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Kubi Säl t UZ-Fotochronik der Dezember-Ereignisse 13. 12.: Auf einem Meeting im Innenhof protestieren weit über tausend Stu denten und andere KMU-Angehörige gegen die Beschlüsse der sächsischen Regierung zur „Abwicklung“ von Hochschuleinrichtungen. 17. 12.: Beginn der Besetzung der Rektoratsetage durch Studenten, die am 19.12. in eine Blockade des KMU-Komplexes mündete. Nach Verhandlungen mit dem Rektoratskollegium stellte sich Sachsens Bil- dungsminister in den späten Abendstunden des 19. 12. rund 1500 KMU-Stu- denten zur Diskussion, die leider für beide Seiten wenig erfreuliche Resultate Zeigte. Darauf verschärften die Studenten am 20.12. ihre Blockade, um so ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen (auch mit dem Mittel des Hungerstreiks). ^21.12. wurde der Dialog mit der Uni-Leitung fortgeführt. Neben Drohungen und Unmutsäußerungen durch die Leipziger Bevölkerung Brhielten die studentischen Besetzer auch zahlreiche Solidarisierungsbewei- 8e: Zuspruch, Geld- und Sachspenden u. a. von Wissenschaftlern (noch) nicht betroffener Einrichtungen und Angestellten der Universität (Mitarbeiter der Mensen sorgten z. B. für das Frühstück). Angehörige des wissenschaftlichen Mittelbaus stellten Fahrzeuge und Telefone zur Verfügung und kümmerten sich Um die Versorgung der Studenten. Siegener Geschichtsstudenten bekundeten In einem Telegramm vom 21.12. ihre Solidarität mit den KMU-Studenten. Und die Sternburg-Brauerei lieferte flüssige Erfrischungen... (Fotos:F. Gehrmann) Schreiben der Uni-Leitung an Minister Prof. Dr. Meyer: Leipzig, den 14.12.1990 Sehr geehrter Herr Minister! Wir respektieren und unterstützen durch unser eigenes Bemühen die Vorstellungen der Regierung des Freistaates Sachsen um eine Demo kratisierung der Hochschulen. Wir fühlen uns aber durch den Stil brüs kiert, mit dem uns die weitreichenden Entscheidungen zur Abwicklung we sentlicher Struktureinheiten unserer Universität übermittelt wurden. Die jahrelangen bitteren Erfahrungen mit zentralistischen Verhaltensmustern haben uns gegenüber einer solchen Art und Weise sensibilisiert. Als Uni versitätsleitung hätte uns eine bera tende Funktion bei der Entschei dungsfindung eingeräumt werden müssen. Wir beobachten mit Sorge, daß unser Bemühen um die Erneue rung der Universität Leipzig dadurch nicht gefördert wird und auch unter Mitarbeitern, die sich um die Er neuerung bemühen, eine schädliche Solidarisierung hervorgerufen wor den ist. Es beunruhigen uns beson ders die moralischen und politischen Auswirkungen auf die Studenten. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Dr. sc. med. Leutert Rektor ad interim Prof. Dr. sc. med. Geiler Dekan der Medizinischen Fakultät und Mitglied des Rektoratskollegiums Prof. Dr. theol. Dr. Wartenberg Dekan der Theologischen Fakultät und Mitglied des Rektoratskollegiums Ehrendoktor-Würde (PI) Die Würde eines Ehrendoktors der Philosophie an der Karl-Marx- Universität Leipzig verlieh der Wis senschaftliche Rat der KMU am 18. 12.1990 an den Psychologen Prof. Dr. Dr. hc. Hans Thomae von der Rheini schen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn. Die Leipziger Universität wür digt mit dieser Ehrung die grundle genden Beiträge Prof. Thomaes zur Entwicklumg der wissenschaftlichen Psychologie, insbesondere der Per sönlichkeitspsychologie, die konse quent die Individualität des Menschen in den Mittelpunkt der Forschungen stellt. Besondere Anerkennung finden auch die Verdienste Prof. Thomaes um die Förderung der Gerontologie. Reaktion von Senat und Rektoratskollegium auf Studentenproteste Mit den Studenten Dialog fortsetzen! (UZ) Auf der turnusmäßigen Beratung des Akademischen Senats am 20. 12. 1990 standen die Entscheidungen der sächsischen Regierung zur „Abwicklung“ von Hoch schuleinrichtungen der KMU und die dar auf folgenden Proteste insbesondere der Studentenschaft im Mittelpunkt der ebenso sachlich wie leidenschaftlich geführten mehrstündigen Diskussion. Der Senat empfiehlt zur Weiterführung des als außerordentlich notwendig erachte ten Dialogs zwischen Rektoratskollegium und Studentenschaft Vertretern des akade mischen Mittelbaus eine konstruktive Ver mittlerrolle übernehmen. Die Fortsetzung des Dialogs mit studentischen Vertretern be troffener Einrichtungen und Prorektor Prof. Dr. sc. Dr. Günter Wartenberg sowie weite ren Senatsmitgliedem wurde für den 21. 