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22. April 1908. Herstellung dichter Güsse durch desoxydierende Zuschläge. Stahl und Eisen. 593 für den Vorgang beibehalten werden, obwohl die Zerstörung der Oxyde zweifellos nur zum Teil die Ursache der günstigen Wirkung ist. Als zunächst liegende Desoxydationsmittel kamen auch für die Eisengießerei Ferro mangan und Ferrosilizium in Betracht. Während aber die Anwendung von Ferromangan der Natur der Sache nach auf solche Fälle be schränkt sein muß, wo die Aufnahme eines höheren Mangangehalts für die Qualität des er zeugten Gusses unschädlich ist, hat sich die Verwendung von Ferrosilizium ziemlich einge bürgert. Sie wurde i. J. 1886 zuerst von Gautier vorgeschlagen, und zwar zu dem aus gesprochenen Zweck, Gußeisen mit geringen Gehalten an Silizium, vor allem billiges Weiß eisen, Brandeisen usw. für die Verwendung zum Eisenguß geeignet zu machen. Dieser Vor schlag wurde auch vielfach in der Praxis durch geführt, aber zunächst in der Weise, daß man das Ferrosilizium im Kupolofen einschmolz; erst später ging man dazu über, es in der Pfanne dem geschmolzenen Eisen zuzusetzen, immer aber noch lediglich zu dem Zweck, dem Metall bade den gewünschten höheren Siliziumgehalt zuzuführen, bezw. dem Gußeisen derselben Schmelzung einen für verschiedene Verwendungs zwecke verschieden hohen Siliziumgehalt zu er teilen. Der Erfolg war aber immer der, daß die Güsse nicht nur dichter wurden, sondern auch eine wesentlich (bis zu 15 °/o) höhere Festigkeit aufwiesen, als ein im Kupolofen er schmolzenes Gußeisen mit gleich hohem Silizium gehalt. Das Verdienst, auf die desoxydierende Wirkung des Ferrosiliziums zuerst hingewiesen und dadurch die auffallende Tatsache erklärt zu haben, daß durch Zugabe von Silizium, dem Beförderer der die Festigkeit vermindernden Graphitbildung, ein Material von höherer Festig keit erzielt wird, gebührt Dr. Moldenke, dem rührigen Geschäftsführer der American Foundry- mens Association. Er schreibt dem Ferrosilizium die Eigenschaft zu, sowohl gelösten Sauerstoff wie auch andere Gase aufzunehmen und in die Schlacke abzuführen. Infolge der größeren Reinheit von Gaseinschlüssen kristallisieren die Eisenmoleküle viel mehr aneinander und wird eine höhere Festigkeit erzielt. Während die Desoxydation durch Ferromangan oder Ferrosilizium verhältnismäßig große Mengen dieser Stoffe beansprucht und dadurch neben der Oxydation eines Teiles auch eine Aufnahme von Mangan bezw. Silizium in das Bad erfolgt, sind in neuerer Zeit eine Anzahl desoxydierender Metalle in Anwendung gebracht worden, bei denen Zuschläge von 0,1 °/o und weniger des desoxydierenden Metalles genügen, um die beabsichtigte Wirkung herbeizuführen. Wüst führt in einem im Jahre 1900 vor dem Ver ein deutscher Eisengießereien gehaltenen Vor trag * als derartige Desoxydationsmittel Alumi nium, Natrium und Magnesium an. Ueber die Verwendung von Aluminium be richtet er, daß ein Zusatz von 0,02 bis 0,05 °/o unter allen Umständen genügt, um das Eisen oxydul zu zerstören und ein dichtes Gußstück zu erzielen. Wüst hält die Verwendung von Aluminium nur dann für angezeigt, wenn das Eisen sehr matt und die Temperatur zu niedrig ist, als daß das im Eisen enthaltene Mangan und Silizium zur Zerstörung des Oxyduls noch ausreichte. Ich selbst habe von Aluminium wäh rend meiner Gießereitätigkeit ausgiebigen Ge brauch gemacht, vornehmlich zur Desoxydation von solchen Gußstücken, welche behufs Erzielung einer höheren Härte mit geringerem Silizium gehalt hergestellt wurden, z. B. von Friktions rädern, die auf andere Weise nicht in der ver langten Dichtigkeit zu erzielen waren. Das Alu minium wurde an einer Eisenstange befestigt und mit dieser auf den Boden der Gießpfanne ge führt. Leider wurde es damals verabsäumt, ver gleichende Festigkeitsuntersuchungen anzustellen; der Zweck war eben, ein dichtes, porenfreies Material zu erzielen, und dieser Zweck wurde auch vollkommen erreicht. Wie groß die reini gende Wirkung des Aluminiums war, konnte man bei in grünem Sand vergossenen Herdgußplatten feststellen, welche nach dem Abhobeln der ober sten rauhen Schicht eine fast porenfreie Ober fläche zeigten. — Ueber die Verwendung von Natrium in Gestalt von Ferronatrium ist mir nichts bekannt geworden; dagegen scheint das dritte der oben genannten Desoxydationsmetalle, das Mag nesium, welches als Desoxydationsmittel für Kupfer- und namentlich für Nickellegierungen Bedeutung hat, neuerdings sich wieder Eingang in die Eisengießerei zu verschaffen. Wenigstens wird die Verwendung von Magnesium zur Des oxydation von Gußeisen von der Chemischen Fabrik Griesheim-Electron, welche in ihrer Versuchsgießerei dahin zielende Versuche gemacht hat, empfohlen. Danach soll das Mag nesium ähnlich wie Aluminium wirken, nur noch viel kräftiger; es soll ein äußerst dünnflüssiges Gußeisen erzielt werden, welches homogene Güsse von wesentlich höherer Druck- und Zugfestigkeit liefert. Für die Praxis wird die Verwendung einer magnesiumhaltigen Eisenvorlegierung emp fohlen, welche sich jede Gießerei ihren Verhält nissen entsprechend aus reinem Magnesium, Mag- nesium-Aluminium oder Magnesium-Nickel (?), oder auch aus einer andern Magnesiumlegierung herstellen soll. Ueber die bei den Versuchen erzielten Resultate gibt Tabelle 1 Aufschluß. * Wüst: »Ueber die Ursachen des Entstehens von Fehlgüssen«. „Stahl und Eisen“ 1900 Nr. 20 8. 1041 ff. XVII.28 2