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Auftakt zum Dialog an der TU - ein Anfang ist gemacht - nur die Zeit begrenzte Themenvielfalt -Aufgebot an Kompetenz kam kaum zu Wort - Drei Stunden Diskussion und kein Ende PRO UND KONTRA - OFFENER DIALOG IM KLARTEXT Der erwartete Auftakt zum Dialog an der TU fand am 31. 10. 1989 im Stöckhardt-Auditorium statt. Die FDJ-Kreisleitung hatte eingeladen, gekommen waren nicht nur FDJler, sondern auch viele Funktionäre, Mit arbeiter. Hochschullehrer. Als Gäste und Diskussionspartner nahmen teil: Genossin Gisela Hermann, Sekretär für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur der SED-Stadtleitung, Genos se Gerd Stöhr, Sekretär für Agita tion und Propaganda der SED-Stadt leitung, Gen. Bernd Hofmann, Stell vertreter des Oberbürgermeisters und Vorsitzender der Stadtplankom mission. Genosse Hartmut Lange, Stellvertreter des Oberbürgermei sters für Inneres, Genosse Manfred Kretzschmar, Stadtrat für Woh nungspolitik und Wonungswirtschaft. Die Versammlungsleitung lag in den Händen von Dr. Rainer Butsch ke, 1. Sekretär der FDJ-Kreisleitung, und Ingolf Kolanowski, 2. Sekretär der FDJ-Kreisleitung (Bild links, Mitte). Gerd Stöhr, Sekretär für Agitation und Propaganda der SED-Stadtlei- tung Prof. Dr. Günter Hartmann, Prorek tor für Erziehung und Ausbildung Jana Golbs, Abgeordnete der Volks kammer, Sektion Informatik „Wir wollen jetzt nicht so tun, als. ob es nicht so gewesen ist!“ Mit die sen offenen Worten beendete der Prorektor für Erziehung und Aus bildung, Genosse Prof. Dr. Hart mann, die kontroverse Diskussion um die Behauptung eines Redners, die Zulassung zum Forschungsstu dium sei bisher vor allem von der Zugehörigkeit zur SED abhängig ge wesen. Hätte der Prorektor als einer der Verantwortlichen diese Kader politik nicht verteidigen müssen? Wäre es nicht besser gewesen, an gesichts der Stimmung im Audito rium den Vorwurf, SED-Mitglieder bevorzugt zu haben, wenigstens zu entkräften? Sicher hätte Prof. Hart mann mit den Namen von partei losen oder christlichen „Forschis“ aufwarten können! War es also rich tig, daß ein hochrangiger staatlicher Leiter eine zwar unpopuläre, aber unbestreitbare Tatsache offen und unumwunden zugab? Unbedingt! Alle Partei-, Staats- und FDJ-Funktionäre, die in der dreistündigen Diskussion die Wahr heit sagten, wurden vom Publikum akzeptiert, und manche ernteten so gar Beifall. So auch die Volks kammerabgeordnete Jana Golbs. „Erst seit wenigen Wochen, genauer seit Oktober 1989, fühle ich mich als Volksvertreter, als Interessenvertre ter meiner Wähler“, sagte sie in ih rem leidenschaftlichen Diskussions beitrag. Sie schilderte die bisherige Arbeitsweise der Volkskammer, de ren Geschäftsordnung zwar Nein stimmen vorsieht, die aber bisher vom Fraktionszwang regiert wurde. Sie berichtete von den Aktivitäten der 37köpfigen FDJ-Fraktion, die ei ne Tagung zur Lage im Lande be antragt hatte, und wie der Antrag von Volkskammerpräsident Horst Sindermann behandelt wurde ... Und sie stellte klar, daß sich vieles schon geändert hat. Beispielsweise erhielt kein Genosse den Auftrag, für Egon Krenz bei seiner Wahl zum Staatsratsvorsitzenden zu stimmen! Hans-Günter Heinel, ehemaliger Se kretär der FDJ-Kreisleitung, Sektion ML Engagierte Diskussionsrednerin, mit deren Namen es Schwierigkeiten gibt Gisela Hermann, Sekretär für Wis senschaft, Volksbildung und Kultur der SED-Stadtleitung Prof. Dr. Bernd Hommel, Sekretär der Zentralen Parteileitung Wer an diesem Abend zur Lage in der FDJ sprach, ging davon aus, daß es eine neue FDJ geben wird. Das Mitglied des Zentralrates Uwe Knoth berichtete von der bewegen den und Bewegung auslösenden Ta gung des FD J-Zentralrates Ende Ok tober. Es wird ein neues Statut ge ben, aus der Kampfreserve wird eine selbständige Massenorganisation. In der Diskussion ging es nicht