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Der Arzt Elias Lönnrot (1802 - 1884) hatte unzählige „Runenge sänge“ seines Landes gesammelt und 1835 zu einem Kunstwerk, dem Epos „Kalevala“, verdichtet. Er wurde damit zu einem Weg bereiter der finnischen Literatursprache. Robert Kajanus (1856 -1933) begann als erster Komponist, finnische Volksmelo dien zu verwenden und sich vom „Kalevala“- Mylhos inspirieren zu lassen. Übrigens konnte er 1882 das Helsingfors Symfonieorkester als feste Einrichtung etablieren, ein wichti ger Schritt auf dem Weg zu einer kultu rellen Selbstfindung. Erwachen war in vielen Ländern zu spüren, sowohl von fremdherrschaftlichem Anspruch als auch im Sinne einer nationa len Musikkultur. Und beides spielte auch in den nordischen Ländern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ausge sprochen bedeutsame Rolle. Finnland galt eine sehr lange Zeit als schwedisches Erz herzogtum und zwischen 1809 und 1917 als russische Provinz. Da war es nur natürlich, daß sich nationale Regungen zeigten, immer deutlicher wurden und sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts überall artikulieren wollten. Sibelius war nach einem Studienaufenthalt in Berlin im Sommer 1890 nach Finnland zurückgekehrt und durch das freigeistige Großstadtleben in Deutschlands Hauptstadt sehr stark sensibilisiert und äußerst emp fänglich gemacht worden für die Belange seines Heimatlandes. Wichtig wurde in die sem Zusammenhang sein Kontakt zu der befreundeten Familie Järnefelt, aus der übrigens seine spätere Ehefrau Aino stammte. Das brachte den jungen Kompo nisten mit einer lebendigen nationalen Be wegung gegen den langanhaltenden russi schen Herrschaftsanspruch in Berührung. Unter einem solchen Eindruck entstanden beispielsweise mit „Kullervo“ op. 7 (1892) - angeregt durch das finnische Nationalepos „Kalevala“ - und mehreren Bühnenmusiken (1899) zu patriotischen Veranstaltungen Werke, die im Land voller Begeisterung aufgenommen wurden. Aus Sibelius sang die finnische Seele. Er wurde einer der Ersten, dem „die ,Weise* seines Landes aus dem Herzen in die Feder“ geflossen ist - wie es der ihm befreundete Komponist und Pianist Ferrucio Busoni (1866 - 1924) auszudrücken vermochte. In