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— 220 - teilen Brieftauben ausgelassen, die den zurückgebliebenen Stäben die Nachricht von den ersten Erfolgen brachten. Diese Tatsache wirft ein bezeichnendes Licht auf die eigentümliche Verschiebung, der die Verwendung der Nach richtentruppe, der ja auch das Briestaubenwesen ange hört, im Laufe des Krieges unterworfen war. Hatten sich schon in der Entwicklung des Stellungskrieges die Arberts- verhältnisse und die Aufgaben der Nachrichtentruppe völlig verändert, so sahen sie sich bei Beginn der Durchbruchs schlachten dieses Frühjahres vor Anforderungen und Be dingungen gestellt, die in diesem eigentümlichen Mittelding zwischen Stellungs- und Bewegungskrieg weder mit den Verhältnissen der raschen Dörmärsche vergangener Kriegs jahre, noch mit denen des erstarrten Stellungskampfes etwas -«mein hatten. Während sich noch in den Monaten der naschen Vorwärtsbewegung des Jahres 1914 die Fern- spvechleitungen in dünnen Linien hinter den mar schierenden Korps herschoben und Meldereiter oder Adju tanten die einzige Verbindungsmöglichkeit der vorderen Ver bände untereinander darstellten, kam es jetzt darauf an, daß die Stäbe über jede, auch die geringste Einzelheit des Bewegungskampfes noch zur- selben Stunde unterrichtet waren. Die Niederkämpfung einer Batterie, die Ueber- windung eines Baches, der Besitz eines Gehöftes, der müh sam erkämpfte Ausblick von einem Hügel konnte in dieser noch nicht dagewesenen Art der Schlacht von entscheidender Bedeutung sein. Den Nachrichtentruppen oblag es also, da für zu sorgen, daß kein Truppenteil ohne Verbindung nach den Seiten und nach rückwärts war. Die Fernfprechab- leilungen stürmten, mit der Infanterie Schritt haltend, vor und spannten in dem unwegsamen Gelände sumpfiger Fluh niederungen und alter Schlachtfelder mit größter Schnelligkeit ihre Leitungen, richteten Vermittlungen ein, bauten sie ein« Stunde später wieder ab, errichteten sie in der nächsten Stunde «in paar Kilometer weiter vorwärts und schoben zwischen den kämpfenden Massen das Sprechnetz immer wieder von Aeuem weirer. Um die augenblickliche Verbindung zwischen den vordersten Verbänden und den Stäben herzu- strllen, waren den Bataillonen und Kompanien Funkertrupps zugeteilt, die überall, unbeeinflußt durch Gelände oder Witterung, in der Zeit von Sekunden ihre drahtlosen Sta tionen aufbauen und die Verständigung mit der größeren Station beim Divisionsstabe aufnehmen konnten. Bei der erheblichen Rolle, di« die schwersten Kaliber unserer Ar tillerie bei der Fernbeschießung feindlicher Eisenbahn-Knoten- - punkte und Truppenansaminlungen spielten, harrte auch hier der Funkerei ein weites Arbeitsfeld. Erdbeobachter wie Luft beobachter mußten in ständigem drahtlosem Verkehr mit der Funkerstation bei der schweren Batterie stehen. Bei der Ueberbrückung von geringeren Entfernungen haben sich, wie schon in den großen Abwehrschlachten des Stellungskrieges, so auch in den Durchbruchskämpfen di« Blinkertrupps große Verdienste um die Kampftruppe er worben. Unter günstigen Witterungsverhältnissen ver mögen selbst die kleinen Blinkgeräte, die der Mann mit Dichtigkeit auf dem Rücken tragen kann, mit ihren Licht zeichen Entfernungen von mehreren Kilometern zu über winden und auf diese Weise einen sicheren und bequemen .Gedankenaustausch zu ermöglichen. Di« Rolle, die die Brieftauben in dem Stadium des Kampfes spielen, in dem sich ihre Heimatschläge noch in dem alten, ihnen vertrauten Gelände befinden, wird durch das im Anfang« angeführte Beispiel charakterisiert. So haben alle Zweige unserer Nach- richtentruppe zu den errungenen Erfolgen beigetragen, indem sie, wie der Heeresbericht oom 26. März hervorhob, „der Führung die Sicherheit gab«n, die Schlacht in die gewollten Bahnen zu lenken." Vsvick unä Lolistk Mit der Antipathie im Weltkrieg« beschäftigt sich ein« äußerst interessant« Studie von Rudolf Kjellen in „Nya Dagligt AIi«handa" vom 25. April. Wenn auch'allgemein menschliche Motive einer Parteinahme vom objektiven Ge sichtspunkt aus nur wenig Wert haben, führt der Ver fasser aus, so nehmen sie doch durch ihre Allgemeingültigkeit eine erste Stelle ein. Deutschland und seine Feinde vergleicht Kjellen mit David und Goliath, in deren Kampf man un willkürlich für David Partei nehmen müsse, da «r — wie Deutschland