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Lopzmgdt 1936 ^utvLrts-Verlsg, öerliv 8VV 63 AI Nachdruck verboten. Nur langsam erfaßte sie die Bedeutung dieser Worte. Sie wagte nicht, aufzublicken, schämte sich, Brodersen in die Augen zu sehen und dachte: Er weiß alles! Noch viel weniger sand sie den Mut, eine Frage an den Vater zu richten. Doch kam ihr dann der Gedanke: Vielleicht hat der Papa Brodersen von Jack Stone erzählt; sie sah zum Vater hinüber. Freude hatte dessen Wangen gerötet; ordentlich jung sah er aus. »Liebes Kind", sagte er, »durch Brodersens Eingreifen bin ich von aller Sorge befreit. Und nun will er auch dir in deiner Liebesnot helfen!" Da trat Alice zu Brodersen hin, der ihr mit leisem Lächeln und einem Ausdruck vollen Verstehens und Güte in die Augen sah. Alice kamen die Tränen. Langsam hob sie die Arme wie zu einer kultischen Handlung, legte sie ihm um den Hals und küßte ihn mitten auf den Mund. Zum ersten Male! ' Dann sagte sie mit leiser, halb von Tränen erstickter Stimme: »Du lieber, guter Mensch! Für alle Zeiten will ich dir eine treue Freundin und Kameradin sein. Mehr kann ich dir niemals geben. Alles andere gehört Jack!" Dann kamen ihr unaufhaltsam die Tränen. Brodersen strich ihr weich über das Haar und sagte: »Treue Freund schaft ist es, an deren Vorhandensein ich bisher zweifeln mußte. Erhalte sie mir, liebes Kind! Mehr will ich nicht, denn auch ich habe einen anderen Menschen sehr lieb!" * „Al,o, Mister Glückauf, dann mal los! Haben Sie schon eine Fahrkarte gelöst?" »Noch nicht, Herr Brodersen! Sie fahren bis Broken Hill — nicht wahr?" ,Und Sie nach Prätoria — nicht?" ^Natürlich, Herr Brodersen! Ich muß doch meinen Kram dort in Ordnung bringen! Ich werde aber zwei Tage später zu Ihnen hinauf kommen und mit den Ver suchen beginnen!" „Schön, lösen Sie für mich mit — auch nach Prätoria!" Heinz blickte verwundert auf und dachte: Drollig! Na, um so besser. Dann ist die Fahrt nicht gar so langweilig. Mit Brodersen wird sie bestimmt zum Vergnügen!" Heinz halte eine merkwürdige Vorliebe für seinen prächtigen Landsmann gefaßt. Bald waren sie im Gespräch über allerlei Gold ausbeutungsmethoden. Brodersen hatte sich mit diesen Dingen ausgiebig beschäftigt und staunte immer wieder über das große Wissen und die sachliche Klarheit seines jungen Reisegefährten und zukünftigen Mitarbeiters. Wenn dieser so über die kompliziertesten chemischen Vorgänge sprach, verschwand der jungenhafte Ausdruck aus seinem Gesicht; die leuchtenden blauen Augen blickten so kühl und sachlich drein, daß Brodersen mehrmals ver wundert hinübersah. Eben warf er wieder solch einen prüfenden Blick zu ihm hin. Ein nachdenklicher Zug lag auf dem frischen Gesicht. Brodersen dachte: Wo bist du einem ähnlichen Menschen schon einmal früher begegnet? Wo hast du den klaren Blick solcher lichtblauen Augen sonst noch gesehen? Auch Heinz sah seinen Begleiter mehrmals nach denklich von der Seite an. Wie dieser Mensch sich immer gleich blieb bei allen Gelegenheiten! Er war derselbe, damals, als er ihn aus den Feldern zum ersten Male sah zu einer Zeit, in der er von den Reichtümern, die er besaß, noch kaum eine deutliche Vorstellung haben konnte, derselbe geblieben, nachdem er wußte, daß er zu den reichsten Männern in