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s. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Sie traten ins Haus. Käthe hatte keinen Blick für ihre Umgebung. Minuten später stand sie in einem Raume allein einem Herrn gegenüber. .Mainwald!« sagte er. Käthe hatte den Ramen noch nie gehört, und wußte nicht, daß sie dem berühmtesten Arzte des Landes gegen überstand, von dessen Kuren man sich Wunderdinge er zählte. Sie schaute nur in sein Gesicht und suchte in seinen Augen zu lesen — ein Urteil über all ihr Glück, über sein Leben! Auch der Arzt musterte sie prüfend. Er war noch gar nicht alt, vielleicht Mitte der Vierziger, und sah selber aus wie ein vornehmer Herr, der er sa auch war — ein Fürst aus dem Gebiete seiner Wissenschaft. .Fräulein von Bernsbruck«, sagte er halblaut, .ich danke Ihnen zunächst, datz Sie unserer Bitte so rasch ent sprochen haben. Das Leben Herrn von Turnaus ist ernst lich bedroht. Meine Kunst würde zu Ende sein; und wenn ich trotzdem nicht alle Hoffnung aufgebe, dann geschieht es, weil ich viel von Ihrer Nähe erhoffe. Der Verunglückte ruft immer wieder Ihren Namen. Er sehnt sich an scheinend nach Ihnen — er liebt Sie. Und nun bin ich gezwungen, Sie zu fragen, ob Sie...« Käthe hatte nur eins gehört! .Er liebt Sie!« Weiter gab es für sie nichts, gar nichts. Und leise, kaum hörbar, sagte sie: „Ich liebe ihn!« Da erhellte sich das Gesicht des Professors. .Welch ein Glück, das ich nicht zu hoffen wagte!« mur melte er. .Ich fürchtete schon...« .Führen Sie mich zu ihm, Herr Professor«, bat Käthe, ihn unterbrechend, und hob bittend die gefalteten Hände. .Gleich, gnädiges Fräulein«, erwiderte Mainwald. .Ich muß mich nur erst überzeugen, wie es um ihn steht. Aber ehe ich gehe, möchte ich Ihnen noch zweierlei sagen: erstens, daß Ihr Herzensgeheimnis bei mir wohlverwahrt ist, und zweitens, daß ich kaum einen Mann kenne, den ich für so geeignet halte, seine Frau glücklich zu machen!« Er verbeugte sich tief und ging. Käthe aber stand da, beide Hände auf das Herz gepreßt, das so voller Glück war und so voller Sorge! Sie wagte nicht zu atmen, doch in ihren Augen war der Widerschein dessen, was sie empfand. Sie schrak zusammen, als eine Stimme an ihr Ohr klang — eine Frauenstimme. Und sie wich erschrocken ein wenig zurück, als sie eine Gestatt in Pflegerinnentracht vor sich sah. Wer war das nur? Dieses Gesicht kannte sie doch? Und da hörte sie auch schon die Wort«: .Kennen Sie mich wirklich nicht wieder, Fräulein von Bernsbruck? Ich bin Isolde Kletten. Da ich mich im Kriege als Pflegerin habe ausbilden lassen, so habe ich mich sofort der Baronin zur Verfügung gestellt, als ich von dem schweren Unfall hörte. Sie brauchen sich nicht zu ängstigen, ich habe schwerere Fälle gehabt...« Käthe stand regungslos. Dieses Mädchen sollte Felix pflegen, sollte ständig um ihn sein? Hatte Tante nicht gesagt, datz sie Felix geliebt hatte? Wollte Isolde von Kletten ihn nun zurück gewinnen? Doch nein, nein! Er hatte ja sie gerufen! Der Arzt hatte gesagt, daß Felix sie liebte! Und Käthe richtete sich aus. Sie erwiderte nichts, sie neigte nur leicht das Haupt und wutzte nicht, datz sie dadurch Isolde Kletten um den erhofften Triumph brachte. Doch n-ch hatte diese andere Pfeile in ihrem Köcher. Sie hob wieder an: .Uebrigens, Fräulein von Bernsbruck, wir hatten während meines Besuchs in Nonnenwerth, der mir durch die Güte Ihrer Frau Tante ermöglicht wurde, keine Ge legenheit, einander näherzukommen. Ich habe schon da mals eine Frage an Sie richten wollen. Sie kamen mir sehr bekannt vor. Haben wir uns nicht schon früher ein mal irg«ndwo getroffen. Mir ist, als wäre es in einem Cafe gewesen...