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Beilage zur Weiheritz-Zeitung Nr. 87 Mittwoch, am 13. Februar 1829 95. Zahrc ang Chrom« des Tages. — Die Sachverständigen in Paris treten zwei Mal am Tage zu Beratungen zusammen. — Der Oberbürgermeister Kölns, Adenauer, hat an Mussolini ein Glückwunschtelegramm gesandt. — In Afghanistan wurden englische Flieger, die not- lanLrn mutzten von Berastämmen aekanaeu aekstzt. — Der Schlafwaaenzua Berlin—München ist bei Burg kemnitz verunglückt. Der Zugführer ist tot, 16 Personen erlitten Verletzungen. — In Fürstenwalde wurden 35 000 Mark Lohngelder unterschlagen. — Die Waggonfabrik Buschmann u. C. in Hannover ist niedergebrannt. — Auf dem Wolfendorn im Brennergebiet sind fünf Schmuggler von einer Lawine verschüttet und getötet worden. Konferenz ohne Worte. — Paris, 13. Februar. Die Sachverständigen-Konferenz zur Lösung der grüßten Finanzsrage, die jemals die Welt beschäftigte, hat ihre Arbeit begonnen und bereits mehrere Sitzungen abgehalten. Den Vorsitz führt der bekannte Präsident großer amerikanischer WirtschaftSunterneymungen, Owen Doung, ein schlanker Amerikaner, so, wie ihn die Bilderbücher zeigen. Die Wahl erfolgte ein stimmig. Die Eröffnungssitzung war öffentlich. Sie trug ein sehr nüchternes Gepräge und dauerte alles in allem fünfzehn Minuten! Den Schauplatz der Tagung bildete der blau ausgeschlagene Frühstücksraum des Hoteis Georg V. Uebrigens waren auch die Samt sessel um den runden Konferenztisch blau und schließlich auch die Teppiche, die den Fußboden zierten. Den Beginn der Konferenz kündete das Geklapper der Filmleute an, die ihre Apparate aufstellten und einrichteten. Dann kamen die Pressevertreter. Zuschauer fanden sich überhaupt nicht ein! Infolgedessen brauchte auch die Polizei nicht in Aktion treten, um die Sach verständigen vor dem „Andrang der Massen" zu schützen. Pünktlich zur festgesetzten Stunde marschierten die Sach verständigen auf, begrüßten sich kurz und ließen sich dann in den bequemen Sesseln nieder. Die Jupiter lampen flammten auf, die Filmleute drehten und kur belten, dieser und jener zündete sich eine Zigarette an, Owen Uoung schlenderte zwischen den Sesseln herum und Morgan, der Finanzkönig von Wallstreet, richtete seine ganze Aufmerksamkeit darauf, seine Zigarre in Brand zu setzen. Das war alles! Reden wurden nicht gehalten, ebenso hörte man keine Begrüßungsansprachen. Es war eine recht langweilige Sitzung, eigens dazu be stimmt, den Filmleuten Gelegenheit zu Aufnahmen zu geben! Die Welt weiß nun, wie die Sachverständigen aussehen, wo sie arbeiten, und mehr wird sie vor läufig kaum erfahren. Die nächsten Sitzungen fanden hinter verschlossenen Türen statt. Was man da verhandelt, entzieht sich vorerst der Kenntnis der Oeffentlichkeit. Aber man braucht keine Angst zu haben, die Völker werden es schon noch recht zeitig erfahren! Wie formlos die Sachverständigen zu Werke gehen, ergibt sich daraus, daß man weder Pro tokoll führt noch Mitteilungen an die Presse ausgibt. Schriftlich niedergelegt werden lediglich Beschlüsse. Aber bi» zur Beschlußfassung wird sicher noch einige Zeit vergehen. Zwei Mal am Tage treten die Sachverständigen zu Beratungen zusammen, vormittags um 11 Uhr und nachmittags um drei Uhr. Zunächst wurden allgemeine Fragen behandelt. Die Führer der Delegationen der sieben in Paris vertretenen Länder legten den Stand punkt ihrer Delegationen dar und hörten sich die Mei nung der Gegenseite an. Daß diese Meinungen heute noch sehr weit auseinandergehen, weiß man, ohne daß «S dazu einer besonderen Mitteilung bedürfte. Eine öffentliche Kundgebung hat die Sachverstän- digen-Konferenz jedoch trotz ihrer Abneigung gegen die Oeffentlichkeit für notwendig gehalten, nämlich ein Be- grüßungstelegramm an den Präsidenten