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— 258 — kannte. Und ihre gewissenlose Mutier würde sich nicht scheue», Eva mit den unlauteren Elementen ihrer Bekanntschaft zu sammen zu bringen. Dort war kein Platz für Eva. Sobald als möglich mutzte er dafür sorgen, datz sie aus dieser Um gebung in reinere Sphären gerettet wurde. Für den Augen blick freilich mutzte er sie dort lassen, wo sie war. Jetzt war er außerstande, einen Ausweg zu finden, erst mutzte er Ruhiger werden, und den Schlag überwinden, der ihn getroffen hatte. ' Das einzige, was er sofort tun konnte und inutzte, Dar, Geld einzusenden. Eva konnte nur über geringe Mittel zu verfügen haben. 'Sie war in ihrer Unerfahrenheit hinaus in die Welt, die sie nicht kannte, um »rüstig den Kampf mit dem Leben aufzunehmen. Wie bald würde sie erkennen, datz ihre Kräfte nicht dazu ausreichten, wenn er nicht aus der Ferne seine schützende Hand über sie hielt. — — — — — , Fortsetzung folgt. Mim einer eine belle tut...! nf Von einem Mitarbeiter wird uns geschrieben: Wer nicht zu reisen braucht, lätzt es am besten sein. Das hatte ich mir mehr als einmal schon gesagt und bisher jedem Drängen ins Freie kräftig zu widerstehen gemutzt. Aber nun kam doch der Tag, da ich wirklich und notgedrungen reisen mutzte. Von Berlin nach Thüringen, Es war keine Ver gnügungsfahrt, trotzdem zog ich es vor, einen Personenzug zu benutzen, denn einmal fährt der billiger, und zweitens hat man doch mehr Aussicht, mitzukommen. Etwas ver spätet fauchte ich bereits auf den Bahnsteig. „Schnell, schnell," meinte der „Zugführer. Und nach einem Platz spähend eilte ich den Zug entlang. Er war besetzt. Nirgends ein Platz zu entdecken. Doch da, ich stutze: „Für Reisende mit Hunger!" lese ich. Ich sehe noch einmal hin: Für Reifende mit Hun den, wird's wahrscheinlich heißen. Doch ich habe mich nicht getäuscht. Tatsächlich, da stehts deutlich und ist rm'Begriff, auch mich abzuschrecken, als mir einfällt, daß schließlich ja der Platz die Hauptsache ist. Also reiße ich die Türe aus. Ein Herr sitzt im Abteil. Ich wappne mich auf die Frage: ob ich Hunger hätte. Er lächelt nur verschmitzt. Ich begreife. „Das stammt von Ihnen?" Er nickt. „Wissen Sie, Hunger haben sie alle, sie behaupten' es ja, aber wenn sie auf- Herz und Nieren geprüft werden, sagen sie doch das Gegenteil. Folglich ist niemand hier eingestiegen." Wir fuhren bis Bitterfeld. Niemand stieg zu, obwohl reger Verkehr herrscht«. Mein wohlbeleibter Mitreisender und meine Wenigkeit fuhren so allein in dem Abteil, der deutlich als Reisegelegenheit für Hungernde gekennzeichnet war. — In Bitterfeld hieß es umsteigen. Laufen und hasten. Wieder kein Platz. „Immer 'rinn!" mahnte der Schaffner. „Wenn auch die Eier zerdrückt werden," fügte er für einen Mann hinzu, dem man es ansah, daß er unbedingt Eier gehamstert haben mußte. Er war unschuldig, aber den Ver dacht wurde er nicht los. Im Abteil drückten wir uns wie Heringe. Der Mann mit dem Eierkarton wurde hin und' her geschoben. Er wehrte sich nicht. Hätte er Eier gehabt, sie wären in tausend Scherben gegangen. Aber zwei Stationen weiter stieg eine Frau ein. Das heißt, sie wollte einsteigen. Erst wehrten wir uns: „Besetzt!" Dann kam irgendeine Stimme: „Hamstergelegenheit!" Und man half dem Weib lein mit zwei schweren Tragkörben in den Wagen. Weiß Gott, der gute Deutsche wittert heute gut. Die Frau wollte zum Markt nach Leipzig. Sie konnte schon auf der nächsten Station umkehren, denn sie war alles reißend losgeworde». Was die Körbe bargen? Erzählen wir's nicht; es war viel Verbotenes dabei. Aber geschickt verstaut. Es wäre sicherlich an den Rechten gelangt, wenn wir der Frau nicht goldene Berge versprochen, ihr mehr gegeben hätten, als die stän digen Abnehmer in Leipzig, und wenn wir ihre weibliche Eitelkeit nicht gereizt, ihr nicht den bequemsten Platz ange boten hätten. Von Leipzig nach Thüringen. In meinem Abteil ist eine bunte Gesellschaft. Eine Dam«, ein älterer Herr, mehrere gleichgültige Gestalten, ein Fräulein, das während der ganzen Fahrt unverwandt aus dem Fenster sieht und noch keinen Blick in den Wagen tat und schließlich ein Feldgrauer. Wir waren noch nicht lange gefahren, als dieser in seinem Kästen kramt und «in Stück Brot herausholt. Er betrachtet es, klappt