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„Reicht auch nicht, Großpapa! Also höre, wenn wir zu Ostern Paris bombardieren, dann ist Käthe Frohloff meine Braut. Und von Enterben ist keine Rede mehr, wohlver standen?" Der Baumeister, schluckte. Der Bengel war ja wohl ver rückt. Er, Heller, wußte doch Lanz genau, wie weit es von St. Quentin bis Paris war. Das ging nicht. Aber wenn wirklich zu Ostern Paris von der Artillerie bombardiert wurde, das glich ja alles aus. „Gut, es soll gelten!" Ungeduldige Erwartung heizt noch besser, als der riesigste Kachelofen. Das merkte der alte Veteran. Aber dann kam die große Offensive, 10 000, 15 000, 25 000 Gefangene, 200, 400, 600 Geschütze. Darauf mußte getrunken werden, mochte das Podagra zwicken, so viel es wollte. Aber Ar- Meriefruer auf Paris? „Herr Baumeister, sie schießen auf Paris, Hurra!" Die Käthe Frohloff stürmte ins Zimmer und schwenkte ein Zei tungsblatt. Ta stands, da stands, im amtlichen Bericht, und die Franzosen selbst kreischten es schon in alle Welt hinaus: „Paris wird aus weittragenden Geschützen beschossen!" „Herrgott, das wird ein Ostern!" schrie der alte Veteran und warf s.in Käppchen .an die Zimmerdecke. Und dann bekam die Käthe einen Kuß und noch ein paar; sie wur den nicht so genau gezählt. Und dem Artilleristen von 1870/71 war es, als schallten die Schüsse auf dem Mont Avion wieder in sein Ohr. „Feuer, Feuer, Feuer!" Das wird ein Ostern! Sei unseres Marine in Danaern 8. In den Stellungen der schweren Korpsartillerie. Hatte ich schon auf meinem Wege zur Pser einige Re- ferveunterstände und verlassene Batterien gesehen und dort einen winzigen Begriff davon bekommen, welche Unsumme von Arbeit in dir,sm stets feuchten, nassen, lehmigen Ge lände geleistet worden ist, wieviel größer wurde mein Staunen, als ich nun einige unserer Batterien der ver schiedensten Kaliber eingehend in Augenschein nahm. Bauart und Baumaterial sind säst überall gleich. Dicke, mas sive Be.onwände auf starken Unterlagen von Stahlträgern und Baumstämmen. Sie bieten,, wenn auch nicht unbedingten, so doch einigermaßen zureichenden Schutz gegen feindliche Granaten, linier freiem Himmel, zwischen die Betonwerke eingebaut, nach oben und vorn gegen Fliegersicht abgedeckt, stehen^ di- Geschütze und Haubitzen. Unter ersteren fesselt ein Lch.ffsgeschütz meine Aufmerksamkeit, das, wie so vrele SchwrsUrn, aomont.ert und nach Flandern geschafft wurde, als die immer mehr zunehmende artilleristische Ueberlegen- heit der Feinde unsererseits zu entsprechenden Eegenmaß- ruchm-.n zwang und durch die Er sah ranzen des Seekrieges auf diese Kaliber an Bord Verzicht geleistet werden konnte. D.r freundliche, schlanke Batterieführer gibt einige Er klärungen über diese Kanone, über Bedienung, Schi-ßge- schwindigkeit und bisherige Leistungen, lieber 700 Schuß sind bereits daraus geschossen. Besonders groß war die Be anspruchung während der Abwehrschlacht im letzten Sommer, als die Feinde ihrem heißen Verlangen nach dem Besitz unserer A-Boot-Stützpunkts durch wochenlanges Trommel feuer Ausdruck verliehen, wie man es in dieser Stärke in Flandern noch nicht erlebt hatte. Unsere Artillerie, nicht zum wenigsten die.es -listige Bordgeschütz, ist dem Feinde Vie Antwort nicht schuldig geblieben. Mit fast andächtiger Bewunderung vernehm- ich den Loog-sang auf unser vorzüg liches Kruppsches Material. Deurschlands Kanonenschmiede garantiert für ihre Erzeugnisse nur eine gewisse Schußzahl. Diese ist heute bei dem vor mir stehenden Geschütz bereits um das Vierfach.- überschritten. Dabei zeigt es trotz der riesigen Inanspruchnahme fast gar keine Zeichen der Ab nutzung. Fürwahr, -in herr.iches Zeugnis für die einzig dastehende Güte unseres Kruppschen Eeschützmaterials. Mehr fach trifft man im sla irischen Kampfgebiet auf Artillerie, die ehemals zu der Bewaffnung deutscher Kriegsschiffe ge hörte. D.ese von Bord an Laad verpflanzten Geschütze muß ten dazu beitragen, den ungeheuren Bedarf unserer Lans- fronten an Artillerie zu decken. Der Matrose, der sonst zur See fuhr und sich jetzt zum ausgesprochenen Feldsoldaten gewandelt bw. hm 'st dasselbe K i gsschck'al widerfahren wie den Marinegeschützen, die jetzt so erfolgreich die flanv rische Front verteidigen. Feldhaubitzen in ihren kurzen, gedrungenen Formen gilt unser nächster Besuch. Eine von ihnen hat