Religiösen; das Schreckliche als das Apokalypti sche, gleichfalls dem religiösen Bereich zugehörig, und als das Kolossale, Gigantische, das - mit Ber- lioz' Lieblingsausdrücken - „Babylonische, Niniveti sche". (Die Kategorie des Schrecklich-Schönen mit ihrem antiklassizistischen Unterton enthielt zugleich die Rechtfertigung, auch das - ästhetisch gesehen - Häßliche als Ausdrucksmittel zu verwenden.) Die erste Aufführung von Hector Berlioz' „Grande messe des morts" im überfüllten Pariser Invaliden dom am 5. Dezember 1 837 war - darin stimmen alle Zeugnisse überein - von gewaltiger Wirkung; und das lag sicherlich nicht allein am Pompösen der Staatszeremonie, zu der das Requiem erklang, des Gedenkgottesdienstes für die Toten der Erobe rungsschlacht um das algerische Constantine. „Der Eindruck", schrieb der Komponist zehn Tage später an einen Freund, „war überwältigend auf Gemüter von entgegengesetztester Empfindungsart und Ver anlagung. Der Pfarrer des Invalidendomes weinte am Altar nach der Zeremonie eine Viertelstunde lang, er umarmte mich in der Sakristei unter Trä nen; der Schrecken, den beim Jüngsten Gericht die fünf Orchester und die acht Paar Pauken des Tuba mirum verbreiteten, läßt sich nicht beschreiben. Eine der Chorsängerinnen erlitt einen Nervenanfall. Wahrlich, es war von schauriger Größe." Das Überwältigende des Berliozschen Requiems resultiert nicht nur aus der elementaren Wirkung der musikalischen Raumkonzeption, die dieses Werk - lange vor Mahlers Symphonien - wohl zum ersten Mal in der Geschichte der Musik reali siert; unmittelbar berührt wird der Hörer auch von einer dramatischen Idee, die Individuum und Mas se in eine Konfiguration stellt. Berlioz' Requiem ist kein allgemeines Totengedenken, keine Totenkla ge, auch eigentlich nicht Gebet für die Verstorbe nen; es ist der Angstschrei des Individuums. Nicht „requiem aeternam dona eis" ist das Motto, son dern das „dies irae", der Schreckensruf, und das Flehen des „salva me". Berlioz' Requiem ist das Endzeitdrama eines „epi schen Ich", der Angsttraum vom Jüngsten Tag; „Re quiem fantastique" wäre, in Analogie zur Ich-Struk- tur der „Symphonie fantastique", eine treffende Bezeichnung für dieses Werk. („Mit souveräner Willkür und Weltlichkeit", schrieb Eduard Hanslick, „verarbeitet Berlioz den alterwürdigen Kirchentext zu einer Art phantastischem Drama.") Und wie im Drama der „Symphonie fantastique", so spielt auch hier der musikalische Raum eine zentrale Rolle für die suggestive Wirkung. Aus vier Blechbläsergruppen, 38 Instrumenten ins gesamt, aufgestellt separat an den vier Ecken des TtfffT Prager Philharmonischer Chor