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Zum Programm DRESDNER O PHILHARMONIE B ereits im vergangenen Jahr haben wir uns von dem Gedanken gelöst, zum Dresdner Gedenktag müsse traditionsgemäß ein großes Chorwerk aufgeführt werden. Auch dieses Mal hat der Chefdirigent Werke zueinandergestellt, die dem Anlaß gerecht werden: Erinnerung an die furchtbare Zerstörung unserer Stadt und an die vielen Menschenopfer. Es ist Musik, die uns berührt und innehalten läßt, uns bewegt und trägt, uns aber auch Kraft geben mag. In Beet hovens Egmont-Ouvertüre erspüren wir einiges davon: sowohl Leiden als auch Jubel, Tod und Sieg. Dies war für Beethoven immer ein wich tiger Gedanken, und er verstand es, ihn auch so Konzert zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens vor 57 Jahren auszudrücken: „Durch Nacht zum Licht“. Und so sollten auch wir diese Botschaft verstehen: nicht in Trauer verharren, sondern mittels dieses unü berhörbaren „prometheischen“ Gedankens uns dem Leben stellen und versuchen, der Vision von der Schönheit der Welt Gestalt zu verleihen. Frank Martin, ein Komponist unserer Zeit, wählte die Jedermann“-Gedichte von Hugo von Hof mannsthal, um den Sinn allen menschlichen Tuns musikalisch zu beleuchten, einen Totentanz nach altem Vorbild zu schaffen, etwas, das uns alle bewegt und keinen unbeteiligt läßt. Ein Indivi duum legt am Ende seiner Tage Rechenschaft ab und muß sich fragen lassen, was von ihm bleibt. Jean Sibelius schließlich komponierte mit seiner 4. Sinfonie eine Musik, die aus lastender Stille zu kommen scheint und wieder in ihr versinkt, die keinen Jubel kennt und keine apotheotische Wirkung hat. Und doch ist es eine Musik, die uns zwingt, ihr zu folgen, die uns trifft und uns ge fangennimmt. Wer genau hinhört, vermag - wie schon in den „Jedermann-Monologen“ - zu er kennen, wie sich das Individuum selbst sieht, wenn es Rechenschaft abzulegen hat.