der ersten großen Reparationskonferenz, den amerikanischen Vize präsidenten Dawes. Das Telegramm, das einstimmig gebilligt wurde, hat folgenden Wortlaut: „Das zweite Sachverständigen-Komitee entbietet dem General Dawes im Augenblick, wo es zum ersten Male in Paris ver sammelt ist, den Ausdruck seines Respektes und der Hoffnung, daß das Komitee ein ebenso nützliches Werk vollbringen möge wie das, das unter seiner Präsident schaft im Jahre 1924 verwirklicht wurde." Konferenzen, die hinter verschlossenen Türen statt finden, lassen Gerüchte und Mutmaßungen üp pig ins Kraut schießen. Die Sachvcrständigen-Kon- fercnz wird davon kaum eine Ausnahme machen, be müht sich die Pariser Presse doch jetzt schon, eingehend die ihrer Meinung nach vorhandenen LösungSmöglich- keiten darzulegen. Man kennt diese Methode schon von früheren Gelegenheiten her und weiß, daß häufig System dahinter steckt: Paris will aus den Gang der Verhandlungen einwirken! Deutscherseits wird man sich solchen Meldungen gegenüber von vornherein mit Miß trauen wappnen: Die Sachverständigen mögen beschlie ßen, was sie wollen, Aussicht auf Verwirklichung haben ihre Beschlüsse nur dann, wenn sie einstimmig ge faßt werden und der deutschen Regierung tragbar er scheinen. * D«r Schutzverband geschädigter Auslandsdeutscher an Dr. Schacht. - «erlitt, 13. Februar. Der Schutzverband ge schädigter Auslandsdeutscher sandte an den Führer der deutschen Abordnung zur Sachverständigenverhand- luna in Vari« folgender Schreiben: ..Der dem Reichs bund der ihres Privateigentums beraubten und ent rechteten Auslands-, Kolonial- und Grenzlandsdeutschen angeschlossene Schutzverband geschädigter Auslandsdeut scher, Kolonialdeutscher und Verdrängter, nimmt Bezug auf die Entschließung de» Reichstages bei Verabschie dung des KriegSschäden-SchlutzgesetzeS, wonach Reichs regierung ersucht wird, bet der Endregelung der Re- parationsverpflichtungen Deutschlands alles in ihrer Macht stehende zu tun, um weitere Entschädigung ge mäß Artikel 297 des Versailler Vertrages durchzu setzen. Der Schutzverband bittet dringend, obiger Ent schließung entsprechend zu handeln und erwartet ent schiedenes Eintreten für die Rechte der von ihm ver tretenen beraubten Volksgenossen." Rom im Flaggenschmuck. Feiern und Illuminationen. — Der neue Kirchenstaat. — Im Mai erstes Zusammentreffen des Papstes mit dem König? Aus Anlaß der Einigung zwischen der italieni schen Regierung und dem Papste wehten am Dienstag in Rom überall Flaggen in den italienischen und päpst lichen Farben. Die Zeitungen hatten Sonderausgaben herausgebracht und brachten darin zum Ausdruck, die Einigung Italiens sei nunmehr restlos vollzogen. Zur Feier des Tages hatten um Mitternacht und mittags 12 Uhr im ganzen Lande die Glocken geläutet. In den Morgenstunden des Dienstag bewegte sich in Rom eine dichte Menschenmenge nach der Peters- kirche. Bor der Kirche hatte eine Abteilung Infanterie Aufstellung genommen. Glockengeläut verkündete den Beginn des Pontifikalamtes. Beim Eintritt in die Kirche erteilte der Papst den Segen. In den Abend stunden veranstalteten Militärkapellen Platzkonzert, rö mische Fackeln flammten auf, wie überhaupt die ganze Stadt im Lichte der Illuminationen erstrahlte. Die drei Berträge über die Einigung zwischen Papst und Staat, die am Dienstag im Auszug bekannt, gegeben wurden, sind in italienischer Sprache abge- faßt «nd existieren nur in wenigen Exemplaren. Die politischen Berträge enthalten 2S Artikel ans IS Seiten; die finanziellen Vereinbarungen bestehen aus drei Ar tikeln, die vier Seiten «mfassen, das KonkordatSab» kommen umfaßt 2« Seiten und 4S Artikel. Der neue Kirchenstaat umfaßt entgegen den ersten Meldungen nur den Batikan, seine Gärten und die Gebäude seiner nächsten Umgebung, ferner die