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«-Roman-Beilage-» Dieser Doktor Glauber, der nie in die Kirche ging, mußte sehr reich gewesen sein; eine Reihe von Ver wandten erbte viel von ihm. Fräulein Florinde Bau mann sollte früher seine Braut gewesen sein. Ganz genau konnte man nicht dahinter kommen, jedenfalls erbte sie eine große Summe und brauchte nicht mehr so zu ar beiten. Aber unangenehm war der Mann doch immer gewesen! » Seine Nichte Helga Bering, die mehrere Jahre bei ihm gewesen war und ihm bis zum Tode gepflegt hatte, erbte keinen Groschen! Dabei war sie ganz mittellos! Konnte man das verstehen? Helga war sehr ruhig dabei. Sagte, daß sie ihrem Onkel viel verdankte und daß sie Aussicht habe, eine Stellung als Zeichen- und Turnlehrerin an einer Schule zu erhalten. Der Haupterbe, ein Geheimrat Glauber, hatte schon gesagt, daß er Fräulein Bering bitten wollte, sich aus dem Nachlaß an Möbeln und Büchern auszusuchen, was sie haben wollte. Er hatte auch von einer kleinen Rente gesprochen, die Helga aber gleich abgelehnt hatte. So berichtete die Pastorin, und in Friedheim schüt telten sowohl Frau von Lörrach wie ihre Kathrine die Köpfe. Aber Leontine lachte, als sie von dieser Sache hörte. „Nun wird wieder mit Florinde ein Auskommen sein! Seitdem ich sie Halbwegs gezwungen habe, das große Legat von Glauber anzunehmen, ist sie mir so böse, wie sie noch nie gewesen ist. Vielleicht bin ich auch zu geld gierig gewesen. Aber nun beruhige ich mich! Florinde wird jetzt wissen, wem sie ihr Geld vermachen soll. Helga ist doch eine Schwärmerei von ihr!" „Von mir auch!" dachte Frau von Lörrach, aber sie sagte es, ihrer Art getreu, nicht. * * * Zwei Jahre sind vergangen. Der Lörrachhof hat einen sehr tatkräftigen Besitzer, dessen ganzes Bestreben dahin zugehen scheint, ein guter Landwirt zu sein. Seine Mutter wohnt in Friedheim, besucht oft ihren Sohn und belustigt sich im stillen über die unbeschränkte Herrschaft, die Fräulein Herrlich auf dem Lörrachhof ausübt. Einmal wird diese Herrschaft ein Ende haben, wann dies sein wird, Weitz heute niemand. Lutz von Lörrach fährt alle Vierteljahr in das Sana torium und sieht verstohlen seine Frau mit zwei Puppen spielen. Sie hätschelt sie, plaudert Unverständliches mit ihnen und flüstert manchmal, datz sie noch immer etwas suche. Was es ist, will sie nicht sagen und ihren Mann darf sie nicht sehen, dann bekommt sie Angstzustände, spricht von Tasten, von einem Tablett, von Dingen, die niemand kennt. Die Aerzte meinen, datz sie nicht mehr lange leben wird, da ihr Herz sehr schwach geworden ist, aber Aerzte können sich auch irren. Lutz kehrt immer sehr niedergeschlagen heim, und es ist gut, daß die zwei Fräuleins Baumann bet seiner Mutter wohnen und ihn in ihrer Weise tröste». Florinde hat sich an ihre Wohlhabenheit gewöhnt und findet es rührend, datz einige Freunde, die sie eine lange Zeit vergessen hatten, jetzt wieder zum Vorschein kommen und sie gelegentlich um ein kleines Darlehen ersuchten. Leontine ist dann sehr spöttisch, aber Florinde schickt immer das Gewünschte. Sie mag gern feurige Dankbriefe erhalten und freut sich, datz sie in der Lage ist, sie zu bekommen. „Ein famoses Altjungfernpaar!" sagt Baron Neu haus, wenn er gelegentlich kommt und bei Lutz wohnt. „Schade, datz ich kein Türke bin, ich würde sie beide heiraten!" Ein Satz, der den Baumanns hinterbracht wurde und der sie recht entsetzte. Aber eigentlich kann man dem guten Baron nicht böse sein, trotz seiner schlechten Witze. Leise gleitet das Leben dahin. Lutz steht manchmal auf dem Felde und sieht über Has Moor. Dorthin, wo er einst mit Helga suchte, bis sie endlich in der dunklen Kammer die fanden, an die er in Torheit sei« Leben ge kettet hatte. Helga ist in Süddeutschland, hat auch keine Zett, zu kommen. Aber sie schreibt regelmätzig an Fräulein Flo rinde und an die Pastorin. Mau weiß immer, wo sie ist. Wenn Lutz in die Ferne nach Süden fleht, dann flüstert er wohl vor sich hin: „Armer Lutz!" Das ist er nun ein mal, aber vielleicht kommt doch eine Zett, irr der er sich nicht mehr so nennt. Vor einiger Zeit kam der Staatsanwalt einmal durch Fritzenhagen. Er solgte der Jagdevtladung eines be freundeten Gutsbesitzers, und es fiel ihm erfl «Mählich ein, datz diese Kirche, dieser Heckenweg, daS Fritzenhagen war, an das er einmal sehr scharf gedacht hatte, mtt dem festen Vorsatz, hinter ein Geheimnis zu kommen, das hier seine Schleier gewoben hatte. Er und sei» Kommissar hatten sich damals redliche Mühe gegeben und lange und eifrig gesucht. Aber alle Mühe war vergeblich gewesen. „Sonderbar", sagte er zu Baron Neuhaus, der gleich falls Gast auf derselben Jagd war. „Sonderbar, ich habe mir damals immer eingebildet, daß dieser Mord, Sie er innern sich vielleicht, daß er in dieser Gegend geschah, daß dieser Mord einige Mitwisser hatte, die nicht sprechen wollten. Jedenfalls bin ich der Blamierte gewesen!" Neuhaus tat einige Züge aus seiner kurzen Pfeife, ehe er antwortete. „Man ist nicht blamiert, wenn man ein Geheimnis nicht ergründet!" erwiderte er dann. „Manchmal ist eS sogar gut, wenn der Schleier nie gelüstet wird. Ich habe diesen Ermordeten, dessen Namen ich vergaß, nie gekannt, aber es scheint mir nach allem, waS ich hörte, da- er eine Giftpflanze war, die fehr gut aus der menschlichen Gesell- schäft ausscheiden konnte. So oder so, einmal wäre er doch gestolpert!" „Aber die irdische Gerechtigkeit, mein lieber Baron!" Neuhaus lächelte. „Mein verehrter Herr Staats- anwalt, die irdische Gerechtigkeit trägt nicht mit Unrecht verbundene Augen. Sie sieht nicht imowr dgs Nichtig»!' — Gnv^. W«