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Archiv für wissenschaftliche Photographie. Heft 4 I. Jahrgang. i. April 1899. Der Einfluss des Lichtes auf allotrope Umwandlungen. 1 ) Von Dr. Max Roloff. 1) Vgl. hierzu die Arbeit dess. Verf. „Über Lichtwirkungen" I. Zeitschr. physik. Chem. Bd. 26, Heft 3. 3) Wied. Ann. 48, 389. I. Photopolymerisationen. ■ as Licht wird als eine regelmässige Folge elektromagnetischer Gleichgewichts störungen im durchstrahlten Medium angesehen; die mehr oder minder schnelle Aufeinanderfolge der Perioden ist dabei für die Wellenlänge oder die Farbe massgebend. Bei dieser Definition des Begriffes „Licht“ ist es nun von vornherein klar, dass die „Lichtwirkungen“ nicht nur auf die aktinischen Effekte des dem Auge sichtbaren Strahlenbereiches beschränkt werden dürfen, sondern dass auch die „Lichtwirkungen“ der ultraroten und ultravioletten Strahlen, ja überhaupt aller möglichen elektromagnetischen Wellenzüge in das Gebiet der Photochemie einbegriffen werden müssen. Ebenso wie die Ozonisierung des Sauerstoffs im Sonnenlichte ist also auch der Vorgang im Siemens- sehen Rohr ein photochemischer Prozess, und zwar, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll, prinzipiell derselbe. Neben dieser Ausdehnung des photochemischen Forschungsgebietes giebt die elektromagnetische Lichttheorie uns weiterhin auch ein Mittel, tiefer in das Wesen photochemischer Prozesse einzudringen. Aus elektrodynamischen Betrachtungen er- giebt sich nämlich, dass ein elektrisch neutrales, d. h. mit keinerlei Ladung behaftetes Molekül von einem elektromagnetischen Wellcnzuge nur als Ganzes bewegt werden kann, etwa in derselben Weise wie durch die mechanischen Stösse der Wärme bewegung. Die Lichtwirkungen könnten also dann nicht von den Wärmewirkungen prinzipiell verschieden sein. Dennoch lehrt die Erfahrung, dass die thermischen und aktinischen Effekte häufig gerade entgegengesetzte sind; so werden die polymeren Modifikationen z. B. durchweg im Lichte gebildet, in der Wärme dagegen zerstört. Es bleibt also nur die Annahme übrig, dass da, wo spezifische Licht- Wirkungen vor liegen, dies durch das Vorhandensein elektrischer — paar weise entgegengesetzt gleicher — Ladungen auf den Molekülen ermög licht wird. Sind nun aber solche polaren Ladungen auf den Molekülen vorhanden, so treten unter der Einwirkung eines elektromagnetischen Wellcnzuges, wie Helm holtz 2 3 ) gezeigt hat, abwechselnde Streckungen und Verkürzungen des Moleküles in der Richtung der Verbindungslinie beider Pole ein. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, dass die Oszillation des Moleküls sich der Periode der Lichtschwingungen anpassen kann. Sind letztere zu gross, so summieren die beiden entgegengesetzten elektro dynamischen Effekte sich zu einer einzigen den Wärmestössen analogen Gesamt wirkung.