« Käthe sah die lauernd auf sie gerichteten Augen der anderen, sah ein hämisches Leuchten darin und wutzte, datz ihr hier eine tückische Feindin gegenüberstand, datz Isolde von Kletten, die ja damals in jenes Cafö gekommen war, sie wiedererkannt, aber bis jetzt geschwiegen hatte. Und sie wutzte auch, datz Isolde noch immer Felix liebte und die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, ihn doch noch zu gewinnen. Mochte sie! Sie fürchtete dieses Mädchen nicht. Und datz sie Kellnerin gewesen war, das konnte ihr niemand als Schmach anrechnen. Nur das andere! Niemals, niemals durfte Isolde Kletten etwas davon erfahren! Käthe beherrschte sich so wxit, datz sie lächeln konnte. Etwas von oben herab erwiderte sie leichthin: .Sie werden sich irren, Fräulein von Kletten. Und ich wundere mich, daß Sie diese Frage an mich richten, ob wohl meine Tante selbst Ihnen gesagt hat, datz ich erst kürzlich aus Java gekommen bin.« Noch einmal funkelten die Augen ihres Gegenübers, das indes keinen neuen Giftpfeil absenden konnte, seind- selig auf. Da trat der Arzt ein, der, ohne Isolde zu be- achten, sagte: .Wenn Sie mir jetzt gütigst folgen wollen, gnädige« Fräulein?« Sofort eilte Käthe zu ihm. Auch Isolde Kletten wollte iHm folgen, doch er winkte fast barsch ab: «Ihre Gegenwart ist jetzt nicht vonnöten, Fräulein vor» Kletten!« sagte er. Isolde wurde blaß vor Zorn; aber sie durste ja nicht Iwagen, sich gegen diese Zurückweisung aufzulehnen. Käthe Hkdoch atmete auf, als Mainwald ihr unterwegs sagten „ »Wir haben eine erfahrene Schwester aus meiner Klinik hier. Und nun, gnädiges Fräulein, darf ich Sie wohl bitten, daran zu denken, daß das Leben des Kranken einzig und allein von Ihnen abhängt. Wenn Sie sich noch einmal prüfen wollen...« Da schüttelte Käthe den Kopf und schaute ihn an, und er wußte genug. Schweigend öffnete er eine Tür und ließ sie an sich vorübergehen. Käthe sah in einen verdunkelten Raum, sah ein Bett und in den Kissen ein blasses, ach, so blasses Gesicht, das Haupt von weißen Binden dicht umhüllt. Leise, leise trat sie näher, Schritt für Schritt, immer noch beide Hände auf das unruhig klopfende Herz gepreßt. Und dann... Sie sah die Augen, die sie so liebte, sah sie leuchten wie damals, als Felix sie, das arme, fremde Mädchen so ritter lich betreut hatte — und sie hörte seine Stimme, leise und matt, aber so freudevoll, so rührend in ihrem Zittern: „Käthe! Liebe, liebe Käthe!« Lautlos entfernten sich Arzt und Pflegerin. Käthe bemerkte es nicht. Voll unendlicher Liebe schaute sie auf den Mann nieder und kützte ihn zärtlich, leise, ganz leise aus den Mund. Mühsam umschlang er ihre Schultern und hielt sie an sich gepreßt; aber sie löste sich aus seinen Armen und streichelte ihm lind die Wangen. Während sie vor dem Lager niederkniete, und indem sie dann seine Hände mit den ihren umschloß, raunte sie ihm zu: „Felix, ich hab' dich lieb!« „Käthe!« jauchzte er. Da legte sie ihm ihre Hand aus ven Mund. „Still, ganz still! Werde erst gesund, Liebster, ganz ge sund! Willst du?« „Ob ich will, Käthe?!« „Dann ist alles, alles gut, und nun schlafe, Felix, träume von mir...« Sie stand aus, strich ihm noch einmal über die Wangen, schaute ihn noch einmal zärtlich an — und ging leise hinaus, rückwärts, so daß sie den Blick seiner Augen bis zuletzt auf sich gerichtet fühlte. Der Arzt, der sie draußen erwartete, richtete keine Frage an sie. Er hatte es nicht nötig; er las ja auf ihren Zügen alles, was er zu wissen brauchte. Er erfaßte Käthes rechte Hand und drückte sie fest „Danke!« sagte er leise. Käthe ging die nächsten Tage wie tm Traum umher; wie in einem Traum saß sie am Bett des Geliebten und hörte seine leisen Worte, und wie im Traum erlebte sie das große, unglaublich große Glück, das ihr nun doch be- schieden ward. Wenn die Vergangenheit drohend vor ihr auftauchen wollte, dann lächelte Käthe nur. „Er wird es nie erfahren«, sagte sie sich dann. „Wenn er nur wieder ganz gesund wird! Habe ich diese Gewiß heit, dann kann ich aus seinem Leben verschwinden und untertauchen in dem Strom der Menschheit; er wird ver gessen lernen, wie ich es lernen mutz.