Volltext Seite (XML)
großen Chor- und Orchesterkörpers, stoßen beim „Tuba mirum" des „Dies irae" fanfarenartige Signa le, nacheinander in sich verkürzenden Abständen und in verschachtelten Rhythmen einsetzend; hinzu tritt ein Aufgebot an Pauken, Trommeln, Becken: ein Ausbruch der Musik aus dem festen Raumgefü ge, zugleich in den Bereich des Geräusches als Darstellungsmittel des endzeitlichen Chaos. Im „Rex tremendae" begegnen die Blechgruppen wieder; im „Lacrymosa" (dem Schlußsatz des „Dies irae"), wo sie in einem Abschnitt mit ständig richtungs wechselnden Einsätzen die kreisende Bewegung der Musik - des Elends des „lacrymosa dies illa" - kontrapunktieren; schließlich in den letzten Takten des Werkes, dem Amen (das liturgisch gar nicht hingehört], wo sie, diesmal pianissimo, zusammen mit den Streicherarpeggien und sanften Paukenclu sters, den ganzen Raum wie in endgültigen Frie den einhüllen. Am Requiem besticht nicht nur die Ökonomie der Mittel (die Elemente des Schrecklichen sind nur zurückhaltend angewandt), sondern vor allem die Vielfalt der Stile und Charaktere - a-cappella-Satz, schlichte psalmodische Führungen, traditionelle Fuge, großer, opernhafter Ensemblesatz - in einer ausgewogenen Gesamtanlage. Zu den neuartigen Charakteren dieses Werks gehören die Deklama tionen im Unisono, besonders eindrucksvoll, mit den unaufgelösten Dissonanzen, im „Kyrie elei son"; das „Offertorium" mit seiner, durch verschie denartigste Harmonisierung farblich kontrapunktier ten, monotonen Psalmodie auf zwei Noten. Die Raumkomposition zeigt ihre Konsequenz bis in die Klanggestalt hinein: sie erfindet Zusammenstellun gen, die allem Herkommen spotten (bei Gustav Mahler gibt es wieder etwas Ähnliches), wie die Kombination eines hohen Flötenakkords mit einem Baßton von acht Posaunen der Fernorchester im „Hostias" (das „Loch" dieses Klanges, in der Klang farbe und im Tonraum, spiegelt die reale räumliche Trennung der Instrumente]; und wie ein auskompo niertes Echo muten die sich überlappenden Akkord ablösungen zwischen Bläsern und Streichern zu Beginn des „Agnus dei" an. Es bleibt noch zu er wähnen, daß Berlioz sich den Text nach seinen Vorstellungen umgeformt hat; im „Dies irae" etwa sind, offensichtlich des dramatischen Zusammen hangs willen, zahlreiche Versgruppen, von der litur gischen Vorlage abweichend, anders zusammen gestellt. W. D. Chor der Sächsischen Staatsoper Dresden