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kimUiM 8tMt8-k!8«iibLlill-0irtz<;tiM «I»8elb8t. 843 Beilage zur Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 28 April I8S7 Deutschland. Thüringische Staaken. Weimar, 25. April. Insbesondere im Interesse des Militärs sollte nach dem vorgclcgtcn Gesetzentwurf der Militärdienstpflicht die wiedcreinzuführcnde Militärstellvertretung n»r gegen Erlegung einer Einstandssumme von 200 Thlrn. zur Militärstcllvcr- tretungskasse statlfinden. Die Staatsregierung wollte dadurch die Einrich tung ermöglichen, der Truppe lediglich bereits gediente Mannschaften, ins besondere Unteroffiziere, als Stellvertreter zuzuführen und zu erhalten. Sie legt ein großes Gewicht auf das möglichst lange Verbleiben tüchtiger Un teroffiziere bei der Truppe. Der Landtag glaubte vorliegende Frage jedoch nicht ausschließlich vom militärischen Interesse aus erledigen zu sollen, son dern auch die Seiten der Gerechtigkeit des in Frage stehenden Gesetzes einer Erwägung unterwerfen zu müssen, und kam hierbei zu dem Schluß: daß, wenn einmal überhaupt die Militärstellvcrtretung wieder eingeführt werden solle, wogegen viele Abgeordnete gekämpft hatten, man diese nicht als ein ausschließliches Privilegium des Vermögens hinstellcn dürfe, da nur dem Vermögenden es möglich sein würde, die gesetzliche Einstandssummc zu erlegen, zur Beseitigung dieser Härte der Nummertausch in einer Alters klasse zugelassen werden müsse, um durch denselben vorkommendensalls auch dem weniger Bemittelten die Möglichkeit zu gewähren, sich vertreten zu lassen. Zn diesem Sinn wurde nach längern Debatten in der gestrigen Sitzung ein Antrag mit l9 gegen 11 Stimmen angenommen. Zur Voll endung der »cum Kaserne wurden in heutiger Landtagssitzung noch 18,000 Thlr. vrrwilligt. 70,000 Thlr. sind bereits dafür verausgabt. «Königreich Sachsen. Das Dresdner Journal kommt abermals auf die Besprechung kirch licher Vorkommnisse in politischen Zeitschriften zurück. Es sagt in einem Artikel vom 25. April: „Das, waö wir kürzlich in Nr. 72 des Dresdner Journal über die Behandlung kirchlicher Vorkommnisse in politischen Zeitblättern aussprachen, ist, wie sich freilich vorauSschen ließ, von den Zeitungen, namentlich von der Sächsischen Constitutionellen Zeitung und von der Freimülhigen Sachsen-Zeitung sehr verschieden aufgcsaßt wor den. Wir wollen dahingestellt sein lassen, welches Journal rücksichllich der Consequenzcn, die cS aus jenem Artikel zu ziehen versucht hat, auf dem richtigen, oder ob etwa beide auf unrichtigem Wege sich befinden; aber wir wollen nicht anstchen, nochmals offen unsere Ueberzcugung zu bekennen: daß kirchliche und geistliche Angelegenheiten viel zu ernster und zarter Na tur sind, als daß sie, ohne Nachtheil für die wirklich gute Sache, also für den wahrhaft christlichen Sinn des Volks, in gleicher Weise wie gewöhn liche Tagesneuigkeitcn in den Zeitungen behandelt und besprochen werden sollten. Wer kann oder wird cs leugnen, daß hier und da auch in kirch lichen und geistlichen Dingen Misgriffc Vorkommen; daß einzelne, nament lich jüngere, unerfahrene Geistliche, durch niaßloses Eifern, durch Mangel an^echtchristlicher Milde, durch anmaßendes, aburthcilendcs, taktloses We sen — wenn auch häufig nicht in übler, sondern in bester Absicht — der guten Sache sehr wesentlich und mehr, als sie selbst glauben mögen, scha den und statt zur Kirche zu führen, davon abschreckend Aber es istAchn- licheS zu allen Zeiten geschehen, und cs tritt nur dies Alles in unserer ern sten und reizbaren Zeil entschiedener noch hervor. Wir zweifeln indessen sehr, daß es daS rechte Gegenmittel sei, durch die Zeilungspresse dergleichen l Dinge öffentlich zur Schau zu bringen. Man muß nicht erbittern, nicht ' spotten, um zu heilen; man muß nicht ungehört vcrurtheilcn, nicht alles j Verkehrte ohne weiteres einer theologischen oder religiösen Ansicht zuschrei- bcn, die uns gerade nicht zusagt und ebenso wenig einseitig Alles, auch das Taktloseste in Schutz nehmen, blos weil es von Männern ausgcht, deren theologische oder religiöse Ansicht uns zusagt. Wir meinen: cs müssen der gleichen Vorkommnisse gründlich erörtert und beurthcilt werden; durch Rath, ernste