Südafrika zählte. Geld war für diesen Mann gewiß so ziemlich das Nebensächlichste, galt ihm bestimmt als Selbstzweck, stets nur als Mittel zum Ziel. Arbeitsamkeit, Energie, Unter nehmungslust, Intelligenz standen bei ihm an erster Stelle. Heinz ertappte sich auf einer richtigen Schwärmerei für Brodersen und stellte sich vor, mit welcher Begeisterung er der Schwester von ihm erzählen würde. Bei dieser Vorstellung schloß er die Augen und malte sich die Situation auS. Auch Brodersen war müde geworden. DaS Gesicht seines Gegenübers verschwamm allmählich, entspannte sich, wurde weicher, und patt des jungenhaften Ausdrucks zeigten sich aus einmal mädchenhafte Züge; ein süßes Ge- sicht lächelte ihm freundlich und schelmisch zu, und er hörte schon halb im Traum die Worte: Der reiche Brodersen hat sein Geld verloren, und seine Sekretärin bin ich nun auch nicht mehr! Durch die Träume der beiden Männer aaukelte die holde Gestalt desselben blonden Mädels. Der Zug hielt. Brodersen fuhr auf. »Prätoria! — AuSsteigen!" »Wohin fahren Sie, Herr Brodersen? »Oxfordstreet! — Und Sie?" / »Auch dahin?" s »Fein — dann kännen wir ja noch zusammen bleiben!" Brodersen war durch Heinz Wilkes Mitteilung reichlich überrascht; aber er sagte nichts weiter. Eine originelle Geschichte!, dachte Leim Das Auto bog in die Oxfordstreet ein. »Welche Nummer?" „Zweihundertstebzehn!' Brodersen sah sein Gegenüber mißtrauisch an und ver- mutete einen Scherz. Aber er sagte nichts. — Schweigend stiegen sie aus und gingen die Treppe hoch. Plötzlich blieb Brodersen stehen: »Sagen Sie mal, Sie haben sicher einen kleinen Spatz io potto?" »Das wollte ich Sie auch schon fragen, Herr Brodersen! Aber die Bescheidenheit verbot mir..." »Ich bin in Anbetracht der etwas merkwürdigen Situation weniger bescheiden als neugierig. Würden Sie nicht die Güte haben, mir zu verraten..." »Aber natürlich, Herr Brodersen! Ich will ein Fräulein Ellen Wilke besuchen; sie wohnt hier in diesem Hause!" »Fräulein Ellen Wilke? Ja — was soll denn das heitzen?" Brodersen sah seinen jungen Begleiter mit blitzenden Augen an; der grollende Unterton in seiner Stimme war unverkennbar. „Aber ich bitte Sie, Herr Brodersen! Sie werden doch hoffentlich nichts dagegen einzuwenden haben? Erscheint cs Ihnen so sonderbar, daß der Bruder die Schwester besucht?" „Wa—as? — Wer sind Sie?" „Heinz Wilke, wenn ich bitten darf! Ellens Bruder persönlich!" „Aber Mensch — warum haben Sie mir denn das nicht gleich zu Anfang gesagt?" »Ich bitte Sie, Sie haben mich ja niemals gefragt! Wann sollte ich denn — im Gegenteil, niemals haben Sie mich dazu kommen lassen, Ihnen gefiel ja der wirklich nicht üble Name.Glückauf' so gut, daß..." »Aber Junge, das ist ja geradezu lächerlich! Komm, gib mir erst einmal einen herzhaften Schwagerkutz. Deine Schwester nämlich, das scheinst du ja nicht zu wissen, ist meine Braut!" Nun war es an Heinz, die Fassung zu verlieren: »Aber nein, so ein Mädel. Das sieht dieser Kröte wieder mal ähnlich. So eine Heimliche... kein Wort hat sie mir davon gesagt!" Schon aber hatte ihn Brodersen gepackt und ihm einen herzhaften Kutz auf die Backe gedrückt. Da öffnete sich oben die Tür. Ellen stürzte heraus und auf ihren Klaus zu, als ob sie ihn umbringen wollte. Sie bekam ihn zu fassen und