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L«GFv Fr« Glaudinger hatte sich bei den letzten Worten rasch erhoben und sah mit gefalteter Stirn nervös zur Tür. .Nein!' rief sie dann ärgerlich aus. »Ihr Verlobter würde mir gewiß zürnen, wenn er wüßte, daß der Hotel- ausenthalt hier so wenig angenehm ist. Was meinst du, Fritz*, wandte sie sich dabei zu ihrem Manne, der noch immer lässig im Sessel lehnte. «Willst du für die Nacht Fräulein Walds Hotelzimmer bewohnen, während ich sie mit mir in die Pension nehme?" «Dasselbe wollte ich dir gerade Vorschlägen; ich wußte nur nicht, meine Liebe, ob es dir angenehm ist, dich von mir trennen zu müssen? Fräulein Wald wird sich in meinem Pensionszimmer unter deiner treuen Obhut viel Wohler fühlen." «Also gut, wir sind einig. Brechen wir sofort auf, liebes Kind, die Atmosphäre hier bedrückt mich; ich fürchte eine neue Migräne I" rief Frau Staudinger, die ihre Nervosität kaum zu meistern wußte und es jetzt furchtbar eilig zu haben schien. Christa Wald war es nicht unlieb, den keineswegs ver trauenerweckenden Aufenthalt verlassen zu können. Erst im Hotelvestibül gedachte sie plötzlich Ilona Takats, die nun vergebens hier nach ihr fragen würde. Doktor Staudinger aber beruhigte sie, und verschwand gleich darauf in der Portierloge, um dort die neue Adresse zu hinterlassen. Wenige Minuten später saßen sie dann im Auto, das sie nach der Pension bringen sollte. Doktor Staudinger be gleitete die beiden Damen. * * In einer der belebtesten Straßen Triests schob sich zu dieser Zeit die große, breitschultrige Gestalt eines Mannes in Schiffstracht durch das Gewühl. Seine blauen, blitzenden Augen, und das gewellte, blonde Haar, das frische Gesicht verrieten den Deutschen. Leise pfiff er vor sich hin, hier und da stehenbleibend und die erleuchteten Schaufensterauslagen betrachtend. Eine derbe Hand legte sich auf seine Schulter. „Hallo, Fritz Kraft, gut, daß ich dich treffe, die Margarete' sticht schon morgen abend in See. Der Kapitän verlangt bis neun Uhr alle Mann an Bord!" Fritz Kraft, denn er war es wirklich, streckte dem Kollegen die Hand hin. „Dank auch, Steffenson", sagte er schlicht, „ich wäre ohnedies in kurzer Zeit aufs Schiff gekommen." „Hast wohl daheim eine Braut, der du etwas schicken willst?" fragte Steffenson, der Leichtmatrose, und wies, gutmütig grinsend, auf die leuchtenden bunten Schals einer Fensterauslage. „Eine Braut", erwiderte Kraft kopfschüttelnd, und sein eben noch so munteres Gesicht verdüsterte sich. „Laß die alten Geschichten; ist da schon eine, der ich gern etwas ge schickt hätte, aber sie hat mich gar nicht haben wollen." „Na ja, die Weiber, Fritz, da ist eine schlimmer wie die andere. Aber mach' dir nichts daraus, wirst noch vielen begegnen, mehr als genug, sage ich dir. Ich kenne sie alle, die Schwarzen, die Braunen, und es ist doch eine wie die andere." Fritz Kraft machte eine abwehrende Bewegung und wandte sich der anderen Straßenseite zu. Plötzlich aber blieb er wie angewurzelt stehen und umkrampfte fest den Arm des Kollegen, während seine Augen in ungläubigem Staunen einem hart an ihnen vorübersausenden Auto nachstarrten. „Was hast du, was ist dir. Menschenskind, du drückst ja meinen Arm, als wenn er ein alter Schiffshaken wäre", rief Steffenson aus, betroffen von dem komischen Gebaren des Kameraden. „Verdammt will ich sein, wenn das nicht soeben die Christa gewesen ist!" stieß Fritz Kraft jetzt bebend hervor. „Das schöne Mädchen im Auto?" forschte Hinrich Steffenson nun weiter. 