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sangstimme (in den Sinfonien 2-4) zu einer Überhöhung des rein Sin fonischen geführt hatte. Und Gesang, also das Wort, spiel te für den Komponisten von früher Jugend an eine bedeutsame Rolle. An Wagners „Tannhäuser" ent flammte sich der junge Mann. Als 1 Sjähriger wollte er eine Oper schreiben - wie er - aus romanti schem Stoff. Ein Rübezahl-Plan be schäftigte ihn, zerschlug sich. Dem Gedanken, einen Märchenstoff zu vertonen, blieb er indessen treu und fand in Ludwig Bechsteins „Neuem deutschen Märchenbuch" (1856) eine Geschichte, die ihn berührte: Das klagende Lied. Mah ler hat dieses Märchen - unter zu sätzlicher Verwendung des Grimm schen Märchens vom „Singenden Knochen" - ein wenig umgestaltet, einen eigenen Text verfaßt und in zweijähriger Arbeit vertont. Es ent stand ein Chorwerk mit Gesangs solisten und sehr großem Orchester, darin eingeschlossen ein soge nanntes Fernorchester. Mahler ließ dieses Werk als sein Opus 1 gelten, andere, vorher entstandene Kom positionen fand er nicht wert, ver öffentlicht zu werden. Schließlich wurden drei verschiedene Fassun gen daraus: Die erste, „Märchen spiel" benannt, bestand aus drei Teilen, „Waldmärchen - Der Spiel mann - Hochzeitsstück". Eine Revi sion von 1888 enthielt nur noch die Teile 2 und 3. In den Jahren 1 898/99 stellte Mahler eine end gültige Fassung her, in einer Zeit, als er merklich gereift war und sei ¬ ne 3. Sinfonie bereits aufgeführt hatte. Schon also in jungen Jahren waren es Stoffe aus einer Märchen welt mit den darin eingebetteten Lebensweisheiten, die Mahler zu Kompositionen anregten, eine Inspi rationsquelle, die für ihn niemals versiegen sollte und ihn bis zum „Lied von der Erde" (1911) beglei tet hat. Denn, was Mahler textlich inspirieren sollte, mußte seiner mu sikalischen Vorstellungskraft ent sprechen. So war es anfangs, und so beendete er sein Schaffen. Mah ler hat den ungewöhnlichen Stoff in einem balladesken Text verarbeitet. Er erzählt ein uraltes Mensch heitsdrama, gewissermaßen den Kain- und Abel-Stoff: Zwei unglei che Brüder lieben ein und dieselbe wunderschöne Königin. Der Jünge re wird aus Neid von seinem Bru- Entwurf in der Hand schrift des Komponi sten (letzte Notenseite aus „Der Spielmann")