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KOKläN von NLV Lopvr!k?kt dv Martin k^enc^twan^er, skulle k3uule> Nachdem die schöne Unbekannte mit ihrer Toilette fertig war, begann sie sich eine gemütliche Schlummerecke zurecht zu machen, und schloß die Augen. Das monotone, gleichmäßige Nollen ves dahinbrausen den Zuges wirkte allmählich ermüdend, und dennoch fand Christa Wald keinen Schlaf. Immer wieder flogen ihre Blicke verstohlen zu der Fremden hin, und bald bemerkte sie, daß auch diese nicht schlief, sondern sie aus halbgeschlossenen Lidern ständig beobachtete. Huschte jetzt nicht ein leises Lächeln um den Mund der schönen Frau? Einmal, als Christa unvermittelt die Augen aufschlug, begegnete sie dem forschend auf sie gerichteten Blick der Fremden. Christa schaute schnell zum Fenster hinaus. Wie gern hätte sie sich mit der Nachbarin ein wenig unterhalten. Sie fühlte sich ungemein zu ihr hingezogen, irgend etwas an ihr war ihr sympathisch, flößte ihr Zu neigung, Vertrauen ein. Jetzt schien die Fremde doch eingeschlummert zu fein. Auch Christa behielt nun die Augen geschlossen. So verging Vie Nacht, schleichend, endlos. Christa war allmählich doch eingeschlafen. Sie erwachte erst wieder, als der Boy des Speisewagens zum ersten Frühstück rief. Die Fremde benetzte gerade ihr Gesicht mit Eau de Cologne, und nickte ihr dabei freundlich lachend zu. „Darf ich Ihnen auch davon anbieten, Fräulein?", fragte sie dann unvermittelt. „Es erfrischt nach einer so unbequemen Nachtfahrt ungemein." Christa wollte dankend ablehnen, aber die Fremde hatte bereits ihren Platz gewechselt und sich neben sie gesetzt, und nötigte ihr nun in herzlich-natürlicher Weise alle Toilctten- gegenstände auf, daß Christa, von dieser Liebenswürdig keit bezwungen, alles annahm. Dabei plauderte die Fremde in einem Gemisch von Hochdeutschund österreichischem Dialekt munter darauf los, und zwar in so launiger Weise, daß Christa Wald ein über das andere Mal in Helles Lachen ausbrach. „Gewiß haben Sie sich gewundert, liebes Kind, daß ich Sie in dieser Nacht oft so aufmerksam betrachtete", sagte sie dann unvermittelt. Christa nickte zustimmend. Die Fremde aber lachte fröhlich, und erklärte: „Sie haben ein so liebes, schönes Gesichtel, daß ich mich Hali daran nicht sattsehen konnte, und ich wünschte mir sofort, näher mit Ihnen bekannt zu werden. So, meine Liebe", fuhr sie dann in ihrer resoluten, einnehmenden Art fort, „jetzt, wenn Sie nichts dagegen haben, suchen wir zusammen den Speisewagen auf und trinken unseren Morgenkaffee. Nein, Sie dürfen mir meine Bitte nicht ab schlagen!" ries sie, als Christa mit ihrer Zusage zögerte. „Ich freue mich auf Ihre Gesellschaft, ich mag nicht gern allein sein. Kommen Sie. ich verdurste sonst noch." Christa Wald folgte ihr nun, von der Fröhlichkeit an gesteckt, widerstandslos. Die Liebenswürdigkeit der Frem den hatte sie völlig fasziniert. Sie befanden sich vorläufig fast ganz allein im Speise wagen, und da der Kaffee nach der ermüdenden Fahri äußerst anregte und belebte, waren die beiden Reise genossinnen bald in ein lebhaftes Gespräch verwickelt. So erfuhr Christa Wald, daß sie recht vermutet hatte, und daß die Fremde eine Ungarin war und Ilona TtckLIS hieß. Sie berichtete kurz, daß sie nach Triest zu Bekannten reise und dann ihrem Manne folge, der sich Geschäfte halber in Bombay aufhalte. Als Christa berichtete, daß ihr nächstes Reiseziel eben falls Triest sei, von wo sie dann nach Kairo weiterfahren wolle, geriet Ilona TakLts schier außer sich vor Vergnügen, daß sie solange noch beisammen bleiben und vielleicht sogar ein und denselben Dampfer zur Weiterreise benutzen konnten. Auch Christa hatte plötzlich alle Scheu vergessen mH freute sich mit. Ilona TakLts gefiel ihr immer bester, und sie war recht froh, eine nette Reisegefährtin gefunden zu haben; hatte sie sich doch, uneingestanden, ein wenig vor der Ankunft in der fremden Stadt gebangt. Freilich, Doktor Staudinger würde sie ja am Zuge er warten, dennoch fühlte sie sich nun bei weitem ruhiger und sicherer. Die beiden Frauen kamen sich im Laufe des Gesprächs immer näher, und so kam es, daß Christa Wald, einem inneren Impuls folgend, Ilona TakLts die GeschMe ihrer Verlobung erzählte. * * Es war am Mittag des nächsten Tages, als der Wiener Zug in Laibach eintraf. Ilona TakLts und Christa, die soeben vom Mittags tisch aus dem Speisewagen zurückgekehrt waren, lehnten am geöffneten Fenster und sahen auf das Gewühl, daS auf dem Bahnsteig herrschte. Plötzlich vernahm Christa Wald laut und deutlich ihren Namen rufen. Sie entdeckte alsbald einen Beamten, der ein Tele gramm in der Hand hielt und am Zuge entlang eilte. Die energische Ilona TakLts winkte ihn hastig herbei, und nachdem sich Christa legitimiert hatte, erhielt sie daS Telegramm ausgehändigt. „Aus Triest, von Doktor Staudinger", murmelte sie voll Angst, und öffnete es hastig. Es enthielt folgende seltsame Worte: „Meine Frau ernstlich unpäßlich. Begeben Sie sich bei Ankunft nach dem Palasthotel, wo wir Sie erwarten. Staudinger!" „Frau Doktor Staudinger ist erkrankt", erklärte Christa Wald, der neuen Freundin das Telegramm zeigend. „Es wird mich daher niemand in Triest erwarten." „Nur keine Sorge, liebes Kind", tröstete sie die junge Frau, „ich werde Sie in ein Auto bringen und dann fahren Sie einfach zum Hotel. Dieser Doktor Staudinger scheint ein sehr umständlicher Herr zu sein, er hätte doch wahr haftig auch ohne seine Frau zur Bahn kommen können. Aber seien Sie nicht traurig und verlaffen Sie sich ganz auf mich." Christa wurde ruhiger. Der Ungarin selbfMULs Wesen verscheuchte ihre Aengstlichkeit.