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nicht zur Ruhe kommen. Gilbert besaß ja den Scheck. Der Junge würde nichts Eiligeres zu tun haben, als mit diesem Geld die Schuld deS Oberst zu decken. Archibald Mantle empfand diese Möglichkeit wie eine tiefe Demütigung. Mit seinem eigenen Geld sollte er jetzt, so nahe dem Sieg, noch geschlagen werden!? Was war nur am Nachmittag über ihn gekommen, daß er diesen Burschen reich gemacht hatte?! Dadurch verlor er selbst, er, Archibald Mantle, die Herrschaft über den Oberst und auch jede Hoffnung auf Elinors Hand. i Denn, daß er jetzt von Elinors Besuch bei Gilbert Wußte, hatte ihn durchaus nicht von seinem Vorhaben ab gebracht. Im Gegenteil — einen Gegner zu haben, war ein Reiz mehr. Er vertraute der Wirkung seiner Persön- lichkeit viel zu sehr, um nicht davon überzeugt zu sein, daß er auch bei Elinor den Sieg über Gilbert davontragen würde. Natürlich wäre alles glatt und gut gegangen, wenn man diesen Gilbert in Australien gewußt hätte; denn es war vorauszusehen, daß dieser jetzt seine Abreise verschob. Aber er wäre ja doch nur gereist, nachdem er mit den ver wünschten zehntausend Pfund — Archibald Mantles zehn tausend Pfund! — den Oberst gerettet hatte. Archibald Manüe wäre nicht der vielbeneidete Börsen- könig gewesen, wenn er nicht die Fähigkeit besessen hätte, mit einem Schlage die ganze Situation zu übersehen und sich ihr anzupassen, um sie zu beherrschen. Es gab nur eins; er mußte Gilbert zur Rückgabe des Schecks veranlassen; irgendwie sollte ihm das schon ge lingen. Aber vorher konnte man ja noch einen Versuch Halben, im guten mit dem jungen Manne fertig zu Werden. »Höre, Gilbert', sagte Archibald Mantle, und ließ seine SttMNw weich und herzlich werden, »was der Oberst seiner EMer gesagt hat, mag eine Verdrehung dessen gewesen sein, was ich ihm gesagt habe. Aber die Wahrheit kann ich -dir nicht verschweigen, so wenig ich sonst dazu neige, je- wanden zum Vertrauten meiner eigensten Angelegenheiten -ü machen. Ich liebe Elinor Graham." Archibald Mantle war selbst überrascht, als er diese, seinen schmalen, energischen Lippen so ungewohnten Worte entrang. Denn es wurde ihm immer klarer bewußt, wie wahr diese Worte waren, und wie unmöglich ihm der Ge danke schien, auf dieses Mädchen zu verzichten. »Auch ich liebe Elinor!" rief Gilbert mit gepreßter Stimme. »Äun, Gilbert, ich habe wohl kein Recht dazu; aber dennoch bitte ich dich: verzichte auf Elinor! Tritt zurück! In deinem Alter ist das noch kein Opfer. Du kennst dich ja selbst noch nicht. In ein paar Jahren ..." »Was du von mir verlangst, Archie, ist unmöglich", sagte Gilbert finster. »Es gäbe nur einen Grund, der mich veranlassen könnte, zurückzutreten." »Und der wäre ,..?" »Wenn ich wüßte, daß Elinor dich liebt. »Lassen wir ihr Zeit", erwiderte Archibald lebhaft, »auch sie ist noch viel zu jung, um über sich selbst im klaren zu sein." »Seit einer Stunde ist sie sich vollkommen klar." »Torheit! Weil der Oberst ihr etwas vorgeschwätzt hat und sie in Verzweiflung war." Gilbert schüttelte nur stumm den Kopf. Das Ansinnen Archibalds empörte ihn; aber er fühlte auch etwas wie Mitleid mit dem älteren Vetter, der, auf der Höhe seiner Macht, ihn, den unbedeutenden jungen Menschen anflehen mußte. »Gilbert, ich beschwöre dich! Fordere von mir, was du willst! Du weißt, ich bin reich; ich bin viel reicher, als man ahnt. Es gibt keinen Wunsch, den ich dir nicht erfüllen