gestern über 200 Schuß nach dem Feind hinübergesandt, der als Antwort mit 80 erwiderte. Es wird mir allgemein bestätigt: Wir haben keinen Mangel an Munition dank des Fleißes von Tausen den in der Heimat schaffenden Händen. Dagegen scheint der Feind nach seinem ungeheuren Munitionsaufwand. in der Sommerschlacht empfindlichen Mangel zu leiden, da er bei weitem nicht mehr so verschwenderisch mit seinen Granaten umgeht. Kein Wunder, wo unsere rastlosen U-Boote Tag und Nacht dafür sorgen, daß den überseeischen Zufuhren der feindlichen Heere mit Munition und Sprengstoffen und de: Kriegswirtschaft.mit Rohstoffen, wie Erzen, Salpeter, Schwe fel, Chemikalien usw. empfindlich Abbruch getan wird. Wir stehen an einer anderen Batterie, deren Komman deur, Oberleutnant H-, für seine hervorragenden Schieß leistungen in der Abwehrschlacht den Hohenzollernschen Schwesterorden erhielt. Doch sein jetziger Stand ist neu. Der ehemalige liegt in Trümmern. Wütendem Feuer der Feinde aus schwersten Kalibern, zähe auf den erkannten, treff sicheren Gegner gerichtet, hielt das Werk von Menschenhand nicht stand. Ergriffen stehe ich vor den Trümmern eines 28-Zcntimetsr-Standes. Hier ist ein 38-Zentimeter-Volltreffsr eingeschlagen und hat die brave Bedienung unter den Trüm- Mcrn begraben, darunter Kommandeur und Batterieoffizier. Dir Wirkung ^nuß furchtbar gewesen sein. In einer anderen Feldstellung herrscht frohes Leben. Im niedrigen Unterstand der Leute Ziehharmonikaklänge: „So denk ich an mein fernes Lieb!" Artilleristen Gei der Morgew toilette. Der Batterieverschöncrungsrat mit Pinsel, Seife und Rasiermesser bei der Arbeit. Kaum sind wir wieder draußen, bekommen wir feindliches Feuer. Knapp 50 Meter vor uns schlägt ein 21-Zentimster-Eeschoß in den Erdboden. Nach allen Seiten spritzen Erdmassen und Sprengstücke. Wir werfen uns platt auf den Boden. Da Zrust schon zischend die zweite Granate heran, feindliche Vergeltung für das gestern von dieser Batterie nach Nieuport geschickte, gut gezielte Feuer. Wir machen uns "schleunigst aus dem Staube. Am Abend erfahre ich telephonisch, daß diese Batterie etwa 100 Schuß bekommen hat. Ergebnis: 1 kleine Bretterhütte wurde zer stört; die Stellung selbst hat keinen einzigen Treffer bekommen. ' Um die Mittagszeit besuchen wir die schwere Haubitz batterie des Kapitänleutnants d. R. B- Auch diese hat sich die feindliche Artillerie recht häufig zum Ziel erkoren. Ei» tragisches Kriegsschicksal ist es, das den Kommandeur be troffen hat. Bis zum Kriegsausbruch war er in Kamerun als Zollbeamter tätig und trauert nun heute um Frau und Kinder, die von Negern ermordet wurden, nachdem man der Frau Gewalt angetan hatte. Englands Haßpolitik, die den Krieg ^n den schwarzen Erdteil trug und die Einge borenen zu Mordtaten gegen unschuldige deutsche Frauen und Kinder aufstachrlts, sie Kat auch das Familienglück dieses wackeren Mannes zerstört. Kein Wunder, daß Kummer un'o Trauer dem verhältnismäßig rüstigen Kapitänleutnant Haupt haar und Bart weiß gefärbt.hat. Ich könnte noch lange über schwere und leichte Feld batterien berichten. Doch es würde zu weit führen. Der Eindruck aber, den man aus diesem Streifzug mitnimmt, ist das Gefühl einer grenzenlosen Hochachtung, nicht für die Vorsorge und Geschicklichkeit, mit der hinter der Jnfan- teriefront die Artillerie aufgestellt ist, sondern vor allem für die riesige Arbeit, die hier geleistet wurde. Man mutz sich vor Augen halten, daß die Anfuhr von Material aus schließlich nachts erfolgen kann, daß die grundlosen Wege dem Vordringen der schweren Geschütze und des ganzen Bau materials unglaubliche Schwierigkeiten bereiten. 16, 18, ja 20 Pferde waren häufig zur Bespannung eines einzigen Geschützes nötig, das dann alle Augenblicke in fußtiefem Schlamm stecken blieb. Wie überhaupt unsere Matrosrn- artilleristen in stockdunkler Nacht ihren Weg auf, den schmalen Fußpfaden quer durch das Gelände trotz Wassergräben und Granattrichtern finden konnten, das ist mir heute noch ein Rätsel. Die Losung hieß: Menschenwillen, Willen in höchster Gestalt, deutsche Zähigkeit! Mann und Roß. beiden, gebührt das Verdienst. Deshalb will ich auch der Tätigkeit unserer Kriegspferde einige Betrachtungen im nächsten Abschnitt widmen. Laantwortlicher Retnckteur: Srnst Stoiber« in Frankenberg i.S. — Druck und Lerlag von E. S. Roßberg in Frmckenberg i.L