Ermahnung und da nöthig noch ernstere Maßregeln muß insondcr- heil auch auf die jünger« Geistliche» gewirkt, müssen sie auf den rechte» I Weg, vor allem zur Sclbstcrkennlniß, zur wahren Demuth, zur Mäßigung j im Eifer und Milde im Urtheil geführt werden. Daß unsere kirchliche» l Behörden in diesem Sinne handeln, davon liegen uns zahlreiche Beweise j vor, und wir müssen cs für eine ungerechte Acußerung halten, wenn die Frcimüthige Sachsen-Zeitung und auch die Sächsische Constilutionclle Zei- ! lung (letztere in Nr. 85) daran zweifeln. Daß freilich Mahnungen nicht i immer sofort helfe», ist eine sehr allgemeine Wahrnehmung, die sich keines- wegs blos auf kirchliche und geistliche Dinge beschränkt! Es ist z. B. au- guter Quelle bekannt — und andere Blätter hätten dies so gut wie wir er- ! fahren können —, daß die Taktlosigkeiten und extravaganten, der Würde > eines Geistlichen durchaus nicht entsprechenden Aeußerungcn, die neulich noch ! in der Sächsischen Constitutionellen Zeitung erwähnt worden sind, ferner i die Abweichungen von bestehenden Vorschriften und nicht gehörig bemessene k Auslassungen, wie sic kürzlich in einer hiesigen Vorstadt beim Gottesdienst vorgckommen sind, sofort der sorgfältigsten Erörterung unterlegen haben; daß sogar das evangelische Landesconsistorium befragt worden ist, um dann ! daö Geeignete nach dessen Gutachten zu verfügen. Wir haben von zuver- ! lässiger Seile her erfahren, daß die in mehren Blättern hochgepriesrne, von j andern scharf geradelte Schrift eines Geistlichen unter dem Titel: «Die i Ucbcrtreibungen auf dem Gebiete der protestantischen Theologie und Kirche unserer Zeit», durch daS evangelische Landesconsistorium wegen der ober flächlichen, ja leichtfertigen Art und Weise, wie darin die wichtigsten evan- gclischen Lehren behandelt werden, als eines im Amt stehcndcn evangeli schen Geistlichen nicht würdig, ernstlichst gemisbilligt und dies dem betref fenden Verfasser zu eröffnen beantragt worden ist; wir wissen, daß die j cigenthümlichcn Vorgänge in Lengefeld eben jetzt einer genauen Prüfung ' der Consistorialbchörde unterliegen; daß die als Beispiele von Unduldsam- ! keit und Lieblosigkeit von einigen Blättern mitgctheilicn Vorgänge in Riesa und Chemnitz sofort erörtert worden sind; wir wissen aber auch, daß das Verhalten der dortigen Herren Geistlichen als völlig vorwurfsfrei sich her- ! ausgestellt Hal. Wir könnten noch Anderes anführen; aber cs mag dies genügen, um zu zeigen, daß auf solche Weise allerdings die Wahrheit er- ! örtert und Ucbelständen abgcholfen werden kann, ohne — wie dies bei ein- ! seifigen, uncrörtertcn Mittheilungcn durch die Presse so leicht der Fall ist — ! der guten Sache, den Personen, dem geistlichen Stande, der Achtung vor kirchlichen und geistlichen Dingen zu schaden. In der That ist noch in der großen Mehrzahl unserer Gemeinden diese Achtung lebendig; sie wolle», daß Misgriffc, Extravaganzen, Uebcrgriffe rc. ihrer Geistlichen und Lehrer durch die Behörden erörtert und da nöthig, ernst geahndet werden, und mit Recht; aber sic wollen nicht, daß man, noch dazu ungchörl und einseitig, dieselben öffentlich compromitfirc oder gar verunheilc; wir könnten dafür ganz interessante Beispiele anführen." Handel und Leipzig, 25. April. Die erste, nach dem Kalender eigentlich die Vorwoche der jetzigen Ostermesse geht heute zu Ende. Sie ist vorzugsweise dem Großhandel gewidmet. Schon einige Zeit vorher trafen eine Anzahl jener gerngesehenen Ein käufer au- den Ländern an der untern Donau ein. Sie benutzten theilweise die Frist bis zur Messe, um Fabrikorte zu besuchen und von den Lagern unserer ein heimischen Grossisten, namentlich auch in der Branche der Rauchwaaren, manche Auswahl zu treffen. Seit die europäischen Heere aus den türkischen Gebieten voll ständig abgezogen sind, haben jene Käufer diesen zufälligen Anwachs von Abneh mern verloren und ihre Waarenbedürfnisse ermäßigen sich wieder nach den norma len Zuständen. Mehre andere Verhältnisse wirken gleichzeitig begrenzend auf den Absatz vieler Fabrik- und Manufacturartikel ein. Vor allem die hohen Preise von Wolle, Seide, Flachs, welche erst jetzt, vereint mit der theilS erfolgten, theilS nicht