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Nichts von oer gegnerischen Kräfteverteilung wüßte. Ohne > die unsere Führer in vielen Punkten wie mit tastenden Zünden ins Dunkle gehen müßten. Es ist keine nervenaufpritschend«, mitfortreißend« Schlacht, «ine solche Erkundungspatrvuille. Hart, zähe Entschlossen- heit und unerschütterliche Kaltblütigkeit bilden ihre beiden ! Erfordernisse. ' i In versumpfter Stellung, in der da und dort das > Wasser kniehoch steht, wartrt Leutnant Wohlauer mit seinen > Leuten. Die Nacht ist bitter kalt. Die Glieder werden zu Eis. > Nur die Augen glühen heiß in die Finsternis voraus. 2 Uhr. „Los!" geht es durch dir Reihe der Patrouillen- ! leute. Dunkle Gestalten kriechen aus dem Morast hoch, stapfen s schwerfällig vorwärts und werden von der Nacht verschluckt. Die Augen sind an die Finsternis gewöhnt. Wasser- s gefüllte Eranatlöcher werden umgangen, Baumstümpfe über- ! schritten. Lautlos weiter. Stimmt die Richtung? Da saust drüben eine Leuchtkugel hoch, reißt sich von ihrem schimmern den Schweif los und sinkt langsam zur Erde. Die Richtung stimmt. Ein eiliges Heulen jagt über die Köpfe hinweg und erstickt in einem gurgelnden Schrei. Die Granate ging nach ! der Stellung des Regiments. s Vorwärts! Und leise! Der feindliche Graben mußte i schon nah sein. Wenn der verwünschte Schlamm die Füße ? nur nicht so zäh umklammerte! s Halt, da war der Graben. Ohne Zögern hinein. Pfui i Teufel, das Wasser spritzte hoch auf. Totenstille. Die Patrouille verteilt sich. Ein Trupp bleibt an der s Stelle als Schutz. Der Patrouillenführer mit den übrigen Leuten watet nach Osten ins Ungewisse. Man sieht kaum die Hand vor den Augen. Sie finden keine Posten. Also s wieder zurück; an der Wachegruppe vorbei nach Westen. i Schlamm und Wasser, aber kein Feind. Den aber mußte man haben. Darum weiter. Plötzlich ein halbkreisförmiges Draht- Hindernis. Man lauschte, Nichts zu hören. Aber das Kinder- - nis war stark. ! Heraus aus dem Graben, in das versumpfte feind,liche . Gelände. Ruhig, ruhig! Holla, da hatte jemand gehustet, wenige Schritte vor Hnen. Die Augen des Leutnants bohrten sich in die Finster- , nis. Ein Sandsackaufbau wuchs aus ihr heraus. Eine feindliche Leuchtkugel weiter rechts. Kein Glied s der Patrouillenmannschaften rührte sich. In kreidigem Licht- schein hatte man ein Maschinengewehr hinter dem Sandsack- i wall erkannt. Sofort entschließt sich Leutnant Wohlauer, s -den Posten anzugreifen. Aber wie? Davor war ein tiefer, breiter Bach. Man bog nach rechts aus, um herauszukommen. In die- ; sem Augenblick wurden sie bemerkt. Das Maschinengewehr ratterte, die Kugeln pfiffen. Eine Handgranatensalve der Deutschen war die Antwort. Lautes Wehgeschrei erscholl hinter den Sandsääen. s Den Revolver in der Faust, stürzte Leutnant Wohlauer darauf zu, versank aber in dem Bach sofort bis an die Hüf- ! ten im Wasser und trat in dichten Stacheldraht. Verwünscht! ! Man kam nicht hindurch. Das Maschinengewehr geiferte ! «eiter. — > Es war zum Haarausraufen; aber es hatte keinen Zweck i mehr zu bleiben, man mußte es aufgeben. Sprungweise gings zurück, von Schlammloch zu Schlamm- : koch, denn das Maschinengewehr schoß wie toll. Und doch s kam man ohne Verluste bei der zurückgelassenen Gruppe wie der an. Die hatte inzwischen ein bißchen die Umgegend abge sucht, Schilder mit Aufschriften gefunden und einen Horch apparat zerstört. Die Aufschriften verrieten wie auch das Wehgeschrei hinter der Sandsackbarrikade wenigstens die Na- j tionalität des Feindes, deren Feststellung von Wichtigkeit war. Unter feindlichem Artillerie- und Maschinengewehrfeuer bewegte sich der Gespensterzug wieder zurück durch die Nacht. Einen traf ein Granatsplitter. Der Verwundete stöhnte leise und schleppte sich mit. Todmüde in Schlamm gewickelt kam die Patrouille wieder in d«r eigenen Stellung an. Der Offi zier machte seine Meldung. Dis Leute krochen in ihre halb zerschossenen, nassen Unterstände und blieben liegen wie nasse, schmutzige Bündel Lumpen. — Nur eine Erkundungspatrouille; „im Westen keine be sonderen Ereignisse", Herr X.! Hauptmann Engelhardt. Der 2sr im Avi! Man schreibt uns: Durch die Presse ging dieser Tage die Meldung, der ehemalige Beherrscher des großen russischen Reiches sei in sich gekehrt und habe sich mit dem Zivilleben abgefunden. Seine Oberstenuniform habe er ausgezogen und gehe jetzt nur noch im schlichten Bürgerkleide. Wohl selten jemand aus der Umgebung des Zaren wird sich erinnern können, ihn in seiner Herrscherzeit -jemals anders als in glanzvoller Uniform gesehen zu haben. Nikolaus ll. war an und für sich kein Soldat, aber dennoch liebte er das mili tärische Kleid und trug es vor allem, weil er glaubte, in ihm am sichersten zu sein. Zu dieser Auffassung kam er durch folgenden gewiß noch unbekannten Vorfall: Als er im Sommer des Jahres 1897 eins Fahrt nach seinem Jagd schloß Bialowizer Uewalde unternahm, trug er Zivil, weil man ihm geraten hatte, daß es nach den eben erst über standenen Bauernunruhen ratsamer sei, und auch seine Be gleiter, die den Umständen entsprechend in geringer Zahl waren, folgten seinem Beispiel. Während der Einzug in das Jagdschloß gewöhnlich zu einer andern Zeit und mit großem Pomp vollzogen wurde, war die Ankunft des Zaren diesmal nur wenigen bekannt. Es war daher nicht über raschend, als der Zar auf einer Spazierfahrt von einem Waldhüter angehalten wurde. Mochte der Waldhüter ein Neuling oder auch betrunken gewesen sein, kurz und gut, -er stellte das Fuhrwerk und verbat sich die Weiterfahrt in seinem Revier. Der Kutscher machte alle möglichen Zeichen, um den Rabiaten aufzuklären und auch der Zar erklärte, er wäre der Herr des Waldes. Da lachte der Waldhüter und seine Haltung wurde drohend: Väterchen sei kein Bauer, er trage Uniform, ihn erkenne man gleich, denn er habe Orden! Und tatsächlich mußte der Wagen umkehren, da der Wald hüter dem Stadtmenschen riet, sich schleunigst von dannen zu machen, wenn ihm sein Leben lieb sei. Dem Zaren blieb dieser Vorfall im Gedächtnis. Nie mehr trug er seitdem Zivil und machte gute Erfahrungen damit: Die Russen zittern vor dem Herrn und ein Offizier ist für sie immer eins Respektsperson. So konnte der Zar sich wiederholt trotz seiner Schwäche und Energielosigkeit den Disziplinlosigkeiten erwehren. Und selbst auf die Gefahr hin, von Attentätern besser erkannt zu wer den, verzichtete er nicht auf den bunten Rock. Er bereitete seiner Umgebung dadurch viel Verdruß, denn ihm lag vor allem daran, sich durch seine Kleidung kleineren Gefahren zu entziehen, daß er größeren Anschlägen nicht zum Opfer fiel, überließ er der Sorge feiner Spitzel und seiner Polizei. — Man kann daraus schließen, wie anders sich jetzt die Lebensweise des ehemaligen Kaisers des größten europäischen Reiches gestaltet hat. Der Umstand, daß er sich nicht vor kleineren Unannehmlichkeiten fürchtet und ihretwegen di« Uni form trägt, beweist, wie die neue Lebensweise den Verbannten von Tobolsk abgestumpft hat und gegen alle kleinen Ge fahren gleichgültig gemacht haben muß. E. O- kiemiscdte; ' Ein virlbelachter Richterspruch. Nus Tasse! schreibt man uns: Das hiesige Schöffengericht fällte einen Hamster spruch, der viel belacht wird, aber selbst bei den Parteien mit einem nassen und einem heiteren Auge Zustimmung ge funden hat. Ein hiesiger Direktor einer chemischen Fabrik kaufte bei einem Landmanns aus der Söhre einen 15pfündigen Schinken zu 215 Mark. Beim Anschnitt zeigte sich, daß der Schinken gänzlich verdorben und nicht zu genießen war. Der Bauer wollte aber die 215 M. nicht herausgeben und so wurde der Kadi angerufen. Dieser entschied Mt salomo nischer Weisheit: Der Bauer zahlt die 215 M?zurück und zahlt wegen Ueberschreitung der Höchstpreise für Schinken 285 M. Strafe, nämlich für jedes Pfund so und soviel; der Fabrikdirektor, der gehamstert hat, zahlt wegen Vergehens gegen das Höchstpreisgesetz und die Bundesratsverordnung vom 26. Juni 1916 eine Geldstrafe von 300 Mark.. Auf diese Weise hat sich niemand etwas vorzuwerfen, denn gleiche Brüder, gleiche Rappen. So ist der Landmann seinen Schinken und der Direktor sein Geld los, in beiden Fällen hat der Staat das Geschäft gemacht. V er m Iw örtlicher Redakteur: Ernst Roßberg tn Frankenberg i.L. — Druck und Verlag von T. S. Roßberg tn Frarckenberg t.S