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Klarinette; einige Trios, Klavierquartette und ein Klavierquintett). So nimmt innerhalb des gesamten Brahmsschen CEuvres die Kammer musik einen beachtlichen Platz ein, und das zu einer Zeit, als eher die Sinfonik bzw. Sinfoni sche Dichtungen (Franz Liszt) oder gar Richard Wagners Weg zum Musikdrama vordergründig die allgemeine musikalische Entwicklung beein flußten. Die Komposition von kammermusikalischen Werken war für Brahms nicht nur deshalb wichtig, weil er einer älteren, über die Klassik verfeinerten Traditionslinie folgen wollte, son dern es war für ihn auch ein entwicklungs trächtiges Experimentierfeld auf seinem langen Wege zur Sinfonie (1876, also mit 43 Jahren hatte er seine 1. Sinfonie geschaffen!). Die ge sellschaftliche Funktion von Kammermusik war längst ihren ursprünglichen Ansprüchen - Unterhaltung eines kleinen höfischen Zuhörer kreises - entwachsen. Doch Gebrauchsmusik, wenn jetzt auch mehr für ein Bildungs bürgertum, war sie allemal noch. Aus der strengen klassischen Form und einem inhalt lichen Gewicht mit kompositionstechnischen „Auseinandersetzungen“ (Themenkontraste und Durchführungsarbeit) war sie aber meist ins Fahrwasser inhaltsleerer Virtuosität gera ten, eben nur noch Unterhaltung für den Salon. In der Zeit nach Beethoven war sie al so kaum noch der Schauplatz für komposito rische Erneuerung älterer Modelle. Doch Brahms hatte erkannt, welche Möglichkeiten sich anboten, dieses Feld erneut zu bestellen und auch Neues zu erproben. Einerseits war es eine klassische Kompositionsästhetik, der er folgen wollte, ja seinen Neigungen gemäß fol gen mußte, andererseits konnte und wollte er nicht als Epigone eines Mozart oder gar Beethoven auftreten. Die Zeiten waren anders, die Welt begann sich hin zur Industrialisierung zu verändern, ein neues Lebensgefühl war ent-