kützte wild drauflos. »Gott sei Dank, datz du da bist. Ich habe ja sooo ge wartet!" Heinz stand ganz verdattert daneben. Das sollte seine sanfte Schwester sein? Dieses wilde, leidenschaftliche Mädel? Ihm erschien das alles unfaßbar. Da erst sah sie auch ihn. »Komm, Brüderchen! Ja, siehst du, mein Bürschchen, nun bist du an zweite Stelle gerückt und mußt mit etwas weniger Liebe zufrieden sein. — Aber laß nur, ein bißchen bleibt immer noch auch für dich dabei übrig. Was sagst du zu meinem Liebsten?" „Ja, Ellen, ich verstehe noch immer nicht..." „Wo ich ihn herhabe. — nicht wahr? Ja, das ist eine höchst seltsame Sache und nicht so schnell zu erzählen. Doch verratet mir erst mal, wo ihr beide euch kennengelernt habt. Hier eben vor meiner Stubentür — wie?" „Ach wo, Ellen! Unsere Bekanntschaft ist ziemlich alt. Er hat ja oben auf den Feldern für mich gearbeitet!" „Aber Klaus, und davon hast du mir nichts erzählt?" »Wie konnte ich denn? Habe ja selbst vor ein paar Minuten noch gar nicht gewußt, daß..." .... daß ich Heinz Wilke heiße! Kannst du dir so etwas überhaupt vorstellen? Dieser merkwürdige Zeitgenosse hatte mich umgetauft. Ihm gefiel der Name .Glückauf', den du für mein junges Unternehmen erfunden hattest, so gut, daß er mÄnen richtigen gar nicht^erst wissen wollte! »Ellen, also von dir rührt der Name .Glückauf' her? Kein Wunder, daß er mir gleich io gefiel!" »Gegen unseren Familiennamen scheint er einen aus gesprochenen Widerwillen zu haben; denn eS kommt mir so vor, als wenn er auch dich veranlassen möchte, ihn möglichst bald abzulegen!" »Das stimmt, Heinz! — Nun aber mal schnell herein. Nur den Tisch muß ich noch abräumen. Dann will ich euch etwa« zu essen herzaubern!" ES war in der Tat allerlei zum Abräumen da, denn der Lisch war über und über mit Papieren bedeckt. Während Ellen die Abrechnungen belseitelegte, erzählte sie vom Fortgang ihrer Arbeit. »Denke dir, MauS, Lie Tante möchte am liebsten den ganzen Krempel verkaufen. Ich glaube fast, wenn du die JnvestmenLSHareS jetzt günstig los wirst und wir beide dann alles zusammenlegen, müßte eS langen!" Heinz, der einen Augenblick wie erstarrt dageseffen hatte, fing plötzlich brüllend zu lachen an und schlug sich vor lauter Begeisterung auf die Schenkel. Vergebens ver. suchte Brodersen, durch Winke und Gesten dieser geräusch vollen Heiterte« Einhalt zu tun. Ellen schämte sich tatsächlich für ihren Bruder. »Weißt du, Heinz", sagte sie, »wenn ich ein frisches Hühnerei bet der Hand hätte, wüßte ich, was ich jetzt täte. — Wenn du Lich nickt anktändta benehmen kannst, laß uns bitte allein!" Hernz lachte noch unmäßiger: »DAS t»nn« »« « passen. Ich denke gar nicht daran!" Kopfschüttelnd wandle sich Ellen an ihre« Verlobte»! »Sei nicht böse, KlauS! Aber ich kann nichts dafür. So war er schon immer — und das nennt sich .