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Lrankenbcrgcr Erzähler Unterhalmngsbsilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegebe... Wr. 18 MLLrrIik, den 13. Aebruar 1918 von Dort liegt mein Leben, wo in fernster Ferne Der Adler seine großen Kreise zieht, Dort liegt mein Lieben, wo auf stillem Stern« Die Sehnsucht singt ihr allerstillstes Lied. Dort ist die Heisst meiner höchsten Stärke, Dort kann ich^Mgh kann ich einsam sein. Dort wirk' ich ungewollt die ew'gen Werke, Dort bin ich ganz mit meinem Gott allein. Karl Ernst Knodt. Heilige Zellen Ein Roman aus der Gegenwart Von-'Anny Mothe. 18 - Nachdruck verbalen Da hatte Graf Günter gefühlt, wie unablässig Christa- Maria seiner gedacht und im lleberschwang dieser beglückenden Gewißheit hatte er dem Pfarrer gleich eine so namhafte Summe angewiesen für Lie Jlmenroder, daß der langjährig« Seelsorger vor Ueberraschung und Freude ganz bestürzt war. Günter hatte überwältigend empfunden, während er durch fein Besitztum mit dem dazu gehörigen Dorf schritt, wie Christa-Marias Zuspruch neulich das Rechte traf. Hier Lot sich ihm ein überreiches Wirkungsfeld, sowohl im Kriege wie kn Friedenszeiten, das zu beackern wohl eines Lebens wert war. Aber so angestrengt sich auch Graf Günter mühte, heute feine Gedanken auf Jlmenrode zu richten, sich das Glücks- gefühl miszabauen, wenn er dort, wie er hoffte, einmal gemein sam mit Christa-Maria würde wirken und schaffen "können, alle frohen Zukunftsbilder hielten nicht stand vor dem dunklen Weh in seiner Brust, der namenlosen Angst, die Güldanes Hochzeitstag in ihm heraufbeschworen. — Er wußte, seiner Msttter und Marlene erging es nicht anders, nur daß nie mand darüber sprach. Selbst die Dienerschaft schlich wie unter «inem dunklen Druck umher und der alte Friedrich war heute überhaupt nicht zu gebrauchen. Alles faßte er verkehrt an und seine alten Hände bebten wie im Fieber. Günter war froh, daß der kleine Holm noch im Doktor hause weilte. Güldane hatte zuerst einen wenig erbaulichen Auftritt ins Werk gesetzt, als sie bei ihrer Rückkehr aus Han nover erfuhr, daß man das Kind entfernt hatte. Als aber Günter ihrem stürmischen Verlangen, sofort den Jungen zurück- xuholen, mit eisiger Festigkeit entgegen gewirkt und auf sein Siecht als Vormund hingewiesen, da hatte sie sich unter einer Flut von Tränen gefügt. Marlene wankte wie ein Geist im Hause umher, so daß Günter ernsthaft für ihre Gesundheit fürchtete. Alle ihre versuche, Güldane zu einem Aufschub ihrer Hochzeit zu be wegen, hatten nicht vermocht, die junge Frau umzustimmen.— Güldane lächelte still vor sich hin und ging verträumt in ihrem bräutlichen Glück, ohne die anderen zu beachten, ihren eigenen Weg. Sie schien Holm vergessen zu haben. Nicht ein einziges Mal hatte sie mehr nach ihm gefragt. Der Sonntag da draußen, der so hell in das weit räumige dunkel gehaltene Zimmer des Grafen Günter hinein- leuchtete, tat ihm weh. Das Frühstück hatten heute die ein zelnen Mitglieder der Familie, jeder für sich, in seinem Zimmer eingenommen. Güldane war überhaupt noch nicht zum Vor- Lhein gekommen. Marlene aber meinte, Laß es in ihrem Zimmer von Seide knistere und der Duft der Orangen- Glüten, mit denen auch die Festtafel in dem großen Saal -rschmückt war, unerträglich sei. Ein Klopfen an Günters , Tür störte ihn aus seinen Gedanken auf. Marlene, bleich vor s Erregung, stand auf der Schwelle. Ein Telegramm