Volltext Seite (XML)
2 258 einen sonst hatte Weges sah sie noch einmal zu ihm zurück. Eine kurze Meile noch standen sie Aug in Aug versunken. Die untergehende Sonne warf zitternde Streiflichter aus ihre Gestalt, das Haar sprühte aus wie eine goldene Krone. Dann war sie seinen Blicken entschwunden. So, wie in diesem Augenblick, in all ihrem sützen Liebreiz "mit dem flimmernden Sonnenlicht auf dem Haar, sah er sie später noch oft in seinen sehnsüchtigen Träumen.3 Wendenburg kam am nächsten Tage früher als von den Werken nach Hause. Eine heimliche Unruhe ihn Heimgetrieben. Gabi kam ihm im Park schon entgegen, sie hatte einsamen Spaziergang unternommen. „Ist Eva zurückgekehrt, Gabi?" frug er sofort. „Noch nicht, Papa — der WagLn ist schon zweimal ver geblich an der Station gewesen. Eva ist sicher durch ihre Be sorgungen länger aufgehalten worden." " Wendenburg sah nach der Uhr. - „Dann will ich selbst zum nächsten Zug mit hinüberfahren. Mit diesem mutz sie zurückkommen." Sie gingen nebeneinander dem Hause zu. Der Wagen wurde gerade wieder angespannt. Wendenburg gab dem Kut scher Weisung, datz er mitsahren wollte, und ging ins Haus, um. sich fertig zu machen. Gerade, als er wieder aus dem Hause trat, wurde ihm ein Bries überreicht,. der durch emen Eilboten bestellt war. Sofort erkannte er Evas Schrift. Ein unheimliches Ge fühl kroch an ihn heran. Er ging ins Haus zurück und bat Gabi, den Kutsche» allein fortfahren zu lassen, er habe noch etwas zu erledigen. Dann betrat er sein Zimmer und schlotz es hinter sich ab. Ganz deutlich empfand er, datz dieser Brief ihm eine schlimme Botschaft brachte — und er wollte allein sein, wenn er sie empfing. Mit unsicheren Fingern öffnete er das Kuvert, während er in den Sessel vor seinem Schreibtisch sank, und beging zu lesen: „Lieber, verehrter Onkel Horst! So laß mich Dich wieder nennen, latz mich wie sonst zu Dir kommen, wie zu meinem geliebten, gütigen Vater, mit einem schweren vollen Herzen. Ich ünutz Dir einen grotzen Schmerz zufügsn, und das tut mir so weh —, aber ich kann nicht anders, glaub' es mir. Ich hab Dich lieb, wie ein dankbares Kind seinen Vater, Deine Güte hat stets mein Herz gerührt und be wegt, und es ist mir ein schwerer Schritt, datz ich Dir ' Schmerz zufügen mutz. Ich kann.Deine Frau nicht werden, lieber, teurer Onkel Horst, kann Dich immer nur wie «in Kind lieben und verehren. Du stehst mir zu hoch, als datz ich mit einer Lüge im Herzen Deine Frau werden sollte — ich könnte es auch garnicht. Sei mir nicht böse — ich bin- traurig, datz ich Dir das sagen mutz. Ich kehre nicht mehr in Dein? Haus zurück, in dem ich so viele glückliche Stunden erleben durfte. Für jede ein zelne danke ich Dir, wie ich Dir danke, datz Du mit Tante Anna so liebevoll meine Kindheit behütet hast. Ich reise noch heute zu meiner Mutter — deshalb bat ich Dich um" Ihre Adresse — ich will sie um Schutz und Aufnahme bit ten, bis ich eine Stelle gefunden habe. °*Jch Lin ja gott lob gesund und stark und möchte arbeiten, auf eigenen Fü- tzen stehen. Du würdest mich in Deiner grotzen Güte vielleicht zurückholen wollen und mir sagen: „Komm wieder heim, nicht als meine Frau, sondern wieder als mein liebes Kind." Ich weitz, Onkel Horst, so würdest Du tun, und weil ich das weitz und Dir und mir unnötige Kämpfe sparen will, mutz ich Dich bitten — tue es nicht. Ich will Dir beichten, warum Du es nicht tun sollst — diese Beichte verschlietz aber in Dein Herz, sie ist nur für Dich bestimmt, sie soll Dir nur beweisen, datz es keine Rückkehr für mich geben kann. Ich liebe Bernhard Gerold — Gabis Verlobten, liebe ihn schon seit langem,'und kann nicht Zeuge seines Lebens an Gabis Seite fein. Nun verstehst Du mich, mein lieber Onkel Horst, weitzt nun, warum es mir so ganz unmöglich ist, Deine Frau zu werden, und wirst mir nicht mehr. zürnen, denn ich leide wie Du. Ich habe Dir mein Geheim nis nur in tiefer Bedrängnis meiner Seele enthüllt, Du wirst es in Deiner Brust verschlietzen und vor allem Gabi nichts ahnen lassen, damit ihr Glück nicht getrübt wird. - Als Du mich batest, Deine Frau zu werden, war ich fassungslos vor Schrecken, weil ich nie gemerkt hatte, datz ich Dir etwas anderes war als Dein Kind — und dann kam Gerold und bat Dich um Gabis Hand — da verlor ich fast die Besinnung und hatte nur den einen Manisch, allein zu sein mit Meiner Qual. So kam es, datz ich Dich in Deiner Täuschung beharren lietz. 