« In schlaflosen Nächten, während sie bitter mit sich ge rungen hatte, war sie zu diesem Entschluß gekommen. Sobald sie die Gewitzheit erlangt hatte, daß Felix der völligen Genesung entgegenging und sein Leben nicht mehr gefährdet war, wollte sie verschwinden, wollte alles auf geben, was sie kaum erst errungen hatte, und wieder das arme Mädchen werden von einst. Für sie stand fest, datz sie ihn nicht heiraten durfte, da sie noch die Frau eines anderen Mannes war. Sie kannte die Strafen für Doppelehe nicht; aber sie wutzte, datz diese ein Verbrechen war. Und nie hätte sie dem geliebten Manne mit einer Lüge vor den Attar folgen können. Nie! Freilich, all das schmerzte sehr. Sie wußte kaum, wie sie es würde tragen können; aber sie dachte daran, daß die Erinnerung an dieses große, selige Glück ihr helfen würde. Nicht ein einziges Mal kam ihr der Gedanke an den Tod. Nur manchmal dachte sie noch, ob sie nicht Bodenstein zu Hilfe rufen sollte. Sie konnte sich jedoch nie entschließen, es zu tun. So verstrichen die Tage. Felix war außer Lebensgefahr und versicherte ihr immer von neuem, daß er als ganz gesunder Mann auf stehen würde. Auch der Arzt versicherte, daß keine Folgen des Unfalls zu befürchten sein würden. Eines Tages saß Käthe in der großen Halle des Schlosses, das sie nun genau kannte. Auf dem Tische vor ihr lagen die neuesten Tageszeitungen. Käthe ergriff halb unbewußt eine davon, überlas dies und jenes — ihre Ge danken waren weit ab. Plötzlich aber war ihr, als würden ihre Blicke durch eine geheimnisvolle magische Gewalt nach einer bestimmten Stelle gelenkt. Sie sah eine fette Ueberschrift und las: „Erfinderschtcksal! Seit längerer Zeit hatte, wie auch wir meldeten, ein junger Techniker mit Namen Berndt Klausen durch eine große Erfindung von sich reden gemacht, die ihm geglückt war. Es handelt sich um ein neues Sprengstoffverfahren, über da« jedoch nichts Welter bekannt geworden ist. Jedenfalls hat Klausen seine Erfindung noch ganz ansbauen wollen, ehe er sie der Oeffentlichkeit vorsührte, und dabet hat ihn ein tragi sches Geschick ereilt. Eine gewaltige Explosion sprengte fast das ganze Haus in die Luft, in dem sich sein Labo ratorium befand. Es gelang zwar, den unglücklichen Er finder noch lebend aus ven Trümmern hervorzuholeNt doch mit derartig schweren Verletzungen, daß sein Ableben nur noch eine Frage weniger Stunden sein dürste...« Regungslos saß Käthe da und starrte wie entgeistert auf diese Zeilen. Sie wußte nicht, ob das wirklich dort gedruckt stand oder nicht; aber in ihr hämmerte eine Stimme immer wieder drei Silben eines NamenS: „Berndt Klau—sen! Berndt Klau—sen! Berndt Klau-sen!« War denn das möglich? Er lebte — oder hatte noch bis vor kurzem gelebt. Er war damals in London nicht verunglückt — erst jetzt. Aber warum war er dann nicht zu ihr zurückgekehrt? Warum hatte er sie allein gelassen in der sremden Stadt? Wozu hatte er sie überhaupt dorthin geführt und sie geheiratet? Oder war es ein anderer, der nur den gleichen Namen und den gleichen Beruf hatte? Sollte es so etwas geben können? Und schon meldete sich in Käthe eine innere Stimme, die ihr zuraunte: „Er ist es! Ganz bestimmt ist er es! Und er ist schon tot, wenn du das liest. Nun bist du sret! Nun darfst du nach dem großen Glück greifen, das sich dir bietet. Sei kein Tor! Quäle dich nicht länger mit unnützen Sorgen! Du bist wirklich sret — srei für ihn, für Felix!