mehr um die „alte“ FDJ, sondern bereits darum, wie die neue aussehen soll, ob sie ein kommunistischer Jugend verband, der 20 Prozent der Jugend lichen in sich vereinigt, oder eine Dachorganisation mehrerer Jugend verbände sein wird. Wenn an diesem Abend ein heißes Eisen nicht angefaßt wurde, dann aus Zeitmangel. Unter anderem fiel das Stichwort „Zensur“. Konkret ging es um die beliebte „Clubzeit“. Auch hierzu gab es eine klare Posi tion des amtierenden Rektors Prof. Dr. Brendel: Eine Zensur wird es nicht geben, eine Zusammenarbeit der Studenten mit dem Rektor ist notwendig. Schließlich hält er den Kopf auch für das hin, was sie ver- Kai Hertwig, Sekretär für Agitation Prof. Dr. Manfred Kliemt, Prorektor und Propaganda der FDJ-Kreislei- für Gesellschaftswissenschaften tung öffentlichen. Grund genug, ihm Ein blick in Veröffentlichungen zu ge währen. Gehör, aber wenig Beifall fand Genossin Gisela Hermann, als sie für den IX. Pädagogischen Kongreß ein trat. Sie brachte seine Beschlüsse zwar schon mit dem Papierkorb in Zusammenhang, konnte sich aber noch nicht entschließen, sie hinein zuwerfen, weil viele brauchbare Ge danken darin enthalten sind. Das ist unbestritten, aber den selbsterhobe nen Anspruch, Konzept der Volks bildung bis zum Jahr 2000 zu sein, erfüllen sie gewiß nicht. Und nur allzu recht hatte jene Diskussions rednerin, die darauf verwies, daß die Probleme, die vor dem IX. Pädagogi schen Kongreß diskutiert wurden, nun wieder zur Diskussion stehen. Vor dem überwiegend studenti schen Auditorium bewies der Philo soph und Prorektor für Gesell schaftswissenschaften, Prof. Dr. Kliemt, Charakter, als er den Stand punkt vertrat, daß gerade in unserer Zeit das Studium des Marxismus-Le ninismus dringender denn je ist. Er stellte aber auch klar, daß die Er neuerung um das marxistisch-lenini stische Grundlagenstudium keinen Bogen macht, Veränderungen kom men werden. Aus der Situation her aus versuchte er, gegen den Vor wurf, der ML-Note sei Priorität ein geräumt worden. Wenn und Aber vorzubringen. Unverdient entstand so der Eindruck, daß sich Philoso phen und Gesellschaftswissenschaft ler der TU nicht von Hergebrachtem lösen wollen. Zu Unrecht deshalb, weil unsere Philosophen für sich in Anspruch nehmen können, bereits für eine Wende in unserer Gesell schaft eingetreten zu sein, als man cher der hetitigen Reformer noch nicht an Reformen dachte. Die Phi losophen der TU sollten bald Ge legenheit bekommen, in einer großen Diskussion ihre progressiven Stand punkte darlegen zu können. Ein Redner warf der SED vor ihre führende Rolle mit Alleinherrschaft verwechselt zu haben. 95 Prozent der Geschichte der SED widerlegen diese Behauptung, aber nicht um diese ging es hier, sondern um die rest lichen 5 Prozent. Und Genosse Gerd Stöhr sagte nicht ohne Grund: ..Wenn die SED bleiben will, was sie ist. kann sie nicht bleiben, wie sie ist.“ Die Partei muß sich selbst er neuern, wenn sie den Kurs der Er neuerung verwirklichen will. Die führende Rolle muß in offener Kon kurrenz mit anderen Parteien er arbeitet werden, es gilt zu lenken, ohne zu bevormunden, zu leiten, oh ne zu herrschen. Die dreistündige Diskussion zeig te, daß Offenheit am Anfang des Dialogs steht, verlorenes Vertrauen zurückgewinnen hilft, den Weg frei macht zum ehrlichen Ringen um die Lösung unserer Probleme. Den Wor ten müssen allerdings unverzüglich Taten folgen, mit denen der Kurs der Erneuerung unumkehrbare Rea lität wird. Wo wir gemeinsam mit allen progressiven Kräften anpacken müssen, sagt das Aktionsprogramm der SED. H. Weiße Prof. Dr. Horst Brendel, amtieren der Rektor und 1. Prorektor tes der FDJ Meldete sich mehrmals zu Wort, lei der waren Bild und Name in der Ei le nicht zuzuordnen. Diskussionsredner, der gegen Lochstopferei auftrat. Dr. Horst Kempe, Verwaltungsdirektor Nannte seinen Namen, aber siehe oben