zitterte in - ihrer Hand. „Ich bringe dir das gleich selbst, Günter", sagte sie zur ! Entschuldigung. „Vielleicht ist es etwas, das diese unglück- ! selige Heirat doch noch aufhalten kann." Günter riß die Depesche auf. Ein Lächeln irrte nm j seinen Mund. „Nein, Kind," sagte er, „das ist nur ein Freudenblick an ! diesem trübseligen Tag. Bodo hat sich mit Lotti v. Kettler, i der Freundin von Christa-Maria, verlobt. Er kommt erst - morgen zurück und am Sonntag soll schon seine Kriegskauung i stattfinden, zu der ich und Christa-Maria ins „Himmelreich'« ! kommen sollen." i Nun glitt auch ein Lächeln um Marlenes wehmütig ge- ! schlossen« Lippen. „Möchte er für euch beide wirklich ein Weg ! ins „Himmelreich" werden", sprach sie leise. Günter nickte verträumt. Das Glück des Freundes und die Eij merung an den Frühlingstag im Okertal, wo er Christa- Maria wieder gesunden, scheuchte für den Augenblick die dünk- : len Schatten von seiner Seele. „Hast du noch etwas, Marlene", fragte er dann sanft, als er gewahrte, wie Marlene wie in leichter Verlegenheit ! zögerte. „Ja, Günter, ich möchte dich bitten, doch noch einmal vor ! der Ziviltrauung mit Güldane zu reden. Vielleicht läßt sie i doch noch in letzter Stunde von ihrem Vorhaben ab. Nur auf- > schieben soll sie die Hochzeit, nicht aufgeben, denn das würde sie z ja doch nicht tun." „Du überschätzest meine Macht, Marlene, ich habe keinen ! Einfluß auf Güldane und ich sehe auch nicht ein, was da - noch gewonnen wird. Der unerträgliche Zustand hier würde j sich immer peinvoller zuspitzen und wir alle würden noch mehr i als bisher unter den Verhältnissen leiden. Du darfst nicht - vergessen, daß Güldane freie Herrin ihrer Entscheidungen ist i und wir gar kein Recht haben, sie zu hindern." ! „Aber Joachims Andenken wäre man es schuldig ge wesen, sie nicht hier einem anderen Manne zu geben. Das, s meine ich, kann der Tote dir und Tante Erdmute nie ver- ' zeihen." „Du verkennst die Tatsache. Die Mutter und ich rmp- i finden es geradezu als Pflicht gegen den Toten, daß wir Gül- i dane von der gehüteten Schwelle seines Hauses in das j neue Leben entlassen. Joachims Frau soll würdig in die ! neue Ehe Keten. Selbst dann, wenn Lie heilige Zeit des s großen Sterbens ihr nichts zu sagen hat, soll sie empfinden, ! daß Joachims Geilt bei ihr ist in der Stunde, wo sie ihn - verriet. Ich weiß oohl, daß wir zu streng mit Güldane ins s Gericht gehen, daß Hunderte von Kriegswitwen, gleich ihr, ! begehrlich auch schon wieder nach einem neuen Glück die Hand ' ausstrecken. Aber alle diese meine ich, sind meist Frauen, die i nicht auf einer hohen Stufe innerlichen Erlebens und wahrer ! Bildung stehen. Vielleicht sind es auch solche, die sich schon i lange sehnten, frei zu werden von drückendem Joch, die tief ' unglücklich waren mit dem Gatten, der im Kampfe fiel. Trotz dem aber sollte die Ehrfurcht vor dem Heldentod, den der Mann, der zu ihnen gehörte, erlitt, sie abhalten, noch während - der Kriegsdauer sich einem anderen Manne zu eigen zu geben." Marlene krampfte die weißen Hände ineinander. s „Ich weiß ja, daß alles nutzlos ist, und doch möchte ich immer verzweifelt nach Joachim rufen, daß er hier erscheine, um den unerhörten Frevel zu hindern, den Güldane an ihm begeht." „Du mußt ruhiger werden, Marlene. Noch «in paar I Stunden, iund es ist alles vorbei.'-' ,^Ou wkst Güll-anes Trauzeuge sein?" kam es bitter ! von ihren Lippen.