12 ., 8.00 Uhr, geplant. Des weiteren wurde vom Senat den Vor schlägen zugestimmt zur Bildung von Kom missionen, zur Gründung neuer wissen schaftlicher Bereiche an der KMU (Grün- dungskomissionen) die viertelparitätisch mit Professoren aus alten und neuen Bun desländern, Vertretern des Mittelbaus und der Studentenschaft zusammengesetzt sein sollen) und zur Bildung einer Hochschul- urukturkommission (Zusammensetzung nach Gruppenparität). Weiterhin wurde die schnellstmögliche Einberufung des Konzils beschlossen. (Die ses Konzil muß sich leider etwas verzögern, da sich Nachwahlen sowie noch andauern de Wahlüberprüfungen erforderlich ma chen.) Der Senat vertritt die Forderung nach Weiterführung und inhaltlicher Verbesse rung des Joumalistikstudiums an der KMU, das vom Minister Prof. Dr. Meyer mündlich zugesagt wurde. , Senat und Rektoratskollegium nehmen die Verwaltung- bzw. Feststellungsklagen derjeweils betroffenen Fakulrät:nbzw. Ein richtungen zur Kenntnis. (Eine Erklärung des Rektoratskollegi ums vom 2.1.1991 zur Situation an der Uni erscheint in UZ/02.) Erklärung der Moderatorinnen des Gesprächs zwischen Vertretern der Uni-Leitung und den.protestierenden Studenten am 21.12.1990 Im heutigen Gespräch wurde die Univer sitätsleitung durch einen Prorektor und zwei Dekane vertreten. Die Studierenden ent- . sandten sechs Sprecher, die mit inem im < perativen Mandat ausgestattet waren. Mo deriert wurde von 3 Vertretern des proviso- i rischen Sprecherrates des Akademischen Mittelbaus. Wir stellen fest, daß ohne die Proteste der Studenten eine Klärung verschiedener Punkte im Zusammenhang mit dem Ab wicklungsbeschluß vom 11. 12. 1990 zu gunsten der Universität als Ganzes und der Studierenden nicht möglich gewesen wäre. Dadurch wurden die im Laufe des Ge spräches erarbeiteten, von Konsens getra genen Positionen, die laut Protokoll folgen de Punkte betreffen, ermöglicht: I. Zusammensetzung und Arbeitsweise von Gründungskommissionen für die von dem o. g. Beschluß betroffenen Fachberei che; . . 2. Schnellstmögliche Einberufung des Konzils uter SicheruAg der Teilnahme al ler im Dezember gewählten Vertreter; "3. Für die drei Fachrichtungen Kultur wissenschaft, Jourfalistik, Geschichte wur- de Übereinstimmung über die Art und Wei se der Fortsetzung von Studiengängen und die Neugründung von Instituten erreicht; 4. Grundsätzliche Gleichbehandlung ausländischer Studenten; 5. Die bereits bestätigten Forschungsstu denten und Aspiranten erhalten die Mög lichkeit, ihre Qualifizierung fortzusetzen; 6. Alle Leiter im wissenschaftlichen Be reich, die nicht durch demokratische Wah len seit Herbst 1989 in ihrem Amt bestätigt wurden, sollen binnen eines Jahres abberu- fen/abgewählt werden, wenn sie nicht die notwendige Legitimation ihres Bereiches erhalten; 7. Universitätsleitung und Studenten tre ten gemeinsam beim Staatsminister für die Etablierung einer verfaßten Studenten schaft ein. Die erreichten Ergebnisse bedürfen so wohl der Zustimmung des Plenums der Stu dierenden als auch des Staatsministers. Dieses Gespräch betrachten alle beteilig ten Seiten, unbeschadet offengebliebener Fragen und Probleme - die weiter erörtert werden - als Eröffnung von Wegen zur Nor malisierung der Situation an der Leipziger Universität. Dr. sc. Soja Brentjes Dr. Regina Metze Dr. Regina Welz Entscheidung zurücknehmen, über die Zukunft diskutieren Studenten-Boom (AP) An den deutschen Universitä ten und Fachhochschulen sind im lau fenden Wintersemester 1,72 Millionen Studenten eingeschrieben. An den Hochschulen im alten Bundesgebiet sei die Zahl der Studierenden um fünf Prozent auf jetzt 1, 58 Millionen ge stiegen. An den Hochschulen in den neuen Bundesländern nahm danach die Zahl der Studenten um 4,5 Prozent auf 136 000 zu. Die Zahl der Studienan fänger habe weiter erheblich zuge nommen - an den westdeutschen Hochschulen gegenüber 1989 um zehn Prozent, im Osten um 30 Prozent. Konzilwahlen Aufgrund von Nachwahlen und noch andauernder Überprüfungen durch den Wahlpfüfungsausschuß kann das endgültige Ergebnis der Kon zilwahlen frühestens nach dem 15. 1. 