im Weltkrieg — der Kleine und Schwache sei- „Es zeugt nichts mehr von dem Mangel des Publikums an Sinn für Realitäten, als Ker Umstand, daß diese einfache Tatsache der öffentlichen Meinung ziemlich ^fremd zu sein scheint. Man starrt Europas Karre an, als ob der Krieg auf Europa beschränkt wäre. Aber schon da hätte man doch merken müssen, daß mit den kolonialen Hilfsquellen Ruß land zehnmal, England zehnmal und Frankreich dreimal größer als Deutschland ist! Wenn wir Oesterreich-Ungarn hinzu- zählen, so war die Entente in der ursprünglichen ^Kampf stellung an Landgebiet immer noch 16—17mal überlegen, ... an Bevölkerung fünf- bis sechsfach ... Dies ist die Ausgangslage. In der jetzigen Lag«, nachdem beide Seiten ihre Bundesgenossen zusammengezogen haben, ist der Unter schied in der Volksmenge noch viel größer: 950 Millionen gegen 145 . . . Wie wir auch die -Sach« betrachten mögen, immer bleibt Deutschland der enorm unterlegene Teil. Daß es sich nichtsdestoweniger in Wirklichkeit als der Stärkere erwiesen hat, ändert an dieser Tatsache nichts. Dies gibt Deutschland im Gegenteil noch das Recht des Tüchtigeren auf Sympathie. Wir haben doch nicht weniger Sympathie für David, weil Goliath in dem Kampf« unter legen ist! . . . Nun kommt aber noch dazu, daß Deutschland der Angegriffene ist. . . . Wenn wir einen Mann mit fünf oder zehn anderen auf beiden Seiten im Kampf sehen, dann ist es nicht wahrscheinlich oder auch nur billigerweise aNzu- nehmen, daß er üngefangen hat! . . . England, das die Einkreisung zustande gebracht hat, hat diesen Krieg verursacht, Rußland, das nach dem offenen Be kenntnis Suchomlinows den ersten Schlag ausführte, .hat ihn begonnen . . . Die Verschworenen wollten ganz einfach .Deutschlands Untergang. Der Weltkrieg ist durch die uner hörteste Herausforderung, die die Welt jemals gesehen hach hervorgerufen worden. ... Dies ist aber ein weiterer Grund, aus allgemein-mensch lichen Gefühlen heraus für Deutschland Partei 'zu nehmen- Wenn wir sehen, daß jemand emsn anderen eines Ver brechens beschuldigt, das er selbst begangen oder zu dem er selbst jemand verlockt hat, dann pflegen wir eb nicht mit dem Kläger zu halten. Wenn dazu noch kommt, daß der Kläger während des ganzen 'Prozesses den anderen mit einem Strom von Schimpfnamen überhäuft, ferner, daß er, ohne sich selbst in bezug auf Kränkungen fremder Rechte und Inter essen und der Regel eines internationalen Verkehrs etwas s zu versagen, den Gegner als einen Auswurf der Menschheit s ausmalt und ihn als einen Vogelfreien außerhalb des Ge- setzes stellen will, daß er wiederholt in di« Hände dieses i anderen, die derselbe zur Versöhnung darbietet, hineinspuckt, daß er in dieser Weise die Zeit der Verdammnis absichtlich - um ein Jahr nach dem anderen in die Länge zieht, nur weil er den vollständigen Untergang des anderen noch nicht hat Hervorrufen können, — dann wäre es nicht zu verwundern, ! wenn der Zuschauer zuletzt gegen die Uebertreibung dieser s maßlosen Agitation reagierte. Wenn der Zuschauer dazu noch den oben auseiimndergesetzten Zusammenhang zu Anfang des Krieges kennt, dann kann er ferne menschliche Sympathie der jenigen Partei nicht versagen, bie zu gleicher Zeit die Kleinere, die Tüchtigere, die Herausgeforderte und die ungerecht An geklagte ist." Vermischte« ' Großfürst Nikolai als Gefangener. Der Kriegsbericht erstatter der „B. Z." meldet aus Sebastopol vom 7. Mai: Seit dem 22. April weilt Großfürst Nikolajewitsch als Ge fangener guf dem Schloss« Djulber am Kap Ai-Tedor, etwa 20 Kilometer von Palta. Mit ihm werden die Zarin-Mutter- Maria Feodorowna, die Großfürsten Peter Nikolajewitsch und Alexander Michaelowitsch, ferner sein Stiefsohn, Fürst Dolgoruzky, zusammen etwa 30 Mitglieder der früheren rus sischen kaiserlichen Familie, dort bewacht. Die mit Maschinen gewehren und Minenwersern ausgestattete Leibwache besteht aus 25 Bolschewiki-Soldaten und -Matrosen unter einem selbstgewählten Offizier. Jedes politische Gespräch ist dem Großfürsten verboten, und nur in Gegenwart des Wachoffi- ziers dürfen Besuche empfangen werden. Der Großfürst ist ein Gefangener der russischen Regierung, und es werden Wei sungen über sein Schichai abgewartet werden. BerantwortlNher Redatleur- Trnst Rozberq in Frankenberg i.S. — Druck und Verlag von L K. Stoßt rrg in Frankenbera i.S > Turn- ««t.