden sich darunter 4 37 cm-Haubitzen mit Rohrrücklauf, «in ganz mod«rnes Geschütz mit 20 km Schußweite und 10 Zentner schweren Granaten, 3 30,5 cm- Kanonen, Riesengeschütze mit 13 m langen Rohren (sie be schossen Laon) und 6 19 cm-Haubitzen. Alle diese Geschütze sind noch verwendbar, 3 zum ihnen wurden nach Wiederher stellung der Geleise umgekehrt und stehen seit 8 Tagen im Feuer aus wichtige feindliche Ziele. Wie stark das französische Flachfeuer an der Aisne- front war, beweisen noch die übrigen zahlreichen erbeuteten Eisenbahngeschütze, die auf Bettungen abgesetzt und nicht mehr herausgebracht werden konnten. 14 24 cm-Kanonen und 3 lange 155 mm-Kanonen wurden erbeutet. Nur 8 von ihnen konnte der Gegner sprengen; die übrigen sind vollständig brauchbar. Di« Anhäufung schwerster Artillerie galt vermutlich der Beschießung der im Aisneabschnitt angenommenen auf Paris feuernden Geschütze. Außer der schweren Einbuße an Kampf- kraft bedeutet der Verlust der Geschütz« für Frankreich eine Geldeinbuß« von 10 000 000 Mark. Leutn. v. Hollander, Offizier-Kriegsberichterstatter. Vie Völle Oer Sekru-ene» Von den unsäglichen Leiden deutscher Kriegsgefangener, die das Unglück hatten, den Franzosen in die Hände zu fallen, wird in Deutschland seit langem viel Herzerschüt terndes erzählt. Als im Herbst 1914 die ersten Nachrichten über französische Grausamkeiten zu uns orangen, war man allgemein erstaunt und überrascht. Denn der Franzose hatte immer als ritterlicher Gegner gegolten, als vornehmer Kämp fer, der seiner angeblich hohen Kultur unter allen Umständen Ehre machte und im wehrlosen Gegner, die Waffen senkend, vor allem den Mitmenschen achtete. Diese Auffassung vom französischen Volksgeist, die, wie jeder Kenner wußte, so verträumt und unrichtig wie nur irgend möglich war, ver danken wir in der Hauptsache unseren franzosenfreundlichen Zeitungsschreibern. Sie hatten sich von der Pariser Presse und den Pariser Machthabern,mit glatten Redensarten ein- seisen lassen und priesen nun die angeblichen Tugenden, Vorzüge, Ed«lgedanken des gallischen Hahns noch begeisterter, als er es selbst zu tun pflegte. Im deutschen Volk waren dadurch ebenso grundfalsche wie gefährliche Meinungen über unseren boshaftesten Feind verbreitet worden. Einmal ver ehrte man, unterm Einfluß der alles Deutsche in den Staub ziehenden, alles Fremdländische himmelhoch erhebenden Schrei berei einer bestimmten Presse, die Franzosen als unsere schier unerreichbaren Vorbilder, und. daneben hielt man an dein Glauben fest, die kriegerische Auseinandersetzung würde letzten Endes nur dazu dienen, beide Nationei; für immer auszusöh nen. Deutschland und Frankreich Hand in Hand, das schien so "Michels Jdealzustand. Heute sind wir eines Anderen belehrt, und das gründlich« Frankreich haßt uns mit verzehrender Wut. Für Len Fran zosen ist der Deutsche der Inbegriff alles Abscheulichen, Verachtungswürdigen, Widerlichen. Der Haß gegen uns ist den französischen Kindern bereits in der Schule eingeprägt worden; er funkelt aus jedem Lehrbuch, durchglüht jede Unterrichts stunde. Bei der besonderen Charakterart des Franzosen, die einer ihrer bekanntesten Schriftsteller durch dgs Wort „halb Tiger, halb Affe" gekennzeichnet hat, ist es nicht verwunder lich, daß die rachsüchtige Wut sich gerade auf arme Gefangen« stürzte. Was jetzt allmählich, durch Feldpostbriefe und Bücher, über die hemmungslose Gemeinheit bekannt wird, die sich am hilflosen Gegner verging, spottet jeder Beschreibung. Aus den ersten Zeiten des Krieges berichtet uns jetzt Leutnant v. Schier- städt, der tapfere Führer einer versprengten Patrouille zur Zeit der Marneschlacht über seine Verurteilung zu fünf Jahren Zwangsarbeit, weil seine Leute auf ihrem Screifzug im Rücken des Feindes kriegsmäßig requiriert hatten. Man wollte ihn nach Cayenne, der mörderischen Fieberkolonis, bringen und ver schleppte ihn zunächst auf die Vorstation La Rochelle, „mit 20 Schwerverbrechern, von denen", so schreibt Schierstädt, „je einer an meine rechte wie linke Hand gekettet worden war. Auf den Bahnhof beförderte man uns in Sträflingswagen; es war nicht ganz leicht, zu Dreien gekettet die hohen Abt-Usstufen zu erklimmen. Dort wurde jeder von uns in einer ganz engen Zelle, die etwa 1 m lang und 80 cm "breit war, mit Händen und Füßen an die Wand gekettet." In der Zivilstrafanstalt Avignon, wohin man ihn auf Einspruch der deutschen Regie rung zurücktransportierte, mußte er neue Schändlichkeiten er tragen. Es stürmten drei französische Sträflinge in seine Zelle hinein, lauter besonders starke Leute. Ihnen folgte der Major, der Adjutant und ein Unteroffizier. Zwei der Leute trugen ein großes Brett. Mit ihm versetzten sie Schierstädt einen furchtbaren Stoß vor die Stirn, während der dritte mit einem angespitzten Stock nach seinem Gesicht stach. Halb be täubt stürzte er zu Boden. Sofort stürzten sich die Leute auf ihn und bogen ihn so weit nach rückwärts, daß sein Kreuz jeden Augenblick zu brechen drohte .... Nachdem man ihm die Hände auf dem Rücken und auch die Füße gefesselt hatte, warf man ihn buchstäblich in ein« Dunkelzelle. Grauenerregen der noch sind die Schilderungen in einem Buche „Auf der Folter". Alle Teufel der Hölle scheinen auf die bejammerns werten deutschen Gefangenen losgelaffen worden zu sein. Man