Piazza del Lagrestia und die Piazza di Santa Marta, den deutsche» Friedhof und das deutsche Kollegium. Außerdem wird die Un, antastbarkeit der päpstliche» Pfründegüter «nd Kanz, leie« sowie das Kastell Gandolfo in der Nähe von Rom gewährleistet, das einige» Päpsten als Sommersitz ge dient hatte «nd schon jetzt dem Batikan gehört. Wie verlautet, will der Papst den Vatikan erst mals nach der Bestätigung der Berträge verlassen. Da die italienische Kammer erst am 21. April wieder zu sammentritt, ist eine Bestätigung der Verträge erst für Ende April zu erwarten. Die erste Begegnung zwischen dem Papst und dem italienischen König dürfte nicht vor Mai stattfinden. Bei offiziellen Begegnungen wer den die italienische Nationalhymne und die päpstliche Hymne gespielt werden. Die Einigungsverhandlungen. Neber 200 Zusammenkünfte. — Die Haltung des Batikans. lieber die Entstehungsgeschichte dec Verträge wird mitgeteilt, die erste Zusammenkunft zur Beilegung der römischen Frage habe am 6. August 1926 stattgefunden. Der italienische Staat sei dabei durch den inzwischen verstorbenen Staatsrat Barone, der Vatikan durch den päpstlichen Rechtsbeistand Prof. Pacelli vertreten ge wesen. Die letzten acht Sitzungen hätten in der Pri vatwohnung Mussolinis stattgefunden. Während der Unterzeichnung der Friedensverträge im Lateran hielt Papst Prus XI. eine Rede an die römischen Stadtpfarrer. Der Papst führte aus, der Fricdensschluß garantiere dem Papste wahre und volle Souveränität. Für das Geschehene sei er allein ver antwortlich. Den befreundeten Mächten sei Mitteilung von der Einigung gemacht worden, ihre Zustimmung oder Garantie sei jedoch nicht erbeten worden. Er habe absichtlich so wenig verlangt, um dadurch zu zeigen, daß der Vater mit seinen Kindern unterhandle und um ihnen die Prüfung leicht zu machen. Dadurch habe er auch bewiesen, daß ihn kein weltlicher Herr schaftsruhm geleitet habe, sondern daß er sich mit dem erforderlichen Mindestmaß für seine geistliche Unab hängigkeit begnüge. Zudem müßte man sich bewußt fein, daß dieses kleine Gebiet unendliche Kunstschätze bewahre, wodurch das Gebiet überaus kostbar werde. venkl an die Relchs-llnsalloerlMungs-Wochet peitsch« seiiwärt» strecken und mich vorn bewege» heißt: Uebrrhole» IN« «UBa-Bk-Ich«» „«»,,» «II « jedem r» Md«.! Gegenüber den Kritiken wegen der zu zahlenden Geld- entschädigung sei zu bemerken, daß auch die geist liche Mission des Geldes bedürfe. ES sei daher ganz! am Platze, daß er auch bei dieser Gelegenheit di» Spenden zum PeterSpsennig entgegennehme. Kundgebung -es Hausbesitzes. Eine Entschließung des Vorstandes der Haies» n«N Grundbesitze rverei«e. Der Vorstand des Zentralverbandes der deutschen, Haus- und Grundbesitzervereine hat einstimmig eins Entschließung gefaßt, in der es zum Schluß heißt: „Unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung der For- derungen auf Verelnsachung und Vereinheitlichung de« Steuergesetzgebung verwirft der deutsche Hausbesitz dis jetzigen Steuerpläne des Reichsfinanzministers. Dey deutsche Hausbesitz hält es für unverantwortlich und bea trachtet es als einen allgemein gegen die deutsche Wirt« schäft gerichteten Schlag, zu dem Zeitpunkt, in welchem! der Wirtschaft und dem Besitz neuerdings gewaltige Lasten zugemutet werden, zum zweiten Male eine Sen« kung der Lohn- und Einkommensteuer durchzuführen« Der deutsche Hausbesitz hält es auch für unvereinbar! mit der behaupteten schlechten Finanzlage des Reiches! und im Widerspruch stehend mit dem Grundsatz Voiß Recht und Gerechtigkeit, die Wirtschaft fortgesetzt mist neuen Steuern zu belasten, während die öffentlichen! Körperschaften und deren ständig zunehmenden Ge« werüebetriebe in weitgehendem Matze steuerlich befreit sind, und erhebt, gleich anderen Wirtschaftsverbänden» die