kann." Gilbert lachte verächtlich. »Glaubst du mich kaufen zu können, wie du geglaubt hast, Elinor zu kaufen? Du irrst dich, Archibald, all dein Geld ist zu armselig, um dir Elinors Liebe zu gewinnen." Archibald biß die Lippen zusammen. Ihn reute dieser letzte Versuch, die Sache gütlich zu enden. Jetzt wär keine Wahl mehr. „Es ist Wohl doch nicht so armselig", begann er scharf und höhnisch, »denn auch du willst dir damit Elinors Hand erkaufen." Gilbert sah ihn verständnislos an. »Was soll das heißen?" „Nun, mir mußt du keine Komödie Vorspielen! Du wirst edelmütig genug sein, die Betrügerei des Oberst mit dem Scheck aus der Welt zu schaffen, den ich dumm genug war, dir zu geben." Aus Gilberts Mund kam halbunterdrückt ein Wort: „Schuft!" „Der Unterschied zwischen uns ist höchstens der, daß ich mir meine Frau mit meinem eigenen Geld erkaufen will, du. aber mit dem Almosen, das ich dir geschenkt habe." * « * Als Gilbert müde und zerschlagen in seiner Wohnung anlangte, war es zwei Uhr morgens. Er stolperte über die dunklen Stufen zu seinem Zimmer hinauf. In seinem Kopfe war es so wirr, daß er wie ein Trunkener taumelte. Er wäre nicht imstande gewesen, zu sagen, wo er die letzten Stunden verbracht hatte. Er drehte das Licht nicht an, und wäre beinahe über die Reisetasche gefallen, die aus dem Fußboden stand. Reisetasche! Dunkel erinnerte er sich, daß er eine Reise vorgehabt hatte. Das lag weil zurück. Jetzt hatte er nur das Bedürfnis nach Schlaf und Ruhe. Er sank in den Kleidern aus das Bett und schlief im gleichen Augenblick ein. Wie lange er geschlafen hatte, wußte er nicht. Eine feste Hand rüttelte ihn derart an der Schulter, daß er erwachte und verstört um sich blickte. Im Zimmer brannte Licht. Vor Gilbert stand ein glatt rasierter Herr mit ernstem, strengem Gesicht, und sah ihn aufmerksam an. In der Tür war noch ein zweiter Herr sichtbar, und neben ihm stand mit entsetzter Miene der kleine, dicke Herr Rose, der Besitzer des Hotels, in einem langen türkischen Hausrock. Trotz seiner Schlaftrunkenheit sah Gilbert das alles ziemlich genau. „Was ist geschehen...? Was gibt's?" stotterte er, und versuchte, sich ganz aus dem Schlafe zu reißen. „Herr Gilbert Daly, nicht wahr?" fragte der strenge Herr neben seinem Bett. „Ja ... gewiß." „Ich möchte Sie bitten, aufzustehen und mir zu folgen." „Wer sind Sie denn ...? Was soll das alles ...?" fragte Gilbert, und rieb sich die Augen. „Sie stehen im Verdacht, heute nacht Ihren Vetter. Herrn Archibald Mantle, getötet zu haben.' „Oh, mein Gott", ächzte Herr Rose. Gilbert war mit einem Satz aus dem Bett. „Ich will in Ihrem Interesse hoffen, daß der Verdacht sich als falsch erweist, aber...", eine bedauernde Beweauna schloß den Satz. Jetzt war Gilbert vollkommen wach. „Archibald ist tot?" rief er. Der strenge Herr verzog seine Mundwinkel ein wenig. „Ja", erwiderte er kurz, sind Sie bereit?" Gilbert nahm seinen Hut auf, der am Boden lag. „Was Sie da sagen, ist fürchterlich. Aber ich schwöre Ihnen..." „Sie werden sehr bald Gelegenheit bekommen, alles zu sagen, was zu Ihrer Entlastung dienen kann." Gilbert sah ein, daß weitere Worte zwecklos wären, und wendete sich zur Tür. »Oh, Herr Daly", jammerte der kleine Herr Rose leise, während die Männer die Treppe hinuntergingen, »wie ist das nur möglich! Ein so ruhiger Mann wie Sie! Was wird meine Frau dazu sagen! Sie hat immer so große Stücke aus Sie gehalten. Und welch ein Schaden für daS