91 veröffentlicht werden. Dr. Th. Friedrich, Wahlleiter Geschäft perfekt (UZ) KMU, Siemens-Nixdorf AG und HIS (Hochschulinformations-Ser vice) haben am 17.12.1990 einen Ver trag unterschrieben, der die Grundaus stattung unserer Universität mit Hard- und Software für den gesamten Ver waltungsbereich beinhaltet. Das Pilot projekt für den ostdeutschen Raum schließt die Schulung des Personals ein. Während HIS, finanziert durch Bund und Länder, Software grundsätz lich kostenlos zur Verfügung stellt, er hofft sich die Siemens-Nixdorf AG durch ihr großzügiges Geschenk In itialwirkung auf andere Hochschulen. Unseren Ausländern (UZ) Das Akademische Auslands amt informierte über die Gründung der „Deutsch-ausländischen Studien gesellschaft der alma mater lipsiensis e. V.“, die am 18. 12. 1990 erfolgte. Diese neue Gesellschaft, die gegen wärtig aus ca. 40 Mitgliedern besteht, ist offen für alle deutschen KMU-An gehörigen sowie natürlich für alle aus ländischen Bürger, die sich an der KMU in der Aus- und Weiterbildung befinden. Mittels der Gesellschaft soll unseren ausländischen Studierenden eine effiziente Integration und Reinte gration ermöglicht werden. (Für 3 der 5 Mitglieder des Bereiches Auslände rintegration, Sektion Gesellschafts- therorien, wurden Planstellen ge schaffen.) Brief der Sektion Journalistik an Prof. Biedenkopf: 12. 12. 1990 Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Studenten und Mitarbeiter der Sek tion Journalistik der Karl-Marx-Uni versität Leipzig haben mit Bestürzung aus dem Radio von der Entscheidung der Landesregierung erfahren müssen, die Sektion Journalistik aufzulösen. Wir sind empört über den undemokra tischen Charakter der Entscheidung, die über unsere Köpfe wie auch über die der Universitätsleitung hinweg, al so unter Ausschaltung jeglicher Auto nomie der Universität, erfolgte. Als ei ne gesellschaftswissenschaftliche Einrichtung, die eng in die Politik des alten Systems eingebunden war, sind wir uns der Notwendigkeit einer grundlegenden inhaltlichen, struktu rellen und personellen Erneuerung be wußt. Darauf zielten alle Maßnahmen, die wir auf dem Boden eines demo kratischen Konsenses von Wissen schaftlern und Studenten im letzten Jahr eingeleitet haben. Umso betroffe ner macht es uns, daß diese Entschei dung ohne den geringsten Versuch ge troffen wurde, den derzeitigen Stand demokratischer Erneuerung von Leh re und Forschung zur Kenntnis zu neh men. Die Universitätsleitung verfügt über alle entsprechenden Unterlagen. Seit Wochen läuft ein kritischer Selbsteva- lutionsprozeß der Hochschullehrer. Mit den Studenten wurde ein Runder Tisch vereinbart, an dem äußerst kri tisch über alle Fragen der Lehre ge sprochen wird. Nichts von alledem wurde zur Kenntnis genommen. Hier wird ein administratives Vorgehen praktiziert, von dem wir hofften, daß es der Vergangenheit angehört. Den Studenten bleibt nach dieser Entscheidung nichts als vage Verspre chen, anderernorts ihre Ausbildung fortzusetzen. Damit sind über 600 Stu denten, die für die frühere Tätigkeit der Sektion keinerlei Verantwortung tragen und die sich äußerst aktiv in die Wende eingebracht haben, die am schwersten Betroffenen. Wie sie diese plötzliche Änderung ihrer Lebenspläne in der gegenwär tigen hochschulpolitischen Situation der Bundesrepublik bewältigen sollen, ist mehr als unklar. Schließlich wird mit diesem Be schluß die einzige journalistische Ausbildungsstätte in Ostdeutschland geschlossen, die älteste derartige In stitution auf deutschem Boden mit ei nem originären Ausbildungsprofil. Wir fordern die Rücknahme dieser Entscheidung und eine sachliche Dis kussion über unsere weitere Zukunft. Wir erlauben uns, diesen Brief der Öf fentlichkeit zugänglich zu machen. Hochachtungsvoll Prof. Dr. sc. Hans Poerschke Direktor der Sektion im Namen aller Angehörigen der Sektion UZettel Woher und wozu aber die igno rante Aggressivität? Gerichtet gegen Künstler und Intellektuelle, wirkt hier eine lange und traurige sy stemübergreifende deutsche Tradi tion, die, politisch motiviert und be nutzt, auf Macht, Desinformation und Ablenkung zielt... Zum „Aber...“ wissenschaftlicher Objek tivität und zur kritischen Subjekti vität künstlerischer Weitsicht hat die totale Macht kein normales Verhält nis. (Auch das totale Geschäft hat da Schwierigkeiten.) K. WISCHNEWSKI Da gibt es welche, die zweifeln nie, ihre Verdauung ist gut, ihr Urteil unfehlbar. B. BRECHT