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1? - Hilde wußte nicht recht, ob sie sich ärgern oder freuen sollte. Mit Feldern hatte sie manchen lustigen Abend ver bracht; alS er verschwunden war, entbehrte sie ihn; jetzt — stand er unverändert vor ihr und sprach weiter. Ob daS liebe Minchen nicht wüßte, daß er hier in der Nähe war? Hatte Lutz nichts davon erzählt. Er sah ihn doch gelegentlich! Aber der war wohl der reine Blaubart und ließ seine hübsche Frau nicht aus dem Käfig! Feldern konnte immerzu schwatzen und Witze machen, ganz anders wie Lutz, der so schweigsam und übellaunig geworden war. Hilde lachte jetzt auch und schwatzte. Ja, es war greu lich langwellig hier. Immer wurde von der Arbeit ge sprochen, nie vom Vergnügen. Nirgends ordentlicher Ver kehr, nur bei der Schwiegermutter, die eine Hexe war, und 'bei PafiorS. Dahin wollte sie nicht; was ginge sie die fromme Gesellschaft an? „So Übel sind sie alle nicht!" meinte Feldern. „Aber nichts für sie, mein holdes Minchen! Kann ich nicht ein mal bei Ihnen vorsprechen? Sind Sie nicht einmal allein zu genießen?' „Ich bin meistens allein!" versicherte Hilde. „Lutz ist Knecht auf seinem Gut!" „Ja, er soll sehr fleißig sein! Hochmütig ist er auch. AlS er neulich mit Helga Bering ging, und ich ihm be gegnete, tat er, als sähe er mich nicht." „Helga Bering? Ist das das Mädchen, daß ich neulich bei der alten Lörrach sah?" „Das wird sie wohl gewesen sein. Wenn sie Zeit hat, läuft sie dorthin, oder sie sitzt beim Pastor." „Woher kennen Sie sie?" „Wissen Sie nicht, daß sie auch bei Doktor Glauber ist, wo ich meine kostbare Zeit mit Brief- und Maschinen schreiben vergeuden muß? Sie führt den Hausstand und 'ist gerade so hochnäsig wie Lutz." Feldern sprach jetzt von anderen Dingen, und als Hilde ihren Wagen bestieg, hatte sie Feldern erlaubt, sie einmal morgens zu besuchen, dann war Lutz niemals da heim. Er kam nicht gleich, hatte, wie er sagte, keine Zeit, aber dann war er eines Tages da und schlüpfte ungesehen ins Haus. Vormittags war jedermann im Hause und auf dem Lörrachhof beschäftigt, nur Hilde nicht, die ihren Besuch in das Neins Ankleidezimmer führte und sich heiter mit ihm unterhielt, während Feldern sich prüfend umsah, einige Fragen tat und dann lachend fragte, ob das liebe Min chen ihm nicht hundert Mark vorstrecken könnte. Er wäre in ziemlich peinlicher Geldverlegenheit. HUde war unangenehm berührt. Lutz hielt sie knapp an Taschengeld, sie brauchte hier ja nichts, wie er sagte. Hun dert Mark? Die hätte sie ganz gewiß nicht. „Aber mein liebeS, gutes Minchen! Sie werden doch einige elende Mark für einen guten Freund haben? Be denken Sie doch, daß ich manche Pulle Sekt für Sie be zahlt habe! Eine Hand wäscht die andere!" Hilde blieb standhaft. Sie hatte sich angewöhnt, ge- ttgentlich an den Schreibtisch ihres Mannes zu gehen und einige Scheine herauszunehmen. Sie hielt das für ihr Recht, da er ihr nichts gab. Aber dies Geld wollte sie für sich ausgeben, und nicht für Feldern. Auch war in letzter Zeit der Schreibtisch verschlossen, und der Schlüssel, mit dem sie ihn zu öffnen pflegte, paßte nicht mehr. Feldern wurde verstimmt. Nahm sich aber zusammen, sprach von allerlei Abenteuern, die er mit Minchen in Berlin bestanden hatte. Ob sie sich erinnerte, daß sie zu sammen in Sellin auf Rügen gewesen waren? Sie hatte di« Einladung einer Tante in Stralsund vorgeschützt, und Mutter Wenninger hatte es geglaubt. Das war damals sehr nett gewesen, und er, Feldern, hatte alles bezahlt. Hilde seufzte. „Dar war damals!" sagte sie. „Ich kann wirklich nichts geben, Feldern! Ich habe einen geizige» Mann!" Feldern sah sie