47 wesentlich im Sinne Luthers und der Reformatoren überhaupt — bald die Predigt Hauptsache; durch viele und lange Predigten wollte man die evangelisch lutherische Lehre vor allen Dingen einprägen, in Verbindung mit Polemik gegen römisch-katholische, bald auch gegen reformirte confessionelle Lehre; das Vor herrschen, ja die Alleinherrschaft der Predigt erhielt sich auch später in den Zeiten des Rationalismus, die liturgischen Theile des Cultus aber wurden in den Hintergrund gestellt. In neuerer Zeit dringt man nun wieder mehr auf Hervorhebung dieser zum evangelischen Gemeindecultus gehörigen liturgischen Stücke und Handlungen. Wir verweisen hier auf die neue Zeitschrift Liona, Monatsschrift für Liturgie und Kirchenmusik zur Hebung des gottesdienstlichen Lebens von Herold und Krüger, in Verbindung mit Schöberlein und Andern bei Bertelsmann in Gütersloh. Das Januarheft von 1878 enthält eine Abhandlung: Liturgie und Predigt von Pfarrer Herold in Schwabach; in derselben heißt es S. 37/38: „Die Stellung der Predigt im Gottesdienste ist also zu bestimmen, daß sie einen sehr wichtigen, und für das Ganze des gottesdienstlichen Lebens unentbehrlichen Factor bildet, der jedoch für die Gesammterbauung unzurei chend bleibt und nicht nothwendig mit einem jeden einzelnen Gottesdienste ver bunden werden muß. Der christliche Gottesdienst — dieß hat principiell die lutherische Kirche erkannt — ist wesentlich nicht Predigtgottesdienst, so wenig als Opfercultus, sondern Gemeiudegottesdienst, aus Predigt und sonstigen (liturgischen) Bestandtheilen zusammengesetzt. Diese können in ver schiedener Weise mit der Predigt verbunden oder von derselben getrennt werden. Gerade diese verschiedene Behandlung ist für das gottesdienstliche Leben im Großen und Ganzen, also innerhalb des Rahmens des Kirchen jahres sehr nothwendig, und bedingt den Eindruck und Einfluß des gottes dienstlichen Wesens überhaupt. Wir denken uns zunächst folgende Gottes dienste möglich: 1) Der vollständige Hauptgottesdienst mit Predigt und Abendmahl; 2) derselbe ohne Abendmahl; 3) derselbe ohne Predigt; 4) der einfache Predigt gottesdienst; 5) der liturgische Nebengottesdienst mit Schriftlesung, Gesang und Gebet; 6) derselbe mit Vorwiegen des Gebets als sogenannter Gebetsgottes dienst; 7) derselbe mit Borwiegen der Musik als sogenannte musikalische An dacht; 8) die biblische Erbauungsstunde; 9) dazu die Christenlehre (Katechismus lehre). So wird Mannichfaltigkeit und darum Leben für das Einzelne wie für das Ganze gewonnen, und die Predigt wird sicher dann ain allgemeinsten ge schätzt und in ihrer Eigenart gewürdigt werden, wenn eine solche Reihe von andersartigen und charakteristischen Gottesdiensten sie umgiebt und mit ihr in