Forderung, dis Reichssteuergesetze in dieser Be- ziehuug einer Revision zu unterziehen. Der deutsch« Hausbesitz fordert nachdrücklich, datz die Ausgleichung! des Reichshaushalts nicht durch Steuerhöhung, sowe dern durch Ausgabendrosselung sowie eine so-* fortige wesentliche Einschränkung der Ausgaben durch! Abbau aller überflüssigen Gesetze und Behörden erfolgt und daß endlich die Zusicherungen und Versprechungen! über Vereinfachung der öffentlichen Wirtschaft sowie durchgreifende Sparsamkeitsmatznahmen in die Tat um gesetzt werden." Der vatikanische Staat« Gegenseitige Anerkennung. — Der vatikanische Staat ewig neutrales Gebiet. — Die katholische Religion« StaatSreligion. , Nach Mitteilungen von privater Seite enthalten! vis Vereinbarungen zwischen der italienischen Regie rung und dem Papste im wesentlichen folgende Be stimmungen: Die römische Frage ist endgültig erledigt. Ler Papst anerkennt den italienischen Staat unter der Re gierung des HanseS Savoyen mit Rom als Haupt stadt. Die katholische Religio« ist in Italien Staats religion. Der Heilige Stnhl erhält die volle «nd ab solute Souveränität im Batikan in seinem jetzigen Um fang. Der neue vatikanische Staat wird ausschließlich vom Heiligen Stuhl ohne Einmischung der italieni schen Regierung verwaltet. Die italienische Regierung richtet in der vatikanischen Stadt alle öffentlichen Ver kehrsmittel ein, darunter eine Eisenbahnstation sowio direkte Verbindungen mit der übrigen Welt durch Te legraph, Radio, Telephon und Post. Italien anerkennt das Recht des Heiligen Stuhls, gemätz dem internationalen Recht Gesandtschaften zu schicken und zu erhalten. Italien errichtet beim Heuigen Stuhl eine Bot schaft und der Heilige Stuhl beim italienischen Hofe eins Nuntiatur. Der Heilige Stuhl erklärt, daß er nicht beab sichtigt» und daß er nicht teilnehmen wird an zeitlichen, Kompetitionen mit den anderen Staaten und nicht an inter-. nationalen Konferenzen, die zu solchen Zwecken einberufen werden, es sei denn, daß seine Vermittlung von den inter essierten Mächten angerufen wird. Aber der Heilige Stuhl behält sich vor, seine moralische «nd geistig« Macht in Vie Waaschale zu werfen in allen solche» Fragen. Di« vatika nische Stadt wird infolgedessen stets »nd ewig als ne«» traleS und unverletzbares Gebiet zu betrechten sei«. Das Konkordat bestimmt, daß alles, was Mit dem heiligen Charakter Roms im Widerspruch steht, vom ita lienischen Staat vermieden und nicht erlaubt werden wird. Es folgt sodann die Regelung der kirchlichen Gesetzgebung und die Anerkennung der religiösen Orden als juristische Personen. Bezüglich des Eherechts wird die Wirkuna der rein kirchlichen Ehe anerkannt. 's- Der Papst zeigt sich in der Oeffentlichkeit. — Rom, 13. Februar. Fünf Minuten vor 13 Uhr erteilte der Papst gestern von der äutzeren Loggia der Peterskirche der auf dem Platz versammelten Menge seinen Segen. Während der Feier regnete es stark. Fürst Johann von Liechtenstein Nach70jährtger Regierungszeit. Auf seinem Schloß Feldberg in Mähren starb der Regent des mit 10 «OS Einwohnern Neinsten euro» päischen Landes, Fürst Johann H. von Liechtenstein, im 8». Lebensjahr. Fürst Johann ll., der 1840 das Licht der Welt erblickte, war 1858 seinem Vater in der Regierung nachgefolgt. Er hat also mehr als 70 Jahre regiert und damit wohl einen Rekord aufgestellt. Fürst Jo hann war wegen seines großen Reichtums bekannt. Noch im vergangenen Jahre hatte er der infolge von Wechselbetrügereten in Zahlungsschwierigkeiten ge ratenen Sparkasse von Vaduz eine Summe von 1 Mil lion Schweizer Franken als Garantiesumme zur Ver fügung gestellt. Dem unvermählt gebliebenen Fürsten folgt sein gleichfalls unverheirateter Bruder Franz von Paula in der Regierung nach, der bereits im 76. Lebensjahre steht.