älterer Bruder'. Zählt acht Jahre mehr als ich und ist noch immer fürchterlich unreif — und dabei fo entsetzlich ver zogen. Er wird uns noch allerlei Sorge machen!" Heinz starrte die beiden an. Eine Ahnung dämmerte in ihm auf. Sollte dieser närrische Teufelsschwager in opo etwa gar...? Hatte er am Ende zu Ellen überhaupt noch nicht von der tolle Sache auf seinen Feldern gesprochen? War das Mädel verrückt, oder hatte sie wirklich keinerlei Ahnung? Brodersen nahm zaghaft das Wort: »Liebste, sage mal, würde es dir sehr schwerfallen, wenn du daS Geschäft der Tante an einen anderen verkauftest?" »Aber wie kommst du darauf, Klaus?" — Ellen war blaß geworden und schien mit Tränen zu kämpfen. „Aber so sprich doch, Klaus!" »Ja, sieh mal, Ellen, ich glaube, daß es für mich doch nicht das Richtige ist. Wir brauchen uns ja noch nicht heute schon zu entscheiden!" »Ja, Klaus — war wollen wir aber dann anfangen?" „Um Gottes willen", rief Heinz dazwischen, „nun fürchtet sie schon, vor der Heirat zu verhungern!" — Ellen Warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Sieh mal, Klaus, ich habe doch meine gesamten Pläne unter der Voraussetzung deiner Mitarbeit aufgebaut!" „Um diese viele Arbeit tut es mir ja auch aufrichtig leid, liebes Kind! Aber sieh, es stürmt jetzt so vielerlei aus mich ein. Ich fürchte daher, ich werde kaum Zeit finden, mich um all diese Einzelheiten zu kümmern!" »Aber das brauchst du doch gar nicht, Klaus! Ich will dir doch helfen bei allem. Warum sollte es dann nicht gehen?" „Warum nicht?" rief Heinz dazwischen. »Ellen, du Schaf! Weil es einfach nicht geht. Weil er einer der reichsten Leute in der Kapkolonie ist, weil ihm riesige Goldfelder gehören, weil an seinem Unternehmen bald viele Hunderte von Existenzen hängen werden. Da kann er doch nicht nebenher noch irgendeinen Saftladen be treiben!" Mit offenkundigem Entsetzen sah Ellen auf ihren Ver- lobten: »Aber so sprich doch, Klaus! Ist denn Las wahr, was der Junge da sagt!" Klaus Brodersen hatte seinen Gleichmut wieder- gefunden: »Es ist so, Liebste! — Der Bursche übertreibt natürlich nach seiner Gewohnheit ein bißchen. Anscheinend renommiert er ganz gern, und diesmal auf meine Kosten. Allerdings... eins stimmt — saft'möchte ich sagen, leider: die Shares, die ich zusammengekauft habe, sind auf mehr als das Hundertfache gestiegen l" Noch immer stand Ellen fassungslos da, als hätte sie die schrecklichste Botschaft gehört. »Na, Kleines, nun weine nicht gar etwa noch! Solch ein Unglück tst's ja wirklich doch nicht!" »Das sagst du so, Klaus! Aber denk' nur einmal an die viele Arbeit in all den Wochen. Und nun ist alles, alles umsonst. Und ich hatte mir gerade so schön vor- gestellt, daß ich die Grundlage für unsere künftige Arbeit selber mit schaffen — daß ich dir helfen wollte bei allem. Und nun ist all mein Mühen vergeblich...!" „Vergeblich? Ellen, wie kannst du das sagen! Haben wir uns nicht eigentlich durch deine Arbeit gefunden? Denke doch an den Brief, an deine Vorschläge, die uns schließlich zusammengeführt haben...oder tut dlr's nun leid?" „Klaus, wie kannst du das denken...!" „... oder ändert sich dadurch etwas in deiner Liebe zu mir, daß ich nun doch nicht der arme Brodersen bin?" Ellen lächelte unter Tränen: „Ich habe dich lieb wie du bist; denke an das, was ich dir neulich versprach! Daß ich dich lieb haben werde, auch wenn du wieder der reiche Brodersen wirst!" „Das ist mir ein wirklicher Trost, Ellen! Und wenn es doch wieder mal anders käme?" „Dann bliebe zwischen mir und dir doch alles beim alten! Mag Freundschaft versinken, mag Gold und Reich tum zerrinnen! Unsere Liebe bleibt für immer bestehen!" LdMt. - Am Mittwoch beginnt -er neue Roman „DieUvoeranlmoMlhev"