« Wie gelähmt saß Käthe lange, lange, willenlos dem Sturm der Gedanken preisgegeben, der in ihr tobte. Sie hätte so gern die Nachricht glauben mögen und konnte es doch noch nicht. Ohne daß sie wußte, was sie tat, riß sie die Notiz aus der Zeitung und schob sie in den Ausschnitt ihres Kleides. Nun würde sie wohl doch Bodenstein bitten müssen, Er kundigungen einzuziehen. Oder war das überhaupt nicht mehr nötig? „Sie lesen die .Wiener Neue Presse', Fräulein von Bernsbruck?« erklang da dicht hinter ihr eine Stimme. Erblassend wandte sie sich um und sah nun Isolde von Kletten vor sich stehen, sah die hämisch-blickenden Augen, die lauernd bald aus ihr, bald aus der Zeitung ruhten, und unwillkürlich zog sie diese an sich und knüllte sie zusammen, um sie dann gleich wieder glattzustreichen. „Sie kam mir eben in die Hand«, murmelte sie, ohne ihre Verwirrung verbergen zu können. „Könnte ich das Blatt vielleicht einen Augenblick haben?« fragte die andere. Käthe erschrak. Isolde durste doch nicht wissen, welche Notiz hier her ausgerissen worden war. Es war Käthe, als müßte die Feindin dann das furcht bare Geheimnis sofort erraten, und sie erwiderte, schon etwas gefatzter als vorher: „Ich werde Ihnen die Zeitung nachher schicken, Fräu lein von Kletten « „Dante! Ich will Ihnen nicht vorgreifen.« Käthe verließ die Halle und begab sich in ihr Zimmer. Vollkommen erschöpft sank sie in einen Stuhl und wollte ihre Gedanken ordnen und konnte und konnte es nicht, und wieder Hämmerle in ihr die Stimme: „Berndt Klausen! Berndt Klausen!« Es war schrecklich. Währenddessen stand Isolde schon am Telephon ihres Zimmers und rief einen Zeitungshändler in der Stadt an, ihr sofort die heutige Nummer der „Wiener Neuen Presse« zu senden. Und als Käthe ihr die Zeitung schickte, warf sie sie achtlos beiseite. Dagegen suchte sie sofort, als sie vom Händler das Blatt erhielt, die betreffende Seite, die sie sich wohlgemerkt hatte, und überlas jede Zeile mit gespanntester Aufmerksamkeit. Käthe ahnte nicht, daß Isolde sie schon eine ganze Zeit beobachtet und genau gesehen hatte, wie sie erschrak und dann eine Notiz herausriß. Aber welche war es gewesen? Sie sand es nicht heraus. Sie las zwar von Berndt Klausens Unfall; aber sie ahnte nicht, was er für Käthe bedeutete. Sie kam zu keiner Klarheit, behielt indes trotz dem die Zeitungsseite zurück. Käthe brauchte lange, lange, um sich von ihrem Schreck zu erholen, und jeden Tag suchte sie fortan in der Zeitung nach der Nachricht, die sie so sehr ersehnte: nach der Todes- anzeige Berndt Klausens. Sie kam sich grausam und herzlos vor, weil sie auf sein Ende wartete, und doch konnte sie nicht anders. Sah sie doch alle Tage von neuem, wie innig Felix sie liebte, und immer schwächer und schwächer wurde ihr Vorsatz, ihn zu verlassen. Wenn sie in seine Augen sah, wenn sie seine Stimme hörte, dann versank alles andere in ihr; dann wutzte sie nur das eine: daß er sie liebte und sie ihn, und daß sich beide nach dem großen, großen Glück sehnten, das diese Liebe ihnen bescheren sollte. Felix Turnau war schon außer Bett; er durfte stunden weise umhergehen. Und endlich erlaubte ihm Professor Mainwald, in den Park hinauszugehen — natürlich an der Seite Käthes, auf ihren Arm gestützt. Und als sie dann auf einer von der Sonne beschienene« Bank nebeneinander saßen, die Hände ineinander ge« schlungen wie immer, wenn sie beieinander waren, eim ander in die Augen schauend, da sagte er: „Käthe, du siehst nun, daß ich den Unfall Überstande« habe, ohne ein Krüppel geworden zu sein. Das danke ich nächst Gott nur dir und deiner Liebe. Du hast mich un beschreiblich glücklich gemacht. Aber noch kann ich lücht fassen, daß du mein fein willst — nicht eher, als döS im vor dem Altar mit mir stehst und ich dort da« Ja »o« deinen Lippen höre. — Käthe, wann, wann WM dach sein?« L-rtt-Omg WM