es auseinander, so. datz wir esalle sehen müssen. Er schüttelt den Kopf und macht ein verzweifeltes Gesicht. Die Dame gegenüber fühlt Mitleid. „Nehmen Sie -einmal von mir ein Stückchen Brot." Sie reicht ihm «ine Stulle mit Schinken. Man konnte neidisch werden, aber schlietzlich mutzte man mit dem Krieger, der so verzweifelt über seine Marmeladen stulle tat, Mrtleid haben. — Der Wagen wurde bald leer, nur der Feldgraue blieb mein Gesellschafter. Mir siel dabei auf, datz er sein Marmeladebrot wieder hübsch einpackte und datz es ziemlich trocken war. „Sie fahren wohl schon weit?" schlotz ich harmlos daraus. „Ja, von Breslau." „Und haben Sie wirklich nur Marmeladebrot mit?" Mir war ein Verdacht aufgestiegen, wenn es heute auch begreiflich ist, datz man auf' die Reise nur Marmeladebrot mitnehmen kann. Er lächelte vertrauensselig. „Mehr brauche ich ja nicht, beim sehen Sie, ich hab's schon ausprobiert, wenn man mit einer Marmrlade- stulle reist, kommt man viel weiter, als wenn» man den Kasten voll Butterstullen hat. Ich hab' immer von mitleidigen Menschen, wenn sie meine Marmeladestulle sahen, etwas gutes bekommen." Dieser Feldgraue war ein Lebenskünstler. Mein Magen knurrte und ich wünschte, ich hätte auch eine Mar^ meladestulle, eine feldgraue Uniform an, und mir gegenüber säße eine Dame mit Schinkenstulle, die noch ein Herz rm Leibe hat. — Zwei nette Erfahrungen brachte ich für die Rückreise mit, aber ich hatte weder den Mut, in einen Abteil „für Reisende mit Hunden" zu steigen und hier eine Korrektur des Plakats vorzunehmen, noch meine Marmeladestulle mitlriderregend den Mitreisenden zu zeigen. Aber vielleicht das nächste Mal! ver Fukweg s Von Augustin Wibbelt (Nachdruck verboten.) Wenn du vergnüglich wandern willst, dann wähle dit einen Fußweg zum Führer. Fußwege sind kurzweilige Ge-- sellen und Leute von Geschmack, sie wissen die schönsten Punkts in der Gegend aufzuspüren und zeigen dir im Vorbeigehen manche Lieblichkeit, die still verborgen liegt. Wer mit ihnen nicht vertraut ist, der ahnt gar nicht, was für Schätze sie auskramen können, und'sie tun es nebenbei, als wenn es nichts Besonderes wäre. Im Grunde genommen ist es auch nichts Besonderes — «ine Baumgruppe, eine lauschige Eck«, ein Steg über den Bach, eiü verwittertes Wegkreuz, eine kleine Biegung oder Senkung des Weges — und doch lächelt aus diesen Kleinigkeiten oft eine wundersame Schönheit her vor. Man weiß nicht, ist es das Spiel der Linien oder des Lichtes, liegt es in den Farben, in der Stimmung, in der i Gruppierung? Man braucht ja auch nicht zu wissen, woher es gerade kommt, um sich darüber zu freuen. Die Fußwege haben vornehme Vettern, die Chausseen, aber diesen Herren ist die noble Pflasterung in den Kopf gestiegen, und sie stolzieren steifnackig und langweilig durch die Welt, am liebsten schnurgerade vorwärts. Mit zwei korrekten Gräben halten sie sich das gemeine Blumenvolk, mit dem der Fußweg so gute Freundschaft hält, möglichst weit vom Leibe, Baldrian und Majoran, Spiräen und Ziest : und Labkraut. Was nicht aus Rädern rollr, gilt ihnen von altersher nicht für voll, und in neuester Zeit hat der intime Verkehr mit den. Reiseprotzen, den Kraftwagen, ihren Cha rakter vollends verdorben. Lag sie laufen und halte dich, soviel du kannst, an die Fußwege. Aber bring offene Augen und ein offenes Herz mit, sonst gehst du blind und unempfäng lich an manchem Schönen vorbei, das dir umsonst geboten wird. . ' > Er liegt schon vor deiner Gartenpforte und lauert, ob du kommst, der brave Fußweg; wahrscheinlich schlummert er ein wenig in der warmen Sonne, denn er hält viel auf Ruhe, und gar in nachtschlafender Zeit läßt er sich ungern stören. Aber er ist auch sofort bereit, wenn du durch dein , Pförtchen trittst, und geht gemächlich mit dir die Wiese i hinunter, nicht gar zu steif und gerade wie an einer Metz- schnur, aber auch nicht torkelig, als wenn er am frühen Morgen schon zu tief ins Glas geschaut hätte. Er geht seinen Gang mit kindlicher Unbefangenheit und schwenkt hier ein wenig links und dort ein wenig rechts; auch auf einen kleinen Hopser kommt es ihm nicht an. Wenn es sein mutz, weiß ') Entnommen aus dem Heimatbuche von Augustin Wibbelt, erschienen bei I. Schnell in Warendorf. Preis 5 Mark. Kriegsaufschlag ertra.