'M Fritz Kraft nickte, und stierte noch immer SerstSnSnttloS nach der Richtung, in der das Auto schon längst ver« schwunden war. „Komm weiter, die Leute werden schon aufmerksam, du siehst ja aus, als sei dir der fliegende Holländer an Land begegnet", raunte ihm der Matrose zu, und schob Fritz Kraft vorwärts.' «Wer ist es denn?" fragte er dabei neugierig. «Die, die mich nicht haben wollte", murmelte Fritz Kraft erbittert. «Aber nein", setzte er dann hinzu, «ich muß mich getäuscht haben. Eine Aehnlichkeit war's, weiter nichts. Das kommt davon, wenn man Tag und Nacht an nichts anderes denkt." „Komm mit, trinken wir einen guten Tropfen, daS vertreibt die Grillen", drängte Hinrich Steffenson, den Willenlosen mit sich ziehend. Als sie dann in einer kleinen Schänke vor den gestillten Gläsern saßen, murmelte Fritz Kraft immer aufs neue vor sich hin: „Und sie muß es doch gewesen sein. Vielleicht war der Herr, der neben ihr saß, Professor Brecht, ihr Bräuti gam?" Verstohlen wischte sich der große, stämmige Bursch«, dabei eine Träne aus den Augenwinkeln. Hinrich Steffen son bemerkte es nicht, sondern er spann bei einigen Gläsern Italiener seine Betrachtung über den Wert der Frauen im allgemeinen und im besonderen fort. Einige Stunden später wankten die beiden, etwas UN» sicheren Schrittes, über die Schiffsplanken und verschwan den in den Kasematten. * * Christa Wald war aus der Fahrt sehr schweigsam ge wesen, und hatte nicht auf Doktor Staudinger geachtet, der mit seiner Frau leise slüsterte. Ihr war so bang umS Herz, und nur der Gedanke an den Geliebten hielt sie aufrecht, und verhinderte, daß sie nicht gänzlich verzagte. Das freundliche Pcnsionshaus, in dem sie alsbald an langten, verscheuchte jedoch bald ihre ängstliche Stimmung. Hier atmete alles Sauberkeit und vornehme Eleganz. Christa bereute schon beinahe, dem Ehepaar unrecht getan zu haben. Das Zimmer, das sie bewohnen sollte, hatte etwas Anheimelndes und löste ihre seelische Be drückung ganz. Frau Staudingers Nervosität schien hier auch gänzlich verflogen zu sein. Sie war jetzt weit herzlicher und klopfte Christa liebkosend die Wangen. «So, meine Liebe", sagte sie freundlich, Christas Arm in den ihren ziehend. „Nun wollen wir erst einmal zu Abend essen. Drüben, im gemeinsamen Wohnzimmer, ist der Tisch bereits gerichtet. Als Getränk nehmen wir Rot wein, er wird Ihnen wohl tun; Sie sehen matt und ab gespannt aus." Damit zog sie das junge Mädchen mit sich fort, und Doktor Staudinger folgte ihnen lächelnd. Christa spürte nun erst, daß sie Hunger hatte. Die Auf regung der letzten Stunden hatte sie dies ganz vergessen lassen. Sie folgte dem Paar gern an den äußerst appetit lich gedeckten Tisch. Und merkwürdig, der Wein löste die Zungen, Doktor Staudinger und Frau erschienen ihr auf einmal gar nicht mehr so unangenehm und abschreckend. Man plauderte lustig, aß und trank. „Erzählen Sie mir nun bitte etwas von Matthias, wie er lebt, wo und wie wir in Kairo wohnen werden", sagte Christa, als Staudinger ihr gerade ein neugefüllteS Glas reichte. „Tja", entgegnete dieser gleichmütig, «trinken wir gleich einmal auf den guten Matthias Brecht und seine zukünf tige schöne Frau", und er hob sein Glas, daS er bis zur Neige leerte. .Austrinken, ma cköre", forderte er dann Christa, die nur genippt hatte, lachend aus, und diese, von seiner Fröh lichkeit angesteckt, tat ihm Bescheid.