mehr aufzuschiebenden Steigerung der Lohne, die im Verhaltniß dazu stehende Preiserhöhung der Fabrikate allgemeiner herbeigeführt haben. Bis vor wenig Mo naten war da« noch immer nur bei einer Minderzahl von Artikeln gelungen. In der Seidenbranche hemmt die eingetretene außerordentliche Steigerung geradezu den Verbrauch in wichtigen Gattungen und Stoffen; Bänder, Nouveaute», Besatzartikel, Sammet werden weniger davon betroffen. Die große Ueberführung des nordame- rikanisch n Markts mit europäischen Fabrikaten thut ferner dem Abzüge dahin gro ßen Antrag, wozu noch die am t. Juli erst erfolgende Anwendung des neuen La ris« kommt. Uebcr die bevorstehende Modificirung de« russischen Tarifs ist daS Nä here noch gar nicht einmal mit Sicherheit bekannt. Ferner ist anzumcrken, daß die günstige Frühjahrswitterung und der diesmal späte Beginn der Messe Anlaß war, vielen Frühjahrsbedarf vorher in direktem Wege zu beziehen. Endlich aber sind die hohen Preise der Waaren an sich keine Einladung zu etwaigen Specula- tionSkäufen angesichts z. B. einer erwarteten reichlichen Wokschur, und ehe über die Aussichten der Seidenernte eine feste Ansicht gewonnen wurde. Scheinen diese Hinweise auf thatsächlichc Verhältnisse nur die Erwartung eine« mäßigen Waaren- absatzcs für diese Messe zu begründen, so hat anderntheilS die Lheuerung der Roh stoffe die Fabrikation, welche durch den ganzen Winter mit der Effectuirung von festen Aufträgen reichlich beschäftigt war und noch ist, gar nicht in den Kall ge bracht, viel auf Lager zu arbeiten. Wenn daher auch im Massenumsatz der Messe ein Minder gegen die letzten beiden großen Messen sich schließlich ergeben sollte, so Industrie. wird deshalb, mit Ausnahme der für Amerika allein bestimmten Artikel, da« Re sultat sür die Fabrikation nicht weniger vortheilhaft ausfallen. DaS in der ver flossenen Woche sich concentrirende Luchgeschäft hat die eben ausgesprochene An nahme schon bestätigt. Was von couranter Waare da war, hat zu höhern Preisen fast durchgängig Nehmer gefunden; für.Amerika wurde aber so gut wie nichts auS- gewählt. Ganz übersehen läßt sich heute diese Branche noch nicht. Vollständig ist das jedoch mit Leder der Fall, für welchen Artikel Leipzig ebenfalls der Haupt- markt im Zollverein geworden ist. Frankfurt «. M- sah 1851 auf seinen beiden Messen 40,000 Ctr., im Jahre 185!! nur 34,300 Ctr. zugcführt, während die Zufuhr 1855 zu den hiesigen drei Messen 01,700 Ctr. und 1856 über 61,200 Ctr. betrug. Die Zufuhr zur jüngsten Neujahrmesse, überhaupt >2,100 Ctr., war wieder 2500 Ctr. größer als zur Neujahrmessc 1856. Eine genaue Angabe über die Zufuhr an jetziger Ostcrmeffe ist noch nicht bekannt; sie war immerhin bedeutend genug, ob gleich noch kurz vor der Messe direkt aus den Gerbereien ansehnliche Posten infolge von Bestellungen versendet und dadurch der Messe entzogen worden waren. Fühl bar machte sich jedoch dieser Umstand darin, daß in manchen Gattungen sich nur sehr knappe Vorräthc am Platz befanden. Der Begehr war daneben so lebhaft, daß die Ledcrmeffc innerhalb dreier Lage vorübereilte, obgleich eine abermalige Preiserhöhung um 10, ja nicht selten um 15 Proc. bewilligt werden mußte. Man bezahlte Wildsohlleder von Malmedy, Lurcmburg rc. in bester Qualität mit 58— 64 Lhlrn., dergleichen in geringerer Güte mit 50—56 Lhlrn., Eschweger leichte mit 57—62 Lhlrn., deutsches Sohlleder 52—60 Lhlr., Vacheleder nach Verhältniß der Güte 50, 55 bis zu 65 Lhlrn. den Centncr. Rindleder (Oberleder) holte 55 —65 Lhlr. Für Kipse beste Sorte wurden 15—17 Rgr., secunda 10—13 Ngr. per Pfund gemacht. Roßleder waren sehr wenig da und für schwarzes Geschirr- Icder wurden 55—60 Lhlr. bezahlt, Kalblcdcr in guter leichter Waare 110—120, dergleichen in schwerer Waare 90—100 Lhlr. Schafleder lohgar, naturell oder gefärbt, wurde 1—3 Lhlr. gesteigert. Bestellungen wurden nur zu noch etwa« bessern Preisen von den Gerbereien acceptirt, indem das Rohmaterial nirgend« Miene macht, im Werthe zurückzugchcn und die Behinderung der Zufuhr aus ein zelnen Ländern, wie Polen, Galizien, Rußland noch zunimmt, daher gerade keine Anhaltepunktc versiegen, die ein Zurückgehen des Artikels in naher Zeit annehmen ließen. (Lpz.Z.)