'Ich wuhte gleich, datz ich nun Dein Haus verlassen mutzte, deshalb schwieg ich, bis ich fern war. Ich hätte es nicht über mich vermocht, Dir das alles Auge in Auge zu gestehen. Nun weitzt Du alles und, nicht wahr — nun siehst Du ein, datz ich nicht zurück kann. Latz mich Dich noch einmal innig um Verzeihung bitten, mein teurer lieber Vater, latz mich Dein Kind bleiben auch in der Ferne, und schreibe mir einige Worte der Vergebung. An Gadi liegt ein Bries im linken Fach meines Schreibtisches. — lies ihn, ehe Du ihr denselben gibst, damit Du weitzt, was ich als Grund für meine Flucht angebe. Den Dienstboten kannst Du sagen, datz ich am Bahnhof ein Telegramm meiner Mutter erhalten habe, sie sei stark erkrankt und verlange nach mir. Meine Sachen sendest Du mir wohl nach. Nochmals vergib und zürne nicht Deiner Dir ewig dankbaren E v a." Lange satz Horst Wendenburg über diesen Brief gebeugt. Tief und schwer ging sein Atem, und die Hand, die den Brief hielt, zitterte. In dieser Stunde begrub er den Wunsch und die Hoffnung, die holde Jugend noch einmal an -sich zu fesseln. Matt sank sein Haupt zurück. Er kämpfte nicht' gegen den Schmerz, den er empfand. Vielleicht war dieser noch das beste, was ihm von seiner zerstörten Hoffnung blieb. Und mit feiner Traurigkeit mischte sich das Mitleid mit Eva. , „Mein armes Kind!" Sie hatte recht — zurückholen durfte er sie nicht. Aber noch weniger durfte sie bei jenem Weibe bleiben, das des Mutternamens nicht wert war. Dort drohten ihr Gefahren, die sie in ihrer Reinheit vielleicht garnicht als solche er- Sir strich sich ausatmend das Haar aus dem Gesicht nmd , ihr Blick flog aufleuchtend ins Weite- Dann sagte sie fest uich klar: . , „Cie sollen morgen Antwort auf Ihre Frage erhalten, die klarste und befriedigendste, die Sie sich wünschen können. Aber dafür oersprechen Sie mir auch, Ihrem Geschick die beste Seite abzugewinnen. Für uns beide gab es kein gemein sames Glück — es wäre immer von Schatten bedroht ge wesen. Das Schönste bleibt uns Menschen wohl versagt, es sollte nicht ftin. Gabi liebt Sie unsagbar, sie ist lieb und gut, und wird Ihnen eine treue Lebensgefährtin sein. Und ge denken Sie der herrlichen Ausgabe, die Ihnen Gabis Besitz sichert. 'Sie können Ihr Lebenswerk zur idealsten Vollendung führen. Viele Menschen werden von Ihnen abhängig sein — Sie können vielen zum Segen werden. Das Glück bietet Ihnen genüg des Guten. und Schönen. ' Versprechen Sie mir, datz Sie den Schmerz, den ich Ihnen zufügen mutzte, überwinden wollen." Er nahm ihre Hand und kützte sie. „Sorgen Sie sich nicht um mich, Eva, ich wollte, ich könnte über Ihre Zukunft so ruhig sein, wie Sie über die meine. Ihre Ehe wird Ihnen zur unerträglichen Fessel werden, glauben Sie es mir — und ich werde es mit ansehen müssen, wie Sie innerlich daran verbluten. Und das wird am schwer- sten zu tragen sein." Sie sah ihn mit einem langen, seltsamen Blick an. Dieser Blick war ihm voll Rätsels er verstand ihn erst am ! nächsten Tage, als EvS fort war für immer. — „Gehen Sie jetzt ins Haus — Gabi und Onkel Horst warten auf Sie. Um mich sorgen Sie sich nicht, morgen wrrd Ihnen auch diese Unruhe genommen sein. Nein — nichts mehr fragen jetzt — ich antworte Ihnen-nicht mehr. -Gehen Sie, Bernhard, und leben Sie, wohl — wir werden uns nie mehr so ohne Zeugen sprechen. Leben Sie wohl — und alles Glück der Welt mit Ihnen — ich will dämm beten, wie um mein Seelenheil." Er drückte ihre Hand an sein Herz. „Eva — gibt es wirklich kein gemeinsames Glück für, uns? Sprechen Sie ein Wort — ich trotze allen feindlichen Gewalten." Sie schüttelte wehmütig den Kopf und winkte ihm, zu gehen. Es ging zu Ende mit ihrer Fassung. Sie wandle sich um und schritt, tiefer in den Park hinein. Er sah ihr nach, ohne sich von der Stelle zu rühren. An der Biegung des