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s KK KZSKLK t 's» re« « ' —V 70 — „Ja, kann ich es vermeiden? Schon genug, daß Mols. gang seinen Onkel als Zeugen mitbringt. Es ist nicht nötig, ! daß noch mehr Fremde bei diesem Trauakt zugegen sind, der uns so viele Schmerzen bereitet. Ich bin sogar froh, daß vodo nicht dabei zu sein braucht." Marlene lietz ihr Haupt aus die Brust sinken, als drücke sie ihre goldene Flechtenkrone schwer. Auch sie trug heute ein schlichtes, weihes Kleid, aber es hatte nichts Festliches. Wie ein Totenkleid hing es ihr schlaff um die müden Glieder. „Ich höre einen Wagen vorfahren", sagte sie gepreßt. „Es wird Wolfgang mit dem Standesbeamten sein." Dann ging sie still hinaus. i Günter atmete schwer. Nun galt es, noch eine kleine Weil« aufrecht zu stehen, dann war das ganze Possenspiel vorbei und die schöne Güldane schied für immer von Ettersrode, trotzdem sie ihr Kind hier zurücklieh. Und dann kam der kurze Akt der gesetzlichen Eheschlie- hung durch den Standesbeamten, wo nur Günter und der Onkel Wolfgangs — ein wohlbeleibter, gemütlicher Ritter gutsbesitzer, Herr von Zossendorf, zugegen waren. Auf Wolf gangs frischem, ehrlichen Gesicht lagerte ein tiefer, fast schmerz licher Ernst. Güldane hatte ein sieghaftes Lächeln um den roten Mund und' als sie ihre Unterschrift auf das Blatt setzte, das der Standesbeamte ihr reichte, da sprühten ihre grau grünen Nirenaugen in gelbfunkelndem Licht, so daß Günter fast vor diesem Blick erschrak. Hatte wirklich zum erstenmal verzehrende Leidenschaft die Frau ergriffen, die sonst nur heißes Begehren zu wecken wußte? Nach den standesamtlichen Formalitäten war Marlene mit GAldane gegangen, ihr schweren Herzens den Brautkranz in die Locken zu drücken. Schon einmal hatte sie es tun müssen, damals, als Güldane ihr mit lächelnder Selbstverständlichkeit den heißgeliebten Mann genommen. Aber sie hatte nicht gezittert, als sie der schönen, begehrten Schwester die Myrte in das Eoldhaar flocht. Aber schwerer noch als damals dünkte Marlene ihr heutiges Amt. Günter bemühte sich krampfhaft im Eartenzimmer, Herr von Zossendorf, dem die ungemüt liche Stimmung im Hause auch schon auf die Nerven-zu fallen schien, zu unterhalten. Wolfgang in Paradeuniform, den Ulanenhelm in der Hand, stand am Fenster und starrte in den Burghof hinab, wo vom Schloßtor bis zur Kapelle ein roter Teppich lief, über und über mit Orangenblüten bestreut. Diesen Weg würde er nun mit der geliebten Frau gehen — noch ein« kurze Weile — das Hochzeitsmahl war ja bald beendet, und Güldane war sein. Heitz stieg es in ihm auf. Fester faßten seine Hände den Degenknauf. Da öffnete sich leise die Tür und Gräfin Erd- mute, im langherabwallenden Kreppkleide, trat über die Schwelle. Und wie Wolfgang von Diethardshausen die Frau sah, noch in tiefer Trauer um den Sohn, dessen Stelle er bei feiner Frau jetzt einnehmen wollte, da durchfuhr es ihn wie ein Sch.ag: „Du hättest jetzt nicht um Güldane freien dürfen. Es ist ein Verbrechen gegen dich selbst und gegen Güldane." Und er beugte sich wie ein Schuldiger ergriffen über die schmale Frauenhand, die so kalt und fühllos in der seinen lag. Sprechen konnte er nicht. Aber Herr von Zossendorf ritz das Wort an sich. „Begreife ja, Erlaucht", lietz er sich, mit tiefer Verbeu gung Gräfin Erdmutes Hand herzhaft schüttelnd, vernehmen, „daß dieser Tag kein Freudenfest für Sie sein kann, wo er so traurige Erinnerungen wachruft — aber der Junge da" — er wies auf Wolfgang — „der wird die kleine kapriziöse Frau schon glücklich machen. Jawohl, das wird er." Ehe die Gräfin erwidern konnte, öffnete sich abermals die Flügeltür und die Braut, von Marlene gefolgt, trat ins Zimmer. Wie ein holder Traum stand sie da in ihrem weißen Gewand von knisternder, schimmernder Seide, ein süßes, un- schuldvolles Lächeln um die blutroten Lippen. Ueber der weißen Stirn ^n Kranz von frischen Orangeblüten wie aus schimmernden Sternen gewunden. Duftig verhüllte der hauchzarte Schleier das rotgoldene Gelock und die ganze Ge stalt bis zu dem Saum des langschleppenden Kleides. Emen jeden grüßte sie mit dem leichten, sanften Lächeln und als Wolfgang ergriffen und tiefbewegt ihr den Strauß von Orangeblüten in die schmalen Hände gab, als er fast ge- demütigt ihre Hand küßtei da blitzte wieder das seltsame Licht in ihren Augen und Günter dachte