mit einem scharfen Blick an, sagte aber nichts weiter. Beim Abschied lächelte er sonderbar. „Komisch, daß Sie jetzt Hilde heißen! Wir fanden Ihren Namen Minchen so nett. Kam diese Namensände rung von der Gerichtsverhandlung? Da standen Sie doch als Minchen Wenpinger in der Zeitung! Eine Taktlosig keit vom Reporter! Was war es nur noch? Sie sollten sich einige seidene Kleider und Reiherfedern angeeignet haben! Natürlich waren Sie unschuldig wie ein Engel! Doktor Levi, Ihr Anwalt, bewies dies großartig! Ich habe mir gleich vorgenommen, wenn ich einmal mit dem Gericht zu tun kriege, das kann dem Besten geschehen, dann hole ich mir den Levi! Der macht aus einem Reger einen schneeweißen Engel!" Felderns Stimme klang leise, aber Hilde mnßte an eine Schlange denken, die sie einmal im Berliner Zoo ge sehen hatte. Sie wurde von einer anderen Schlange an gegriffen, und sie zischte, daß man es trotz der Glaswände hören konnte. „Auf Wiederschauen, liebes Minchen, ich komme bald wieder! Vielleicht haben Sie dann Ihr mitleidiges Herz entdeckt!" Er war gegangen, und Hilde sank auf einen Stuhl und starrte finster vor sich hin. Der kleine Student, der damals auch bei Wenningers gewohnt hatte, als Feldern das beste Zimmer innehatte, hatte Hilde vor Feldern gewarnt. „Lassen Sie sich nicht mit dem ein!" sagte er. „Der hat einen schlechten Charakter! Der geht über Leichen!" Hilde, die damals noch Minchen hieß, lachte. Ihr gefiel der Feldern, der so flott Geld ausgab und sie ins Variete führte, ganz besonders. Einmal dachte sie auch, er würde sie heiraten. Dann aber hatte er nichts und schien nicht ans Heiraten zu denken. War er bei ihnen gewesen, als die dumme Geschichte mit den seidenen Kleidern geschah? An diese Sache dachte Hilde nicht gern, hatte sie auch eigentlich vergessen. Sie war ja freigesprochen worden wegen mangelnder Beweise. Die Kleider aus dem eleganten Laden waren nie wieder zum Vorschein gekommen, aber niemand konnte Minchen Wen ninger beweisen, daß sie sie weggcnommen hatte. Sie trug sie auch nie und verkaufte sie später unter der Hand. Kriegte fast nichts dafür; diese Aneignung war ein schlechtes Geschäft gewesen, viel Umstände um solche Kleinigkeit! Aber wenn Feldern die Geschichte hier berichtete — wie lange war sie denn her? Doch mindestens vier Jahre? Wenn er Lutz damit kam? Lutz, der schon jetzt sehr kühl gegen sie war. Wenn seine Mutter sie erführe, die hoch mütige Person, dann Pastors, die hier eine Rolle spielten? — Hilde stand aus und ging hin und her. Sie wußte, Feldern wollte Geld und sie hatte fast nichts. Lutz gab ihr nichts, das Hausstandsgeld gab er Fräulein Herrlich, mit der er dann selbstverständlich ab rechnete. Die Herrlich verkaufte Eier und junge Hühner, die Händler kamen auf den Hof, und es gab manchmal lautes Gerede. Sie wollte mehr haben, als die Händler geben mochten. Meistens siegte sie und Lutz lobte sie nach her. Er mußte sorgfältig Wirtschaften, wie er sagte, und die Herrlich verstand ihre Sache. Auch erhielt sie Wohl einige Prozente. Wenigstens sagte Mutter Wenninger dieses, die ja gern überall herumschnüffelte, während Hilde cs vor nehmer fand, sich um nichts zu kümmern. Sie lag auf dem Sofa und las Romane, das war ganz bequem, und Lutz sie gewähren. Neulich war der Arzt bei ihr gewesen; hatte allerlei Fragen an sie gerichtet und dann zu Lutz gesagt, seine Frau müßte geschont werden. Ein fröhliches Ereignis bereitete sich vor — da wären die Frauen vorher manchmal sehr eigenartig. Daß er auch zu Lutz gesagt hatte, seine Frau wäre hochgradig hysterisch, erzählte Lutz nicht, aber es war so. Mit diesen Zuständen müßte man Geduld haben.