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Joachim sah mehr auf violinistische Erleichte rungen, die Brahms aber - allem Konventionellen, Harmlos-Virtuosen und Gängigen abgeneigt - keineswegs dulden wollte. So entstand ein Konzert, das äußerst schwer war und spieltech nisch bis an die Grenze des irgendwie Möglichen führte und - so spöttelte mancher - schließlich so gar gegen die Violine geschrieben zu sein schien. Brahms hatte wirklich lange an dem Konzert ge arbeitet, immer wieder verändert, immer weiter Brahms auf dem Weg zu seinem Wiener Stammlokal „Roter Igel"; Karikatur von Otto Böhler nach Lösungen gesucht, von denen er glaubte, sie verantworten zu können. Noch wenige Wo chen vor der geplanten Uraufführung war das Werk nicht endgültig fertig, war sogar in der Schwebe. Denn der ursprüngliche Plan, ein vier- sätziges Konzert zu schreiben, wurde dann noch im November 1878 fallengelassen, und er kom ponierte noch rasch ein „ar mes Adagio“ als Mittelsatz. Auch Joachim schien am Gelingen zu zweifeln: „Ich will riskieren ... es am 1ten [gemeint war der 1. Januar 1879] in Leipzig zu spielen: es sind wirklich ungewohn te Schwierigkeiten drin.“ Das stellte einer der großen Geiger seiner Zeit fest! Und die Aufführung - vorher kaum gemeinsam geprobt - fand zum festgesetzten Termin, dem traditionellen Neujahrskonzert des Ge wandhausorchesters, auch statt. Joachim spielte nach Noten und kämpfte offen sichtlich mit den enormen technischen Schwierigkei ten. Brahms dirigierte das Gewandhausorchester und kämpfte auch, jedoch mehr mit seinen Hosenträgern,