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I4S Ottern ms Von Georg Paulsen. Der vierte Kriegswinter lag dem alten Baumeister Heller dös in den Gliedern. Die Gichtschmerzen setzten ihm arg zu. Es mutzte schon arg kommen, wenn er davon viele Worte machte, denn das Leiden war ihm, wie er sarkastisch sich auszu- drüaen pflegte, eine „liebe Erinnerung" von 1870 her. Von damals besatz er das Eiserne Kreuz erster Klasse für die ge lungenen Treffer seines Geschützes beim Bombardement auf Paris. Er war mit dabei gewesen, als Weihnachten 1870 die Beschießung der übermütigen Seinestadt ihren Anfang nahm und als erstes das Fort von Mont Avron innerhalb 24 Stunden daran glauben mutzte. Das war ein Jubel damals in ganz Deutschland gewesen, denn das Bombardement von Paris bedeutete der Bevölkerung so viel, wie das erste Signal für die Friedensglocken. Und es war auch so ge kommen. Vier Wochen nach dem Fall des Mont Avron fiel Paris, und Ostern war der Friede da. „Wenn Paris im Weltkriege bombardiert wird, melde ich mich als Freiwilliger. Ich weiß da Bescheid." So hatte der alte Veteran 1914 gesagt. Und als unsere Heere einen Sieg nach dem anderen davontrugen, da war er drauf und dran gewesen, sortzugehen. Aber ob nun ein.tückischer Zu fall oder eine in der Erwartungsfreudr geleerte' Flasche Rot spon daran schuld war, genug, das Podagra faßte ihn, es wurde nichts daraus. Und dann kam auch der leidige Stellungskrieg. Keinem Soldaten im Schützengraben hatte der wohl mehr Plage bereitet, wie dem alten Artilleristen zu Haus«. Die Artillerie mutzte notgedrungen feiern. Und wenn das starke, gewaltige Korps mit dem schwarzen Kragen nicht die Melodie angeben konnte, so war nach Hellers Meinung die ganze Cchlachtenmusik nicht viel wert. Er als „Kriegssach verständiger aus altem Register", wie er sich mit stolzem Scherz am Stammtisch nannte, wies alle Nörgeleien und und Kritiken der Bierbankstrategen ab, aber zuweilen meinte er doch, es sei schade, datz Hindenburg nicht aus der Ar tilleriewaffe hervorgegangen wäre. länger von ihrem Verlobten getrennt zu sein." „Ich wußte, daß Sie mein Versprechen einlösen würden. Aber nun will ich Sie nicht länger quälen. Nun hören Sie zu. Ihre Mutter war die Tochter einer verarmten pol nischen Adelsfamilie. Sie hieß Gwendoline von Jablonsky. Um für sich und ihre Eltern den Unterhalt zu verdienen, wurde sie Schauspielerin. Da sie schön und tugendhaft, hatte sie viele Kämpfe zu bestehen. Es war ein schweres Leben für sie, und sic ertrug es nur der Eltern wegen. Von ihrer Mutter, einer geborenen Französin, erlernte Gwendoline die französische Sprache. Um eine höhere Gage zu gewinnen, ging sie nach Paris. Ihre Schönheit erregte hier Aufsehen, man brachte sie zur Geltung und honorierte sie gut, so daß sie ihren Eltern jetzt besser helfen konnte. Leider starben sie bald darauf rasch nacheinander. Nun war sie ganz allein auf der Welt." Ihre Schönheit erweckte Leidenschaften. Die Männer lagen ihr zu Füßen und bettelten um ihre Gunst. Aber Gwen doline erhörte keinen, sie war zu stolz, um sich zu verkaufen. Ohne Liebe wollte sic keinem Manne die Hand reichen. Da kam Hans-Georg von Ravenau nach Paris. Wie Gottes flammen durchglnhte es ihr« Herzen. Gwendoline liebte den stattlichen, sonnig heiteren Deutschen und wurde wiedergeliebt. Graf Hans-Ecorg warb um ihre Hand und heiratete sie in England, trotzdem sein Vater bereits eine vornehme Dame zu seiner Gattin bestimmt hatte. Graf Rudolf von Ravenau war außer sich über diese Heirat seines Sohnes. Mit allen Mitteln suchte «r sie zu hintertreiben. Selbst als sie bereits geschlossen, wollte er sie für ungültig erklären lassen. Es verletzte seinen Stolz aufs tiefste, daß sein Sohn eine arme Schauspielerin zur Gattin nahm. Als alle seins Einwände wirkuWslos blieben und er die Vermählung nicht ungeschehen machen konnte, fügte er sich in das Unabänderliche. Er hatte seinen Sohn zu lieb, um sich auf die Dauer mit ihm zu entzweien. Aber sein ganzer unversöhnlicher Hatz galt nun seiner Schwiegertochter. Wohl mutzte er, um den Sohn nicht zu verlieren, Gräfin Gwendoline in Schönrode dulden, aber in seinem Herzen lebte nichts für sie als Hatz. (Forts, folgt.) Ganz so eilig wie sein Großvater hatte es des Ba«-, meisters ältester Enkel, der einmal Erbe werden sollte, nicht. Georg Heller der