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27 Was ein evangelischer Prediger als Diener Gottes und der christlichen Gemeinde bei einer Begräbnißrede zu thun habe. Zuerst müsse er alle Gnadenerweisungen und Segnungen, die Gott der Herr an dem Verstorbenen gethan, dankbar rühmen und preisen; zum Andern müsse er das Gute anerkennen, was der Verstorbene an seiner Familie, wie an Andern und der Gemeinde gethan, d. h. was Gott der Herr durch ihn gethan; zum dritten dürfe der Geistliche ihn nicht als einen sündlosen Heiligen rühmen, sondern auf die Sündhaftigkeit und sitt liche Schwachheit desselben Hinweisen, von der kein Mensch frei sei, und um deretwilleu wir alle ihn der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit im Gebet und Fürbitte empfehlen müßten. Darnach also solle er dann in Zukunft meine Leichenpredigten und Begräbnißreden beurtheilen! e) Später, da ich einmal mit einem höher gestellten Militair, dessen Con- fession nicht die evangelisch-lutherische war, über den evangelischen Cultus sprach und dieser nur erklärte, daß er an unserm Gottesdienste sich nicht be theilige, weil hier die Predigt Hauptsache sei und diese doch ihrem Werthe und Inhalte nach immer wieder nur von der Subjectivität und verschiedenen Be gabung der Geistlichen abhänge, mußte ich denselben unserem obigem Grundsätze gemäß bitten und erinnern, daß er seine Anschauung der Sache modificire und Folgendes bemerken. Der evangelische Geistliche hat als Diener des göttlichen Wortes den ihm vorgeschriebenen biblischen Text zu erläutern und auf Grund seiner eigenen vorhergegangenen Selbsterbauung denselben seinen Zuhörern an das Herz zu legen. In jeder evangelischen Predigt müsse der biblische Grundton durchklingen und könne wohl der gebildete Zuhörer immer Etwas daraus zu seiner Erbauung mitnehmen. Im Uebrigen dürften ja höher gebildete Einwohner größerer Städte aus den verschiedenen Predigern der Stadt sich den auswählen, der ihrem individuellen Bedürfnisse am meisten entspräche. Wenn andere christ liche Kirchen und Confessionen namentlich Gefühl und Phantasie mit ihren Cultusformen anregten, so wolle und müsse die evangelische Kirche darnach streben, neben dem intellectuellen Leben auch die andern Seiten des Seelen- und Geisteslebens, also den ganzen Menschen zu erbauen. 3) Endlich bezeichnet auch unser Grundsatz den rechten seelsorgerischen Ton und die persönliche Haltung, nach der der Geistliche als Diener Christi in der Kraft des Herrn und im Vertrauen auf höheren Beistand, darum auch in aller Demuth und Sanftmuth reden und zeugen soll, wie aber Reden in selbstge fälligem herrschsüchtigen Tone seiner Berufung und Stellung nicht entsprechen; gemäß dem Worte Gottes bei Ezechiel 33,7: „Du Menschenkind, ich habe dich zu einem Wächter gesetzt über das Haus Israel: wenn du etwas aus meinem Munde hörest, daß du sie von meinetwegen warnen sollst!" rc. rc.