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Die in der Partitur als »Missa solemnis« überschriebene und von Schubert selbst hoch geschätzte As-Dur Messe ist in zwei Fassungen überliefert, datiert mit November 1819 - Septem ber 1822 die erste und mit Ende 1825 / Anfang 1826 die zweite. Schubert, der mit diesem rund fünfzigminütigen Werk den li turgischen Rahmen sprengte und ihm auch in der Instrumen tation mit aufwändig gestalteten Soli insbesondere der Klari nette einen fast sinfonischen Rang verlieh, vereinfachte in seiner zweiten Fassung die spieltechnischen Anforderungen an die Instrumentalisten. Grundlegend überarbeitet hat er die Schlussfuge im »Gloria«. Für diese zweite Fassung, die er Hofkapellmeister Josef Eybler im Zusammenhang mit seiner Bewerbung um die Stelle des Vize-Hofkapellmeisters zur Be gutachtung vorlegte, erhielt Schubert zwar dessen Zustim mung, Eybler war jedoch der Ansicht, dass die Messe nicht in dem Stil komponiert sei, die der Kaiser liebte, nämlich »kurz, nicht schwer auszuführen«. Weshalb vermutlich auch die ur sprünglich geplante Widmung an Kaiser Franz I. unterblieb. Das Werk, dessen kontrastreiche Tonartenfolge As-Dur, E-Dur, C-Dur, F-Dur, f-Moll im Gegensatz zum herkömmlichen Quint verhältnis der einzelnen Sätze zueinander steht, zeigt gleich zu Beginn den starken Ausdruckswillen des Komponisten. Denn entgegen der Tradition ist das Kyrie nicht als Sinnbild der Trinität dreiteilig, sondern fünfteilig gestaltet, zweimal wird das »Christe eleison« solistisch eingeschoben und von drei »Kyrie«-Rufen gerahmt. Noch deutlicher wird die subjektive Textausdeutung im »Credo«, das Schubert um einzelne Text zeilen wie »patrem omnipotentem« und - eine charakteristische Abweichung - »et in unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam« gekürzt und andererseits durch ein wiederholtes Voranstellen von »Credo« in anderen Glaubensaussagen ver stärkt hat. Die für die damalige Zeit in musikalischer wie auch interpretatorischer Hinsicht offensichtlich eigenwillig anmu tende Messe wurde lange Zeit verkannt. Erst Ende 1822 oder 1823 kam sie vermutlich durch Schuberts Bruder Ferdinand in Wien zur Uraufführung. Und es vergingen erneut mehrere De-