Jüngere war als Ingenieur natürlich der geborene Artillerist, und wenn er dem Alten von den neu modischen Fortschritten der Artillerie erzählte, so sah dieser mitunter den Enkel doch von der Seit« an, ob dieser ihn nicht aufzieh«. Das mochte der Jüngere, der in seiner Batterie auch als ein Spaßvogel galt, wohl mal versucht haben, aber er hütete sich weislich, was den Alten merken zu lassen. Mit einem Erbgrotzvater darf man es noch weniger verder ben, wie mit einem Erbonkel. Etwas Gutes hatte der Schützengrabenkrieg doch, der Vizewachtmeister Georg Heller konnte öfter auf Urlaub zu Hause sein. Dem Baumeister waren diese Urlaubsbesuche recht ange nehm, es war doch für ihn eine Abwechslung in seinen Podagrastunden, bis er eines Tages, es war zu Weihnachten, darüber anderer Ansicht wurde. Der Junge hatte auf seinem Schlafzimmertischs ein kleines Etui liegen lassen, von dessen Zweck er keine rechte Erklärung hatte. Bis der Alte durch einen Zufall dahinter kam, daß der „Kerl" sich in die fröhliche, kraushaarige Käthe Frohloff, die Tochter eines kleinen Geschäftsmannes in der Nachbarschaft, verliebt lmtt«. Baumeister Heller war ein vorurteilsfreier Mann, der dachte auch ruhig über Geld und Gut, es hätte also für ihn kein Hindernis gebildet, datz die beiden lebensfrohen jungen Leute sich gekriegt hätten; aber er hatte mit einem Juqend- kameraden, der auch 1870 vor dem Mont Avron mit dabei gewesen war, darüber gesprochen, datz dessen Enkelin, ein hübsches, vermögendes Mädchen, seinen Enkel Georg heiraten solle, und daran hielt er fest. Daß die Käthe Frohloff dem Georg gefiel, na, warum denn nicht? Llber aus der Nachbarsbekanntschaft brauchte doch nicht gleich ein dauernder Ehestand zu werden. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet", sagt der Dichter. — „Prüft Euch, Kinder," rief Baumeister Heller. Aber als ihm der Vizewachtmeister Georg mir ar tilleristischer Festigkeit erklärt hatte, sie hätten sich geprüft und blieben bei dem Heiratsentschluß, da knirschte der Veteran, teils vor Aergsr, teils vor Eichtschmerzen, und er schrie, als gelte es wieder „Feuer" zu kommandieren: „Wenn Du gegen meinen Willen handelst, so enterbe ich Dich!" Worauf er wütend zur Tür hinaushumprlte. Der junge Artillerist teilte das Ergebnis seinem Schatze mit und erklärte mit aller Bestimmtheit, er werde dem lau nischen Alten auch vor seiner Rückreise zur Front sagen, selbP die Drohung mit einer Enterbung schrecke ihn nicht. Aber die lustige Evatochter bracht« ihn davon ab. „Wir wollen's abwarten, Liebster. Der Krieg macht alles möglich Jeden falls laß uns erst zusehen!" Der Veteran von 1870 wurde etwas besserer Laune, als die Artillerie im Westen ihre Sprache von neuem begann, und die Urlaubsgesuche seines Enkels zu Ende kamen. Er las in den Zeitungen von den unerhörten Artilleriekämpfen, und seins strenge "Seele ward milder. Donnerwetter, der Georg ; war auch ein Held, und wenn er glücklich aus diesem Höklon- feuer herauskam, konnte man ihm eigentlich nichts abschlagen. Leutnant war er geworden und das Eiserne Kreuz erster hatte er auch. Ein ganzer Kerl. Bloß dem Jugendkameraden mutzte er doch auch sein Wort halten, oder es mutzte «twas eintreten, was alles entschuldigte und ablöste. Ja, w«nn! Ein Vorfrühlingstag war es 1918, die ersten Stare ließen von sich hören, die Sonne schien so mild^ als stehe Ostern vor der Tür. Baumeister Heller vergaß >ein Podagra und las in der Zeitung di; Meinungen über die große Offensive. Ein: Ewigkeit ist es von unseren Stellungen nicht bis Paris, und wenn alles glückt, dann bekommen die Pariser doch noch ein paar Zückerhüte von unserer Artillerie auf den Kopf. Ich gäbe wer weiß was drum!" *,Was denn Großpapa?" Der Leutnant Georg Heller ,war gerade ins Zimmer getreten und hatte die letzten Wort« gehört. „Junge, wo kommst Du her?" — Für zwei Stunden bin ich auf der Durchreise mit vor^stommen. Es war ein wichtiges Kommando. Ich mutz sofort wieder zurück. Aber ! was gibst Du, wenn wir den Parisern Ostern die Zuckerhüte auf den Kopf schmeißen? Bald! „Na, sagen wir zu Ostern!" „Ihr von der Artillerie, nicht bloß die Flieger? Und zu ! Ostern? Alle Donnerwetter! Wenn das was würde, schmeiße ich «inen braunen Lappen!" rl „Das langt nicht, Großpapa! Mehr, mehr!" „Na, weil Du doch mein Erbe bist, zwei. Oder zum ! letzten drei."