erschauernd: „Cie frohlockt jetzt: Auch er wird mein Sklave." Wolfgang reichte seiner Braut den Arm. Der Ritter gutsbesitzer, dem es in seinem zu engen Frack recht unge mütlich war, beeilte sich, Gräfin Erdmute seinen Arm zu bieten und Günter und Marlene machten den Beschluß des kleinen, seltsamen Hochzeitszuges. Die Glocken der Schloß kirche fingen hell zu läuten an und über all die gestreuten Orangeblüten hinweg schritt die strahlende Braut mit ihrem ernsten Gefolge. Die Dienstleute standen stumm und ließen den Zochzeitszug vorübergehen. Kein herzliches Wort, kein ftoher Wunsch wurde laut. Wie zu einer Trauerfeier stan den sie düster, mit ernsten Mienen. Wenn sie auch wohl anders über die Wiederverheiratung einer Witwe dachten — wenn es ihnen auch für ganz selbstverständlich galt, daß eine junge Frau, schon aus praktischen Rücksichten, wie es in ihren Kreisen üblich war, einen anderen Mann nahm, sie fühlten doch mit geheimem Schauer, daß ihrem toten Herrn hier ein Leid geschah. Er, der sein Blut für das Vaterland opferte, der für Weib und Kind daheim gekämpft hart«, über dessen noch offener Gruft durfte man nicht zu einer neuen Eh« schreiten. Die'Glocken klangen wie Totengeläut- Der greise Priester vor dem blumengeschmückten Altar in der kleinen Schloßkapelle im schwülen Duft des Lorbeers und der Drangenblüten sah mit ernstem, fast traurigem Blick aus das hochzeitliche Paar, das im flackernden Licht der vielen Kerzen vor ihm stand, das er segnen sollte für eine glück verheißende Zukunft, die ihre stürmischen Herzen heiß be gehrten und erzwingen wollten. Und der Geistliche hob andächtig die Hände und sprach ? von den „heiligen Zeiten", die jetzt über die ganze Welt gekommen, heilige Zeiten, wo die Toten redeten und die Lebenden fein stille sein müßten. Alles eigene Wünschen i und Verlangen müsse schweigen und untergehen in dem furcht- i baren Völkerringen, in dem sich das Schicksal aller Knltur- weiten entscheide. Von Joachim sprach er kein Wort, auch nicht von Gük- ! danes Knaben, der nicht an der Seite seiner Mutter stand. Nur die heiligen Zeiten betonte er, in denen jede Menschew i seele aufwärts streben sollte, wo die furchtbaren Ereignisse der Gegenwart mit wuchtiger Faust alle Selbstsucht töten i müßten. Von Güldane sprach er nicht. Und Güldane lächelt» ! spöttisch und siegesgewiß. Mochten sie sie doch alle ver- l dämmen — sie wollte glücklich sein und das Glück winkte - ihr jetzt. Was galten ihr die Worte des Priesters, der , ja schon einmal zu ihr geredet, ohne Widerhall zu finden, i Und dann erbrauste die kleine Orgel. Gebet und Segen ; waren verhallt. Wieder klangen die Glocken und Güldane : schritt mit strahlendem Lächeln an der Seite ihres Gatten , hinaus in den Saal, an der sich stumm verneigenden Diener- i schäft vorbei, zum Hochzeitsmahl. Die Hoch-ritsglocken von Burg Ettersrode klangen auch i hinab zum Doktorhaus, wo Christa-Maria mit blassem Ge- : sicht im Garten sich abmühte, den kleinen Holm zu unter- ! halten, der heute gar nicht mit den anderen Kindern spielen wollte, die sich an der großen Wiese vergnügten. Trotz ! der innigen Herzensfreude, die Christa-Maria heute über , Bodos und LotÜs Depesche gehabt, konnte kein wirkliches z Frohgefühl in Christa-Maria aufkommen. Jetzt trat. der ! Sanitätsrat, der soeben von seinen Krankenbesuchen heim- ' kehrte, in den Garten und sah Christa-Maria bedeutungsvoll - an, als die Glocken so feierlich herniederbebten. Die Aerztin gab den Blick still zurück. Dann sagte sie, i Holm ganz nahe an sich ziehend und über sein heißes Gesicht > streichend: „Willst du dir Holm nicht mal ansehen, Vater? Er gefällt mir gar nicht. Hoffentlich hat er sich nicht er- kältet." Der Junge machte wieder seine charakteristische, abweh- > rendr Handbewegung. „Du brauchst dich nicht zu ängstigen, s Tante Christa-Maria, und Onkel Sanitätsrat auch nicht. ! Ick» mutz nur so vieles denken." „So? Was denkst du denn, Holm?" „Arg viel, Onkel. Ich denke, daß es möglich ist, datz einer doch wiederkommt, wenn man immer darum bittet. : Der andere" — er winkte wieder wegwerfend mit der kleinen ! dicken Hand ab — „ist jetzt gewiß auf Ettersrode. Aber wenn Vater wieder kommt, dann mutz er fort. Vater wird es ihm - schon weisen." „Holm!" rief Christa-Maria ganz entsetzt und schlang ' ihre Arme um den Knaben. Er aber sah sie mit seine».